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Aktuell Inflation

Wird wirklich alles teurer? Das ist tatsächlich billiger geworden

Seit Monaten geht die Teuerungsrate in Deutschland und Europa nach oben. In Reutlingen und der Region ist das am offensichtlichsten beim Blick auf die Spritpreise an den Tankstellen zu erkennen. Doch es gibt sie tatsächlich: Die fallenden Preise.

Foto: Jeon Heon-Kyun
Viele Fernseher, Elektronikgeräte und Smartphoneverträge sind günstiger geworden. Foto: Jeon Heon-Kyun
Viele Fernseher, Elektronikgeräte und Smartphoneverträge sind günstiger geworden.
Foto: Jeon Heon-Kyun

REUTLINGEN/STUTTGART. Spritpreise über 1,80 Euro pro Liter, Gasanbieter verdoppeln oder vervierfachen sogar ihre Preise. An der Kasse im Diskounter oder auf dem Wochenmarkt haben die Preise auch spürbar angezogen. Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg hat die nüchternen Zahlen dazu: Die Verbraucherpreise sind im Januar um 4,6 Prozent gestiegen, nach 5 Prozent im Dezember und 4,9 Prozent im November. Ein Blick auf die deutschlandweite Statistik zeigt auch: Im Land ist die Verteuerung ein klein wenig niedriger ausgefallen als im gesamten Bundesgebiet. Auch erkennbar: Die größten Preistreiber sind die Kosten für Energie, also Heizen und Kraftstoffe. Hier lagen die Preise bei mehr als 20 Prozent über dem Vorjahr. Bei Nahrungsmitteln fiel die Teuerung mit 5 Prozent etwas niedriger aus.

Doch ist wirklich alles teurer geworden? Gibt es auch Waren und Dienstleistungen die günstiger geworden sind? Ist es tatsächlich so, dass die Kaufkraft der Menschen nachgelassen hat und die Euros im Geldbeutel weniger wert sind?

Natürlich erleben die Menschen in Reutlingen und der Region die Verteuerung ganz unterschiedlich und individuell. Wer mit einem Verbrenner-Auto viel unterwegs ist und deshalb häufiger tanken muss, spürt die höheren Spritkosten deutlicher. Im Vergleich dazu erscheint die Preiserhöhung von 2,5 Prozent für Tickets im Nahverkehrsverbund Naldo recht moderat. Das gilt auch für Mieterhöhungen: Kaltmieten stiegen laut statitischem Bundesamt im Durchschnitt um 1,4 Prozent.

Elektronik, Fernseher, Smartphones und deren Verträge billiger

Doch es gibt sie tatsächlich, Waren und Dienstleistungen, die auch in der größten Inflation in Deutschland seit über 25 Jahren günstiger geworden sind?

»Blicken wir doch beispielsweise einfach mal auf Produkte, bei denen der Preis gleich geblieben ist, die aber mehr Leistung bieten«, sagte Christoph Heise, Sprecher der Industrie- und Handelskammer Reutlingen im Gespräch mit dem GEA. Er und seine Kollegen hätten sich dazu ein paar Gedanken gemacht. So meinte er: »Ein Beispiel wären diverse Handy-Verträge. Hier gibt es Angebote, die günstiger werden und gleichzeitig einen Leistungsumfang haben, der mehr als ausreichend ist.« Das gelte im Prinzip auch für neue Notebooks oder Laptops, so Heise. Das statistische Bundesamt bestätigt das. Zahlreiche Elektronikprodukte, Smartphones oder Fernseher sind demnach günstiger geworden.

