REUTLINGEN. »ChatGPT« und andere KI-Tools sind längst im Alltag von Jugendlichen angekommen. Aber wie können sie sinnvoll umgehen mit dieser sprachlichen Variante der künstlichen Intelligenz? Nicht nur die Schule, auch die öffentlichen Bibliotheken müssen sich den damit verbundenen Herausforderungen stellen. Die »Freunde der Stadtbibliothek Reutlingen« haben deshalb ein Projekt initiiert, in dem Jugendliche sprachliche und literarische Erfahrungen mit einem Chatbot wie »ChatGPT« machen können. Diese Erfahrungen sollen sie dann untereinander austauschen, um sich ein eigenständiges und kritisch reflektiertes Urteil über die Problematik der künstlichen sprachlichen Intelligenz zu bilden.
Dafür eignen sich vor allem Schreibwerkstätten, wie sie in den Bibliotheken gut etabliert sind. Mit einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern der Eduard-Spranger-Gemeinschaftsschule und ihrer Deutschlehrerin Katharina Schreiber haben inzwischen drei solcher Werkstätten stattgefunden. Für die Leitung wurde Ulrike Wörner gewonnen, die dafür fachlich wie pädagogisch bestens qualifiziert ist. Seit 2001 arbeitet sie als Dozentin für literarisches Schreiben im Literaturhaus Stuttgart. Ihre Einschätzung zur künstlichen Intelligenz: »Die oft geäußerte Sorge, die KI würde das eigene Schreiben zerstören, kann ich nicht ganz teilen, jedenfalls nicht, wenn man sie richtig anwendet. In der Schreibwerkstatt erleben die Jugendlichen, dass selbst zu schreiben sehr viel Spaß macht und die KI dabei ein guter Schreib-Buddy sein kann, der neugierige Fragen stellt oder bei der Ideenfindung hilft. Sprich: Die KI soll dem Schreiben und der Kreativität einen Schubs geben, sie aber nicht ersetzen.«
Dr. Daniela Matz von der Universität Tübingen hat die wissenschaftliche Begleitung des Projekts übernommen. Sie erhofft sich bei der Auswertung dieser außerschulischen Aktivitäten auch Anregungen für literarische Schreibprozesse im Deutschunterricht. Für sie macht KI das verlockende Angebot, Arbeitsprozesse ganz oder teilweise auszulagern. »Lernen kann jedoch nur gelingen, wenn man das zu Lernende selber macht. Damit dies gelingt, braucht es jedoch passende Schreibaufgaben und eine unterstützende Anleitung. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Lernende solche Prozesse der Selbststeuerung von sich aus leisten. Gerade Schülerinnen und Schülern mit Schwierigkeiten beim Lesen sind angesichts der umfangreichen KI-Antworten auch sehr schnell überfordert.«
Die ersten Erfahrungen sind durchweg positiv. Die Jugendlichen waren mit Eifer und Lust bei der Sache und freuen sich auf die Fortsetzung nach den Sommerferien. Professor Dr. Bernhard Rank vom Vorstand der »Freunde der Stadtbibliothek« ist zuständig für die Leitung und Koordination des Projekts. Er profitiert von der Unterstützung der Stadtbibliothek und ihrer IT-Abteilung. Mit der Leitung der Eduard-Spranger-Schule ergab sich von Anfang an eine problemlose Zusammenarbeit. Die Freunde der Stadtbibliothek weisen darauf hin, dass das Bildungsprojekt nur mit Unterstützung der Lechler Stiftung und ihres Vorstands Heinz Gerstlauer durchgeführt werden kann. (eg)