METZINGEN. Mit dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft durch den Einmarsch der Alliierten, zunächst der Amerikaner und dann der Franzosen, ergab sich im Rahmen der Entnazifizierung die Notwendigkeit der Entfernung der nationalsozialistischen Straßennamen. Bürgermeister Otto Dipper, der seit 1938 im Amt war und auch über das Kriegsende 1945 im Amt blieb, erkannte dies sogleich und legte eine Liste der Straßenbenennungen seit 1933 an, die die neuen Namen und angedachte Varianten enthielt. So sollte die Dietrich-Eckart-Straße zunächst in Stettertstraße, die Herbert-Norkus-Straße in Roßfeldstraße und die Ernst-von-Rath-Straße in Glemser Straße umbenannt werden.
»In der Stadt befinden sich Straßennamen, die an die Hitlerzeit erinnern und ab sofort geändert werden«
Die Hindenburgstraße und die Damaschkestraße wurden in der Liste beibehalten. Bei den neuen Straßennamen fällt auf, dass es sich entweder um Rückbenennungen oder um Namen mit Bezug zur Natur oder zur örtlichen Umgebung handelt. Am 5. Juli 1945, keine zwei Monate nach der Besetzung, verfügte Bürgermeister Dipper in eigener Zuständigkeit, denn einen Gemeinderat gab es damals nicht mehr, die Umbenennung von Straßen. »In der hiesigen Stadt befinden sich folgende Straßennamen, die an die Hitlerzeit erinnern und daher ab sofort geändert werden.«
Der Adolf-Hitler-Platz wurde in Lindenplatz, die Ernst-Neuhaus-Straße in Kanalstraße und die Bürgermeister-Neuhaus-Siedlung in Haugenrainsiedlung rückbenannt. Neue Bezeichnungen erhielten folgende Straßen: Aus der Dietrich-Eckart-Straße wurde die Buchstraße, aus der Gustloff-Straße die Wiesenstraße, aus der Herbert-Norkus-Straße die Achalmstraße, aus der Ernst-von-Rath-Straße die Talstraße, aus der Gustav-Ruhland-Straße die Maybachstraße, aus der Hans-Schemm-Straße die Grasbergstraße, aus der Albert-Leo-Schlageter-Straße die Grundstraße, aus der Ernst-Weinstein-Straße die Forststraße und aus der Horst-Wessel-Straße die Haugenrainstraße. Bei den Umbenennungen fällt auf, dass auch die Gustav-Ruhland-Straße umbenannt wurde, obgleich der Nationalökonom bereits 1914 verstorben war und dementsprechend mit dem Nationalsozialismus nicht in Verbindung gebracht werden kann. Hier ist vielmehr davon auszugehen, dass damals offenbar nicht mehr klar war, um wen es sich bei dieser Person handelte. Mit dem Einmarsch der Alliierten wurden nicht nur die Straßennamen geändert, sondern auch die zwölf Jahre alte Adolf-Hitler-Eiche im Hof der Sieben-Keltern-Schule umgesägt. Das Schulgebäude selbst behielt jedoch seine Bezeichnung als Hindenburgschule, die sich in den 1960er-Jahren auch auf die dort ansässige Grund- und Hauptschule übertrug. Erst 1996 wurde die Hindenburgschule in Sieben-Keltern-Schule umbenannt.
Im April 1947 wandte sich Kommandant Chery von der französischen Militärregierung in Reutlingen an Bürgermeister Gottlob Prechtl und bat ihn, »mir so schnell als möglich ein vollständiges Verzeichnis der Straßen und Plätze Ihrer Stadt vom heutigen Stand einzusenden«. Drei Wochen später wurde dem Kommandanten das angeforderte Straßenverzeichnis vorgelegt. Der Hintergrund dieser Maßnahme ist naheliegend. Die französische Militärregierung wollte überprüfen, ob in Metzingen noch nationalsozialistische Straßennamen vorhanden waren. Doch Bürgermeister Otto Dipper hatte damit bereits im Juli 1945 aufgeräumt. Dementsprechend enthielt die Liste mit 97 Straßennamen keine nationalsozialistischen Straßennamen mehr. (eg)
METZINGER STRASSENNAMEN
In der Entstehung der Straßennamen in Metzingen spiegeln sich zugleich historische Entwicklungen in unserem Land und in unserer Stadt in den letzten beiden Jahrhunderten wider. Dies wurde zuletzt bei der Diskussion um die Hindenburgstraße deutlich. Die Geschichte der Metzinger Straßennamen war ein bislang unbearbeitetes Thema. Dementsprechend gibt Stadtarchivar Rolf Bidlingmaier in einer kleinen Artikel- Serie einen Überblick über die Entstehung und Bedeutung der Metzinger Straßennamen. (GEA)