TÜBINGEN. Fridays for Future, der Jugendgemeinderat und weitere Gruppen forderten vor Kurzem »Tübinger Tunnelstopp – Verkehrswende jetzt.« Die Planungen für einen Tunnel der B 27 durch den Schindhau sind nach ihrer Einschätzung nicht nur verzichtbar, sondern kontraproduktiv.
Die Industrie- und Handelskammer und der Regionalverband haben in einer Stellungnahme am Montag hingegen bekräftigt, dass sie den vierspurigen Ausbau der Strecke für unverzichtbar halten. Es handle sich um die »zentrale Verkehrsachse für die Region Neckar-Alb«. Diese müsse so rasch wie möglich ausgebaut werden. Der Tunnel soll täglich 36.500 Fahrzeuge aufnehmen.
Täglich 35.000 Fahrzeuge
Eugen Höschele als Vorsitzender des Regionalverbands betont: "Ich wundere mich über die aktuellen Diskussionen rund um den Schindhaubasistunnel. Sein Bau wirkt nicht nur lokal. Vielmehr wirkt sich dieser auf die gesamte Region und darüber hinaus aus. Wir müssen darauf hinarbeiten, dass hier kein Kirchturmdenken Einzug hält, sondern, dass wir das große Ganze im Blick behalten. Aus unserer Sicht darf es daher keine Verzögerungen oder weitere Beeinträchtigungen bei den Planungen mehr geben.
Das Regierungspräsidium hat den Beginn des Planfeststellungsverfahrens noch 2024 angekündigt. Seit fast drei Jahrzehnten drängen Betriebe, Pendler und Bewohner der Tübinger Südstadt auf den Bau des Tunnels. Gemeinderäte und Kreisräte haben einstimmige Beschlüsse gefasst. Ausnahmslos alle Abgeordneten aus dem Wahlkreis – unabhängig von der Parteizugehörigkeit – haben sich für den Tunnel starkgemacht.
Fast täglich lange Staus
Und auch Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sah bisher keine Alternative. »Die Region steht hinter der Trasse«, stellte Regierungspräsident Klaus Tappeser im vorigen Jahr fest (wir berichteten).
In ihrer jetzigen Stellungnahme bekräftigen IHK und Regionalverband: Die Region sei fast ausschließlich über Bundesstraßen in das Fernstraßennetz angebunden. Dabei spiele die B 27 als Verbindung von Stuttgart bis zum Bodensee und in die Schweiz eine zentrale Rolle. »Seit Jahrzehnten wird an dem Ausbau dieser zentralen Verkehrsachse geplant und gebaut.« In ihrem derzeitigen Zustand sei die B 27 genau in den Bereichen überlastet, die aktuell in der Planung sind: »In Tübingen, im Abschnitt Nehren-Bodelshausen und in Schömberg stehen Menschen und Güter fast täglich im Stau, das Verkehrsaufkommen belastet die Anwohnerinnen und Anwohner.« Die Aufnahme der Strecke in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans zeigt nach Auffassung der Befürworter, dass die Argumente für den Ausbau der Strecke auch in Berlin gewürdigt werden. »Der jahrelange Einsatz der Region für die B 27 hat sich gelohnt.«
Erreichbarkeit bleibt zentraler Standortfaktor
Die Region brauche sowohl den Ausbau der Schiene wie auch der Straße, stellen Höschele und IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Epp. Beide zitieren ein Gutachten des Instituts für Verkehrswissenschaft der Uni Köln. Demnach bringt jeder Euro, der in den regionalen Ausbau der Bundesfernstraßen investiert wird, einen volkswirtschaftlichen Nutzen von 3,40 Euro. Dabei seien alle Faktoren von Einsparungen bei Schadstoffen und CO2-Emissionen bis hin zur Unfallvermeidung und Zeitersparnis sowie Investitions- und Betriebskosten berücksichtigt. Erreichbarkeit mit Auto und Bahn bleibe ein zentraler Standortfaktor. (GEA)