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Gibt es zu viele Straßenschilder in Reutlingen und der Region?

Ist der Schilderwald im Kreis Reutlingen zu dicht? Sehen die Menschen hier die Gefahren vor lauter Schildern nicht? Ein GEA-Leser aus Pfullingen wandte sich an den GEA: Zu viele Schilder seien verwirrend. Wären weniger nicht besser?

Gibt es in Stadt und Landkreis Reutlingen zu viele Verkehrsschilder?
Gibt es in Stadt und Landkreis Reutlingen zu viele Verkehrsschilder? Foto: Uwe Anspach/dpa
Gibt es in Stadt und Landkreis Reutlingen zu viele Verkehrsschilder?
Foto: Uwe Anspach/dpa

KREIS REUTLINGEN. Verkehrsschilder mit ihrer für alle möglichst verständlichen Aussage und einfachen Bildsprache sollen helfen, den Verkehrsfluss zu leiten, das Parken zu regeln oder vor Gefahren zu warnen. Sie gelten für alle Verkehrsteilnehmer, also auch für Radfahrer und Fußgänger. Doch so mancher und so manche fühlt sich durch eine zu große Anzahl solcher Straßenschilder bisweilen überfordert. So auch ein GEA-Leser in Pfullingen, der findet, in seiner Straße gebe es zu viele Tempo-30-Schilder. Das sei verwirrend.

Der GEA hat bei Behörden in Reutlingen nachgefragt, die für die Aufstellung von Verkehrsschildern zuständig sind. Das sind die Kommunen im Kreis und das Landratsamt. Letzteres ist mit seinem Kreis-Straßenbauamt nach eigenen Angaben für mehr als 700 Kilometer Straße im knapp 1.100 Quadratkilometer großen Landkreis Reutlingen verantwortlich und allen dazugehörigen Schildern. Für Gemeindestraßen und kleinere Wege tragen in der Regel die jeweiligen Kommunen die Verantwortung. Weiter heißt es aus dem Landratsamt, dass niemand die Anzahl der Verkehrszeichen gezählt hat, noch ob diese zu- oder abgenommen habe.

Denn, so eine Sprecherin des Landratsamtes, es würden ständig Verkehrsschilder montiert und an anderer Stelle auch wieder welche abgebaut. Verkehrszeichen gebe es beispielsweise dann, wenn neue Lärm- oder Umweltzonen eingerichtet würden oder wenn neue Rad- oder Gehwege hinzukämen. Ein Verkehrsschild koste inklusive Material, Fundament sowie Lohn- und Gerätekosten zwischen 250 und 400 Euro. Bei komplexen Wegweisern könne auch ein fünfstelliger Betrag fällig werden.

In den letzten fünf Jahren hat der Landkreis Reutlingen jährlich rund 80.000 Euro für Verkehrszeichen ausgegeben. Den Personal- und Geräteaufwand gibt die Behörde mit 125.000 Euro an. Eine Wiederverwertung alter, aber eventuell noch brauchbarer Schilder gibt es nicht. Sie bleiben, bis sie ausgedient haben, am Standort und werden danach »als Schrott der Verwertung zugeführt«, wie es aus dem Amt heißt. Die Pressestelle des Landratsamtes fügt hinzu, dass die Beschilderung laufend und kritisch überprüft wird. Die Behörde ist offenbar bedacht, den Schilderwald kleinzuhalten.

Erlass der Landesregierung für weniger Schilder

Einen wuchernden Schilderwald will auch der Leiter des Ordnungsamtes der Stadt Reutlingen, Albert Keppler, nicht. Er verweist im Gespräch mit dem GEA auf einen entsprechenden Erlass der Landesregierung, der Städte, Gemeinden und Landkreise zur Mäßigung beim Aufstellen immer neuer Schilder aufruft. »Das sogenannte Strategiepapier 'weniger Verkehrsschilder' gibt den Kommunen entsprechende Vorgaben«, so Keppler.

In der Karlstraße hatte die Stadt Metzingen 17 Schilder auf nur 175 Metern aufstellen lassen und damit Kopfschütteln ausgelöst.
In der Karlstraße hatte die Stadt Metzingen 17 Schilder auf nur 175 Metern aufstellen lassen und damit Kopfschütteln ausgelöst. Mittlerweile ist der Schilderwald dort wieder etwas lichter. Foto: Markus Pfisterer
In der Karlstraße hatte die Stadt Metzingen 17 Schilder auf nur 175 Metern aufstellen lassen und damit Kopfschütteln ausgelöst. Mittlerweile ist der Schilderwald dort wieder etwas lichter.
Foto: Markus Pfisterer

