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Zweckentfremdungsverbot lehnen die meisten ab

19.55 Uhr: Bei den Schlagworten »Zweckentfremdungsverbot« »Baugebot« schlugen die Wellen zum ersten Mal richtig hoch. Soll man leerstehende Wohnungen zwangsweise bewohnbar machen?

Foto: Gerlinde Trinkhaus
Foto: Gerlinde Trinkhaus

REUTLINGEN. Dr. Carl-Gustav Kalbfell sprach sich gegen »rigide Zwangsmaßnahmen« aus und will lieber Wohnraum schaffen, indem er die Baugenehmigungsverfahren beschleunigt. Er nennt das »einladende Maßnahmen«. Auch die städtische Wohnungsgesellschaft GWG müsse ihre Wohnungen aufarbeiten und neue Wohnformen anbieten, etwa für alte Menschen, die alleine Wohnen und ihre großen Wohnungen gerne gegen kleine im betreuten Wohnen eintauschen würden.

Dr. Christian Schneider (CDU) ist ebenfalls gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und Baugebote, die ohnehin zu langwierig seien. Man müsse Verständnis aufbringen für Menschen, die ihr Grundstück zunächst nicht bebauen und für ihre Enkel aufheben wollen. Schneider will lieber Tauschflächen anbieten. Überzeugungsarbeit sei viel wichtiger als ein Baugebot.

Dem widersprach Thomas Keck (SPD): »Es geht um Leute, das knappe Bauland aufkaufen und liegenlassen in der Hoffnung, dass es an Wert weiter zunimmt.« Hier sei ein Baugebot durchaus angebracht. Die Beschleunigung von Baugenehmigungsverfahren bringe nicht die von Kalbfell gewünschte Wirkung, ebensowenig das Zweckentfremdungsverbot. »Was wir brauchen, ist Bauland, Bauland, Bauland.«

Cindy Holmberg (Grüne) ist für ein Zweckentfremdungsverbot. Die Stadt müsse dieses Instrument in die Hand nehmen, um die Leute zum Umdenken zu bewegen und ihre Wohnungen zur Verfügung zu stellen. »Die Innenstadt lebt nicht mehr, weil in der Stadt niemand lebt.« Leerstehende Wohnungen könnten Studenten zur Verfügung gestellt werden, die dringend Wohnraum suchen.

Dass mehr Wohnraum nötig ist, darüber waren sich alle einig. Die Stadt brauche wirkungsvolle Instumente, um Bauland zu generieren, forderte Thomas Keck, unter anderem erweiterte Vorkaufsrechte – wer mehr als einen halben Hektar Bauland verkauft, muss dieses zuerst der Stadt anbieten. Keck nannte einen weiteren Beschluss des Gemeinderats unter seiner Mitwirkung: 30 Prozent sozialer Wohnungsbau mit 30 Jahren Sozialbindung (»wenn’s nach mir ginge, wäre die Sozialbindung unbefristet«).

Dass »auch private Investoren rangenommen werden«, was die Schaffung von Sozialwohnungen angeht, forderte Cindy Holmberg. »Es kann nicht mehr dem spekulativen Raum überlassen werden, das müssen wir selbst in die Hand nehmen.« Schließlich sei Wohnraum eine Daseinsfürsorge.

Viel Wohnraum schaffen auf kleinem Grundriss oder viel Fläche verbrauchen – Andreas Zimmermann favorisiert, Hochhäuser, aber nicht Projekte wie das Stuttgarter Tor. »Wir brauchen Wohnungen, die sich ein Normalsterblicher leisten kann.«Als Beispiel für flexibel gestaltbaren Wohnraum nannte er die May-Siedlung in Frankfurt. Aus einer Vierzimmerwohnung lassen sich ohne großen Aufwand Einzimmer-Appartements machen. »Es gebe dafür genügend Brachflächen in Reutlingen.«

"Ressourcenverantwortlich" mit den Flächen umzugehen, forderte Thomas Keck. Grünzüge müssten erhalten werden. "Wir können so nicht weitermachen." Nicht nur das Wohnen, sondern auch das Gewerbe müsse künftig in die Höhe gehen. Hier sei interkommunale Einigkeit gefragt, um zu verhindern, dass Investoren die Gemeinden gegeneinander ausspielten. Interkommunal will auch Kalbfell arbeiten. Er beschwor die Achse Tübingen – Reutlingen – Metzingen. "Es muss mehr Miteinander anstatt gegeneinander geben". Nur so werde man auch in Stuttgart und Berlin gehört. Als interkommunale Ideen nannte er ein "Mehrzweckhallenbad, ein "wettkampftaugliches Hallenbad" bis hin zu den Stadtwerken und dem ÖPNV.

Das Anwerben von Investoren müsse Chefsache sein, meinte Schneider. »Willkommenskultur « sei wichtig, reiche aber alleine nicht.