MÖSSINGEN. Nach elf Jahren ist Schluss: Pfarrer, Notfallseelsorger und Feuerwehrmann Andreas Kopp verlässt mit seiner Familie Belsen in Richtung Remstal (Beutelsbach). Die Stellenausschreibung sei reizvoll gewesen und »die beiden Kinder sind mit neun Jahren auch noch in dem Alter, in dem ein Ortswechsel vertretbar ist. Später hätte ich das nicht gemacht«, so der 51-Jährige. Am Samstag fand der Abschiedsgottesdienst in der vollbesetzten Belsener Kirche statt.
»Das sind keine Tränen, ich schwitze nur«, sagte Kopp zu Beginn seiner Begrüßungsrede. Doch im weiteren Verlauf gewann immer mehr die emotionale Überwältigung die Oberhand, die Stimme brach, die Tränen flossen doch – man sah, dass ihm der Abschied sehr schwerfällt.
Großes Netzwerk der Hilfskräfte
Mit »viel Wehmut« habe er am Tag davor den Schlüssel zum Feuerwehrmagazin abgegeben und einem anwesenden Kamerad gestanden, dass ihm das große, in elf Jahren stetig gewachsene, Netzwerk der Einsatzkräfte bei Polizei, DRK und THW sicher fehlen werde. »Als Antwort wurde mir gesagt, dass das Netzwerk weiter besteht und ich jederzeit Unterstützung finde – das tut mir total gut, so etwas zu hören.« Projekte, die unter seiner Obhut ins Leben gerufen wurden, sind zum Beispiel die Vesperkirche, die Aktion »Wunschbaum«, das Netzwerk Nachbarschaftshilfe, die Kirche Kunterbunt und die Vortragsreihe 11 nach 11.
Im Abschiedsgottesdienst blickte Kopp nochmals auf seinen Beginn in Belsen zurück. Bei seiner ersten Predigt stolperte er beim Abgang von der Kanzel und fiel in die Sitzreihen des Kirchengemeinderats. »Es ist schön zu sehen, dass hier Menschen sind, die mich nicht alleine lassen, die mich unterstützen und wenn es sein muss auch auffangen«, sagte Kopp damals im GEA-Gespräch.
Auffangen, das war auch seine Aufgabe als Notfallseelsorger, wenn Einsatzkräfte Hilfe benötigten. »Die Retter sollen ja einsatzfähig bleiben. Es ist gut, dass wir ein Nachsorgeteam für die Einsatzkräfte aufgebaut haben. Da können wir viel abfangen«, so der 51-Jährige. Die kirchliche Komponente stehe dabei hinten an – es gelte das Erlebte bei Betroffenen zu verarbeiten. Im Regelfall war dies in Kopps Bereich überwiegend tödliche Verkehrsunfälle und Suizide. Belastend seien zudem Erlebnisse während des Einsatzes. »Man wird beleidigt und blöd angemacht, verbal und teilweise auch körperlich«, so Kopps Praxiserlebnisse. »Auf dem Land, wo fast jeder jeden kennt weniger, aber es gibt diese Erfahrungen überall.«
Eine besondere Rolle spiele dabei die Offenheit, ein Grundverständnis für die Krisen der Menschen und eine angemessene Kommunikation mit den Betroffenen. »Ich freue mich sehr, dass der Dußlinger Pfarrer Jochen Wolber sich bereit erklärt hat, die seelsorgerische Tätigkeit zu übernehmen. Es ist sehr viel gewachsen in den letzten Jahren, es ist gut zu wissen, dass alles stabil läuft«, stellte der scheidende Kirchenmann fest.
Als Abschiedsgeschenk bekam er eine kleine Nachbildung des von Andreas Felger gestalteten Kreuzes der Belsener Kapelle als »Erinnerung an einen Kraftort«. (ulsch)