Diese Vorgaben - das wird im Gespräch deutlich - findet er allerdings zu schwammig: »Das steht zum Beispiel drin, dass alle alten, außer Kraft getretenen und aus der Straßenverkehrsordnung gestrichenen Schilder, entfernt werden müssen. Das geschieht längst.« Alle anderen Schilder seien zu prüfen. »Auch das lässt viel Interpretation zu, was tatsächlich zu tun ist.« Außerdem verweise die Landesregierung in ihrem Papier auf einen Paragrafen der Straßenverkehrsordnung, der besagt, dass Verkehrszeichen und -einrichtungen nur dort angeordnet werden dürfen, wo es wegen »der Verkehrssicherheit, des Schutzes der Wohnbevölkerung, der Natur oder der Erhaltung öffentlicher Ordnung zwingend erforderlich ist.« Auch das sei für jede zuständige Behörde Auslegungssache.

Manche Menschen wollen mehr Schilder

Der Reutlinger Ordnungsamts-Chef wird dagegen eindeutig: »Ich finde, wir haben auf den Straßen zu viele Regelungen.« Doch vor allem zwei Faktoren führten dazu, dass gefühlt immer mehr Schilder auf den Straßen hinzukämen: »Mit dem Verkehrsaufkommen wächst für die Behörden die Notwendigkeit, alles regeln zu müssen.« Hinzu käme, das Sicherheitsdenken vieler Beamter. »Die wollen rechtlich alles wasserdicht machen.« Keppler führt als Beispiel die Tempo-Blitzer an: »Wenn da nicht in unmittelbarer Nähe ein Schild mit eindeutig erkennbaren Tempolimit steht, suchen Anwälte von Geblitzten nicht selten eine rechtliche Lücke, um gegen das Blitzerfoto vorzugehen.« So bestehe bei Kommunen oftmals die Tendenz, lieber ein zusätzliches Schild aufzustellen.

Eine weitere Quelle, die dem wuchernden Schilderwald Nahrung gebe, seien die, die in ihrem Umfeld zusätzliche Schilder fordern. »Die Menschen bei uns haben vielfach den Glauben an die Wirksamkeit von Schildern und wollen auch dort eins sehen, wo eigentlich keins hingehört«, so der Ordnungsamtsleiter. Als Beispiel nennt er Engstellen, Einmündungen und Einfahrten. »Da müssen keine Schilder hin, dass dort nicht geparkt werden darf. Doch viele wollen dieses 'Extra-Schild' vor ihrer Einfahrt«, berichtet er.

Trotz all dieser Umstände versuche die Stadt Reutlingen den Schilderwald kleinzuhalten. Als Beispiel führt er das Gebiet um das Kreisklinikum, den Lindachknoten bis zur Pomologie an: »Hier haben wir sowohl Tempo-Zonen als auch Park-Zonen eingerichtet.« Das bedeute, es gibt pro Straße nur ein Schild, beispielsweise Tempo-30-Zone, am Anfang und ein Schild, Ende Tempo-30-Zone, am Ende der Straße. »Dasselbe Prinzip gilt für Halteverbotszonen. Zwei Schilder stehen dann in der jeweiligen Straße, statt ein halbes Dutzend«, so der Ordnungsamts-Chef. Das sei aber gesetzlich nur erlaubt bei Straßen, die keinen Mittelstreifen und keine Ampeln haben und die keine Vorfahrtsstraßen sind.

Verbesserungsvorschläge per E-Mail einreichen

Sowohl das Landratsamt als auch die Stadt Reutlingen fordern die Menschen auf, sich zu melden, wenn es in ihrer Straße oder ihrem Gebiet zu viele Verkehrsschilder gibt, oder Schilder zu Verwirrung führen, oder es Verbesserungsvorschläge gibt. Dafür gibt es beim Landratsamt die E-Mail-Adresse: verkehrsbehoerde@kreis-reutlingen. Die Stadt gibt für Zuschriften diese E-Mail-Adresse an: ordnungsamt.verkehrsabteilung@reutlingen.de.

»Manchmal blicke ich auf ein altes Foto vom Reutlinger Ledergraben aus dem Jahr 1902«, sagt Ordnungsamtsleiter Alber Keppler und wird dann ein wenig sentimental: »Darauf sieht man kein einziges Straßenschild.« 1902 waren die Straßen von Reutlingen vor allem geprägt von Fußgängern, Pferdefuhrwerken und Kutschen. Kaum jemand hatte ein Auto. Selbst das letzte württembergische Königspaar Wilhelm und Charlotte legte sich erst 1908 ein Auto zu: Einen Daimler mit Chauffeur, standesgemäß für ein Königspaar. (GEA)

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