REUTLINGEN. »Dieses Produkt ist derzeit ausverkauft und kann nicht geliefert werden.« Mit diesem Satz wurde nahezu jeder Kunde in den vergangenen Monaten irgendwann einmal konfrontiert. Egal ob Fahrradersatzteile, elektronische Geräte oder Fliesen für das Badezimmer: Vieles ist derzeit Mangelware auf dem Markt. Entgegen der Erwartung stieg die Nachfrage in der Corona-Pandemie nach einem zwischenzeitlichen Tief wieder schnell an. Die Produktion kam nicht hinterher, gestörte Warenketten waren die Folge. Doch auch an anderen Stellen klemmt es aktuell gewaltig, wie verschiedene Firmen aus der Region berichten.
- Zweirad-Trautwein
In der Fahrrad-Branche besteht schon seit längerer Zeit eine Lieferknappheit. »Das ist nichts Neues«, sagt Paul Trautwein, Geschäftsführer von Zweirad-Trautwein in Tübingen-Derendingen. »Wir haben uns darauf eingestellt und die Bestellmenge deutlich erhöht.« Das Problem: Shimano, Monopolist für wichtige Fahrrad- und Elektrofahrradbauteile, produziert zum größten Teil in Asien und hat mit Fertigungsproblemen zu kämpfen. Grund dafür ist die in der Corona-Pandemie extrem in die Höhe geschossene Nachfrage nach Fahrrädern.
»Früher waren die Warenströme weltweit besser verteilt. Durch die Pandemie hat sich das geändert. Überall stieg die Nachfrage. Es besteht kein Liefer-, sondern ein Fertigungsproblem«, betont der Geschäftsführer. Es könne durchaus sein, dass seine Kunden unter Umständen ein paar Wochen warten müssen, bis das nötige Ersatzteil geliefert werde. »Wir haben unsere Lagerkapazität deutlich erhöht, um diesem Problem vorzubeugen.« Die früher üblichen Just-in-time-Lieferungen, um den wöchentlichen Bedarf abzudecken, gebe es schon lange nicht mehr. »Wir haben unseren Jahresbedarf auf einmal bestellt«, berichtet Trautwein.
- Schwörer Haus
Auch von Holzknappheit war lange Zeit die Rede. Vor allem die hohe Nachfrage, insbesondere aus China und den USA, führten dazu, dass Holz vielerorts Mangelware war. Inwieweit war das Fertighausunternehmen Schwörer Haus auf der Schwäbischen Alb davon betroffen? »Holzknappheit war bei uns nie das Thema, sondern eher Verzögerungen bei anderen Dingen, wie beispielsweise Fliesen«, berichtet Pressesprecherin Carola Kochner. Das liege allerdings auch daran, dass Schwörer Haus ausschließlich Holz aus einem Umkreis von 60 Kilometern beziehe und langfristige Verträge mit regionalen Forstwirtschaften habe.
- Media-Markt-Saturn-Gruppe
Die Elektromärkte haben stark mit dem Halbleiter-Mangel, der die Chip-Krise auslöste, zu kämpfen. So müssen sich Videospiel-Liebhaber hinsichtlich der neuen Playstation 5, die im vergangenen Jahr auf den Markt kam, schon seit Monaten gedulden. Denn: Nicht nur im Reutlinger Markt ist diese seit langer Zeit nicht mehr im Sortiment zu finden. Auch in anderen Märkten sowie zahlreichen Online-Shops ist die neue Spielkonsole restlos ausverkauft.
Selbst das Vorbestellen ist aktuell teilweise nicht mehr möglich, wie auch eine Sprecherin der Media-Markt-Saturn-Gruppe auf GEA-Nachfrage bestätigt. »Immer mehr Lieferanten signalisieren uns, dass es je nach Nachfrage aktuell zu Engpässen bei der Verfügbarkeit von einzelnen Produkten in unterschiedlichen Produktgruppen kommt.« Sie machten keine Angaben darüber, um welche Produkte es sich genau handelt. Weiter hieß es: »Gleichzeitig erwarten wir eine spürbare Verbesserung der Situation noch im ersten Quartal dieses Jahres.«
- Kemmler Baustoffe
»Im letzten Jahr waren die Engpässe teilweise wirklich dramatisch«, berichtet Oliver Buchwald, Geschäftsführer Einkauf bei Kemmler Baustoffe mit Hauptsitz in Tübingen. Besonders knapp seien beispielsweise Dämmstoffe wie Styropor gewesen. Das resultierte aus verschiedenen zusammentreffenden Ereignissen. Unter anderem der Jahrhundertwinter in Texas, der die dortigen, weltweit größten Produktionen lahmgelegt habe. Aber auch Holz sowie Glas- und Mineralwolle war oftmals sehr knapp. »Teilweise mussten sogar ganze Bauprojekte verschoben werden, weil keine Materialien verfügbar waren«, erzählt Buchwald.