Teurer Sprit macht E-Autos zunehmend günstiger

Mit Blick auf die höchsten Preise aller Zeiten für Diesel und Benzin könnte für viele Menschen der Umstieg auf ein Elektroauto interessant werden. Johannes Schmidt ist Projektleiter E-Mobilität bei den Stadtwerken Tübingen (SWT) und hat das für den GEA mal mit den aktuellen Preisen begerechnet und verglichen: »Je nach Modell kommt ein Elektroauto mit 5,74 bis 7,58 Euro hundert Kilometer weit. Ein Benziner verbrennt auf hundert Kilometer 14,17 Euro, ein Diesel knapp 12 Euro«, so Johannes Schmidt. Mit weiter steigenden Spritpreisen dürfte die Schere noch mehr auseinandergehen, zumal die Strompreise an den Ladepunkten bislang nicht gestiegen sind. Außerdem war es noch nie so günstig, ein E-Auto zu kaufen. Reine E-Autos bekommen über den sogenannten Umweltbonus und der Innovationsprämie vom Staat und den Herstellern bis Ende 2022 damit eine Förderung von bis zu 9.000 Euro. Seit 1. Januar gilt in ganz Deutschland zudem die sogenannte Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote). Damit können Besitzer eines privaten E-Mobils (auch E-Motorräder und E-Roller) ihre eingesparten CO²-Emissionen zu Geld machen. Das bringt nochmal etwa 200 bis 400 Euro im Jahr ein. Zudem rollen E-Autos zehn Jahre lang steuerfrei über die Straßen.

Preise im Friserusalon bleiben gleich

Der Preis ist gleich, heißt es (noch) bei den Friseurbetrieben in Reutlingen und der Region. Die Investition in einen neuen Haarschnitt, eine frische Tönung oder eine ganz andere Haarfarbe könnte sich jetzt lohnen, denn auch hier dürften die Preise bald steigen. Reutlingens Kreishandwerksmeister, Dieter Laible, ist selbst Chef des gleichnamigen Friseursalons und beschrieb die Situation in seinem Handwerk so: »Die Lage ist auch in unserer Branche gekennzeichnet von Preiserhöhungen und Lieferengpässen. Pflegeprodukte sind zwischen 5 und 15 Prozent teurer geworden.« Der Nachschub an Perücken stocke und auch sie hätten sich verteuert. Deshalb bliebe den Friseuren kaum noch etwas anderes übrig, als die Teuerungsrate an die Kundinnen und Kunden weiterzugeben. Noch seien die Preise aber stabil. 

Haarige Angelegenheit: Während der Pandemie mussten Friseurgeschäfte immer wieder schließen. FOTO: REICHEL/DPA
Eine Dienstleistung, die bislang in der Inflation preisstabil geblieben ist: Der Haarschnitt beim Friseur. Das wird sich voraussichtlich bald ändern. Foto: Reichel/dpa
Eine Dienstleistung, die bislang in der Inflation preisstabil geblieben ist: Der Haarschnitt beim Friseur. Das wird sich voraussichtlich bald ändern.
Foto: Reichel/dpa

Vieles scheint teurer zu werden, gleichzeitig ist aber die Kaufkraft der Deutschen in den vergangenen 60 Jahren kontinuierlich gestiegen. Das heißt: In immer kürzerer Zeit können die Menschen die Kosten für Produkte und Dienstleistungen »erarbeiten«. Seit 1960 hat sich der Stundenlohn mehr als verfünfzehnfacht. Anders berechnet: Für ein Päckchen Butter muss ein Durchschnittverdiener gegenwärtig etwa fünf Minuten lang arbeiten. Vor zehn Jahren war das noch doppelt so lang. Eine ähnliche Rechnung funktioniert auch mit Kraftstoff. 1960 musste der Durchschnitts-Deutsche noch 15 Minuten für einen Liter Sprit »schaffen«, heute im Schnitt nur noch fünf.

Gleichzeitig hat Corona dafür gesorgt, dass die Löhne in den letzten beiden Jahren kaum oder garnicht gestiegen sind. Statistisch betrachtet sanken die Bruttolöhne im Vergleich zum Vorjahr sogar. Neueste Berechneungen zeigen, dass ist einigen Branchen dadurch sogar die Kaufkraft verloren ging und die Inflation das noch verstärkt hat. Nach günstigeren Angeboten in allen Bereichen zu suchen, scheint also gerade wichtiger denn je. (GEA)