REGION. Die Wirtschaftskrise traf in den vergangenen Monaten auch die Region. Schon lange hat es kein Jahr mehr gegen, in dem so viele Unternehmen Insolvenz anmelden mussten und so viele Arbeitsplätze abgebaut wurden. Es traf auch einige Traditionsfirmen in Reutlingen und der Region.
Knapp: Gründung 1753, Schließung 2025
Die Firma Ulrich Adam Knapp machte im Januar 2025 dicht. Die 1753 gegründete Stahl- und Eisenwarenhandlung legte ihre Betriebe in Reutlingen und in Albstadt-Ebingen still. Davon waren 34 Beschäftigte betroffen. Das Unternehmen sah sich aufgrund der Auswirkungen der Baukrise auf den Stahl- und Eisenwarenhandel »ohne Aussicht auf Besserung« zur Aufgabe gezwungen. Das Reutlinger Betriebsgelände wurde an das Unternehmen Bosch verkauft.
Prettl: Kündigungen treffen Belegschaft hart
Bei Prettl in Pfullingen wurden fast alle Mitarbeiter entlassen. 50 von 59 Beschäftigten erhielten die Kündigung, was einem Kahlschlag gleichkommt. Besonders bitter ist das Schweigen der Unternehmensführung, die sich nicht einmal auf Nachfrage des GEA äußert. Der Betrieb der Prettl GmbH Magnet- und Schaltertechnik in Pfullingen soll zum 31. Dezember 2026 stillgelegt werden. Dies teilte Harald Kreitlein, Rechtsanwalt des Unternehmens, im Rahmen mehrerer Güteverhandlungen vor dem Arbeitsgericht Reutlingen mit. Der Betrieb in Pfullingen sei mangels neuer Aufträge auf Dauer nicht ausreichend ausgelastet. Daher seien betriebsbedingte Kündigungen mit vier unterschiedlichen Endterminen ausgesprochen worden. Da die Prettl GmbH keinen Betriebsrat hat, konnte kein Interessenausgleich und Sozialplan vereinbart werden.
Reiff: Eine Rettung ist noch in Sicht
Bei der im Handel mit technischen Produkten tätigen traditionsreichen Reutlinger Unternehmensgruppe Reiff sollen 160 der 585 Arbeitsplätze wegfallen, davon 90 in Reutlingen. Dies sieht ein Personalkonzept vor, das bei einer Betriebsversammlung vorgestellt wurde. Den Betroffenen wird der Übertritt in eine Beschäftigungsgesellschaft angeboten. Die wesentlichen deutschen Gesellschaften der Reiff-Gruppe hatten Ende Juli und im September Insolvenzverfahren beantragt. Das niederländische Unternehmen Eriks möchte die Reiff-Gruppe vielleicht noch in diesem Jahr erwerben, vorbehaltlich der Zustimmung der Kartellbehörden.
Manz: Tesla rettet große Teile der Belegschaft
Auf Antrag der Manz AG wurde über deren Vermögen mit Wirkung im Februar 2025 das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum 1. März hat dann die Tesla Automation GmbH mit Sitz in Prüm, eine Tochtergesellschaft des US-amerikanischen Herstellers von Elektrofahrzeugen Tesla, Inc., Austin (USA), über 300 Mitarbeiter der Manz Gruppe am Standort Reutlingen übernommen sowie bewegliches Sachanlagevermögen erworben. Ferner nutzt Tesla Automation die Betriebsimmobilie von Manz in Reutlingen. Über den Kaufpreis wurden in der Mitteilung keine Angaben gemacht. Ende November hatte die Manz-Gruppe weltweit 1.179 Beschäftigte, davon 417 in Reutlingen. Die weiteren Arbeitnehmer sind bei Tochterfirmen in der Slowakei, in Italien, China, Taiwan, Indien und in den USA tätig. Diese Tochtergesellschaften und sonstige Beteiligungen der Manz AG sollen veräußert werden. Zum Teil ist dies bereits gelungen.
Cellforce: Werk wird vor der Eröffnung geschlossen
Aus und vorbei. Auch Porsche gibt die ehrgeizigen Pläne rund um einer eigenen Batteriefertigung mit dem Unternehmen Cellforce und dem Werk in Kirchentellinsfurt auf. Dabei sollte die Fertigung das »Herzstück« der Elektrozukunft von Porsche werden. Als echte Insolvenz kann der Rückzieher des Sportwagenherstellers zwar nicht bezeichnet werden, doch der Verlust von rund 200 der 283 Arbeitsplätze, bevor die Werkshallen fertiggestellt waren, kommt einer solchen doch sehr nahe.
Eissmann: Aderlass und Rettung
Die insolvente Unternehmensgruppe Eissmann mit Stammsitz in Bad Urach hat eine Zukunft. Der Anbieter von Fahrzeug-Innenraumlösungen ist von der Beteiligungsfirma Axent Capital Partners AG, Zug (Schweiz), übernommen worden. Dies geht aus am Montag verbreiteten Medieninformationen von Axent Capital Partners und des Insolvenzverwalters Holger Leichtle hervor. Unter der Führung von Axent Capital Partners werden demnach 3.200 Arbeitsplätze der Gruppe erhalten bleiben, darunter 140 in Bad Urach sowie 300 in Pirna/Sachsen. Als Eissmann Ende Februar 2024 Insolvenzanträge für die fünf deutschen Gesellschaften stellte, hatte die Gruppe weltweit 5.000 Beschäftigte, davon 268 in Bad Urach und Münsingen (inzwischen geschlossen).
Krämer: Insolvenz-Antrag zurückgenommen
Die Krämer Automotive Systems GmbH, Reutlingen, mit 18 Beschäftigten hat ihren Mitte Juli beim Amtsgericht Tübingen gestellten Insolvenzantrag Ende August zurückgenommen. Hintergrund sind neue, große Aufträge, die das Unternehmen noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhalten hat. In einer neuen Bekanntmachung des Amtsgerichts Tübingen über Krämer heißt es, die angeordneten Sicherungsmaßnahmen gemäß Paragraf 21 Insolvenzordnung seien aufgehoben worden. Entsprechend wird auch in einem neuen Handelsregistereintrag Anfang September auf diesen Beschluss des Amtsgerichts Tübingen verwiesen.
Stoll: Traditionsbetrieb endet nach 152 Jahren
Der Reutlinger Traditionsbetrieb Stoll steht vor dem Aus. Die 270 Beschäftigten erfuhren bei einer Betriebsversammlung, dass der 1873 gegründete Flachstrickmaschinenhersteller Ende Oktober 2025 geschlossen wird. In einem Sozialplan sind eine Transfergesellschaft und Abfindungsregelungen vereinbart. So sieht es ein Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vor. Die 270 von der Schließung betroffenen Beschäftigten waren zwischen 19 und 66 Jahre alt. 150 der 270 waren über 50 Jahre alt und teilweise seit Jahrzehnten in dem Unternehmen beschäftigt. Das Unternehmen war spezialisiert auf die Herstellung von Strickmaschinen. Am Standort in Reutlingen wurden hauptsächlich Flachstrickmaschinen gefertigt. 2020 wurde das Unternehmen von der Karl Mayer Gruppe übernommen. (GEA)

