REUTLINGEN/BAD URACH. »Die Wahrscheinlichkeit, dass es uns trifft, ist extrem gering«, betont der Lungenspezialist Prof. Dr. med. Adrian Gillissen an der Ermstalklinik. Mit »uns« meint er die Region, und mit »es« ein bislang noch schwer einzuschätzendes Virus. Die Faktenlage sei überschaubar.
»Die Coronaviren sind eine Riesenfamilie und eigentlich nicht krankmachend. Nur wenn sie mutieren, sprich sich verändern, kann es zu Erkrankungen kommen. SARS war auch ein mutiertes Coronavirus«, sagt Gillissen. »Da es sich um Viren, und keine Bakterien handelt, gibt es keine zielgerichtete Therapie. Es gibt keine Behandlung, die das Virus abtötet. Man kann nur die Symptome therapieren. Mit dem Virus muss das Immunsystem klarkommen«, erklärt der Spezialist weiter. Nicht veränderte Coronaviren führten im allgemeinen nur zu leichten Grippensymptomen. Veränderte Viren seien dagegen ein Risiko. Angesichts dessen, was gerade in China passiert, fragen sich viele wie hoch es ist.
»In China leben sehr viele Menschen auf engen Raum. Die Chance einer Weiterverbreitung ist dadurch aus Virussicht ideal. Man muss davon ausgehen, dass eine Mensch-zu-Mensch Übertragung möglich ist«, so der Bad Uracher Mediziner. In unserer vernetzten und verbundenen Welt sei der erste Fall in Europa und Deutschland nur eine Frage der Zeit. Jedoch sei noch unbekannt, wie gefährlich das Virus wirklich ist. »Bei SARS sind rund zehn Prozent der Infizierten verstorben«, erinnert sich Gillissen. Die Aggressivität des der neuen Lungenkrankheit lasse sich noch nicht einschätzen. In jedem Fall seien die Reutlinger Kreiskliniken vorbereitet.
»Wir werden bei Patienten aus dem asiatischen Raum mit entsprechenden Symptomen auch auf das Coronavirus testen. Wir wissen es, und passen auf«, betont Gillissen. Für die Menschen in der Region sei es wichtig, bei den veröffentlichten Zahlen von Erkrankten immer die Beziehung zur Bevölkerungszahl zu bedenken. In einem Land wie China lesen sich hunderte bestätigte Infektionen nämlich ganz anders, wenn sie in Millionenstädten gemeldet werden.
Auch Dr. Christiane Schlegel, die den Geschäftsteil Gesundheitsschutz im Reutlinger Kreisgesundheitsamt leitet, betrachtet die aktuelle Lage in Deutschland wie das Robert Koch Institut: »Sehr geringes Risiko für die Bevölkerung«. Es sei wichtig darauf hinzuweisen, dass bei der neuen Lungenkrankheit noch einiges unbekannt sei, etwa die Infektionsquelle. Ebenso müsse bei den schweren Krankheitsverläufen in Betracht gezogen werden, »dass die meisten Verstorbenen gesundheitliche Probleme wie Bluthochdruck, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten. Diese Vorerkrankungen haben ihr Immunsystem geschwächt«. Demgegenüber zeigten sich bislang »in den meisten Fällen mildere Symptome«. (GEA)