Aktuell habe sich die Knappheit wieder etwas abgeschwächt. Doch das liege primär daran, dass im Winter die Nachfrage im Baugeschäft zurückgehe. Angebot und Nachfrage hätten sich derzeit wieder eingependelt.
»Viele Hersteller haben über die vergangenen Monate eines gelernt: Im Engpass kann man jeden Preis durchdrücken.« Kunden können nicht mehr unbegrenzt kaufen, weil die Produzenten festgelegte Kontingente verteilen. So ist die Nachfrage riesig, das Angebot jedoch begrenzt. Hohe Preise sind die Folge. »Wir müssen mit weiteren Preiserhöhungen rechnen. Das Ende der Spirale ist noch nicht erreicht«, prognostiziert Buchwald.
- Reiff Technische Produkte
»Wir haben bereits frühzeitig damit angefangen, sehr stark nachgefragte Produkte einzukaufen, um die Stabilität zu wahren«, sagt Michael Sujan, Leiter Supply Chain Management. Viele Rohstoff produzierende Unternehmen konnten den überraschend schnellen Anstieg der Nachfrage nicht stemmen. Das führte dazu, dass selbst »absolute Grundelemente«, nicht mehr verfügbar waren, so Sujan. Im Schnitt hätten sich die Lieferzeiten um den Faktor zwei oder drei nach oben bewegt. »Ich muss eigentlich heute schon wissen, was ich im nächsten Jahr Februar brauche«, berichtet Sujan.
Was damit einhergeht, ist eine enorme Preissteigerung. »Die reinen Rohstoffpreise haben sich in den vergangenen Monaten um durchschnittlich 20 bis 100 Prozent verteuert.« Kunststoff sei der Rohstoff mit der höchsten Preissteigerung. »Für uns ist das eine schwere Situation, weil wir nicht so verlässlich sein können, wie wir gerne wären und wie es unsere Kunden von uns gewohnt sind«, betont er.
- Wafios
»Die Situation auf dem Beschaffungsmarkt ist nach wie vor kritisch. Wir rechnen damit, dass die Lieferzeiten für Elektroteile im ersten Halbjahr weiter ansteigen. Mit einer Entspannung ist unserer Einschätzung nach frühestens im vierten Quartal 2022 zu rechnen«, sagt Martin Holder, Vorstand für Produktion, Einkauf, und Logistik beim Reutlinger Maschinenbauunternehmen Wafios.
Nach wie vor würden vor allem der Transport und die Logistik große Probleme verursachen. »Die Kapazitäten bei Lkw-Transporten, Containern und Transportschiffen sind extrem knapp, dadurch steigen die Transportkosten stark an«, berichtet Holder. Erschwerend komme hinzu, dass sich auch die Zollformalitäten immer mehr in die Länge ziehen würden. In Hamburg beispielsweise, so der Wafios-Vorstand, dauerten diese aktuell zwei Wochen länger als noch vor Corona.
- Hasenauer + Koch
Zwar sind sie nicht direkt von Rohstoffknappheit betroffen und dennoch spielen sie in dieser Thematik eine große Rolle: Transport- und Frachtunternehmen. Viele Unternehmer (siehe oben) berichten davon, dass auch die Transport- und Frachtkosten im Zug der Rohstoffknappheit stark angestiegen sind. Warum eigentlich? »Einerseits liegt es am stark gestiegenen Preis für Dieselkraftstoff. Andererseits gibt es europaweit eine Fahrerknappheit«, berichtet Alexander Benz, Geschäftsführer des Reutlinger Transportunternehmen Hasenauer + Koch.
Er stellt zugleich eine Rechnung auf, die verdeutlicht, weshalb viele Unternehmer die gestiegenen Kosten zu spüren bekommen: »Durch die Rohstoffknappheit gibt es weniger Güter, die befördert werden müssen. Zugleich werden die Transportkosten aber nicht weniger. Das heißt: Je weniger Güter auf einer zugewiesenen Fahrt befördert werden, desto teurer werden schlussendlich die Stückkosten.« (GEA)