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Mann mit Pistole gemeldet: Polizei-Einsatz im Reutlinger Rathaus beendet

Im Reutlinger Rathaus ist am Dienstagvormittag angeblich ein Mann mit einer Pistole gesehen worden. Die Polizei räumte daraufhin das Gebäude und durchsuchte alle Räume – fand aber keinen Verdächtigen.

Bewaffnete Polizisten auf dem Weg ins Reutlinger Rathaus, wo sie nach einer verdächtigen Person mit Pistole suchen.
Bewaffnete Polizisten auf dem Weg ins Reutlinger Rathaus, wo sie nach einer verdächtigen Person mit Pistole suchen. Foto: Frank Pieth
Bewaffnete Polizisten auf dem Weg ins Reutlinger Rathaus, wo sie nach einer verdächtigen Person mit Pistole suchen.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. Die Meldung einer Mitarbeiterin der Stadtverwaltung, dass im Reutlinger Rathaus ein Mann mit Pistole gesehen worden ist, hat am Dienstagmorgen zu einem Großeinsatz von Polizei und Rettungskräften geführt. Weiträumig wird das Gebäude der Stadtverwaltung abgesperrt. Hunderte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlassen ihren Arbeitsplatz und versammeln sich in der Stadthalle. Polizisten mit Stahlhelmen, Schutzwesten und Maschinenpistolen durchkämmen von der Tiefgarage bis ins oberste Stockwerk stundenlang jeden Rathauswinkel. Um 11.10 Uhr wird Entwarnung gegeben. Eine verdächtige Person konnte nicht gefunden werden, passiert ist zur Erleichterung aller nichts.

Polizisten und Passanten bleiben ruhig

Das Bemerkenswerte an dieser Situation ist die Gelassenheit aller direkt oder indirekt Beteiligter. Vor den rot-weißen Absperrbändern an der Ecke Kanzlei/Oberamteistraße stehen nach dem um 8.30 Uhr erfolgten Hinweis auf eine »verdächtige Wahrnehmung« viele Streifenwagen und eine Menge Polizisten. Die Beamten strahlen professionelle Ruhe aus. »Hier können Sie nicht durch«, heißt es immer wieder zu Passanten, die nur mal eben eine Brille abholen oder ein Buch kaufen wollen. Gleichzeitig legen drei Ordnungshüter ganz schwere Schutzkleidung an.

Ihre Köpfe verschwinden fast unter einem schwarzen Stahlhelm, ausladende Schulterpanzer und dicke Westen bedecken den Oberkörper. Das Trio macht sich mit Maschinenpistolen im Anschlag auf den Weg Richtung Rathaus. Die Finger gerade gestreckt am Abzug. Aber kaum einer, der an diesem sonnigen Dienstagmorgen unterwegs ist, und den Einsatz live mitbekommt, bleibt stehen. Schließlich ist außer den Absperrbändern und vielen Streifenwagen oder Transportern mit Blaulicht nichts zu sehen. Besser weitergehen.

Nachdem um 11.10 Uhr Entwarnung gegeben wurd, verlassen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung wieder die Stadthall
Nachdem um 11.10 Uhr Entwarnung gegeben wurd, verlassen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung wieder die Stadthalle, in der sie sich aufgehalten hatten. Foto: Frank Pieth
Nachdem um 11.10 Uhr Entwarnung gegeben wurd, verlassen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung wieder die Stadthalle, in der sie sich aufgehalten hatten.
Foto: Frank Pieth

Oberbürgermeister Thomas Keck bittet die Bürger via soziale Medien: »Bitte meiden Sie den Bereich!« Auch die Polizei ruft auf der Plattform X dazu auf, den Bereich um das Rathaus zu meiden. Im benachbarten Friedrich-List-Gymnasium werden die Schüler per App von der Schulleiterin informiert, dass, sie sich aber von den Polizei-Absperrungen fern halten sollten. Städtische Kindergärten herhalten von der Stadtverwaltung die Vorgabe, dass Kinder sicherheitshalber nur noch drinnen spielen sollten, berichtet ein Elternbeirat.

Gerüchte über Amoklauf in den sozialen Medien

»Was ist da eigentlich los?«, fragen sich einige Dutzend Menschen unten am Tübinger Tor. Vor der Stadthalle stehen mittlerweile Rettungswagen und weitere Fahrzeuge des Deutschen Roten Kreuzes. Über soziale Medien machen allerlei Gerüchte die Runde. Ist’s ein Amoklauf? Terror-Alarm? Nein, ist es nicht. Schnell stellt sich heraus, dass das Rathaus offenbar geordnet und wie vielfach geübt von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verlassen wird. Der dazu ausgelöste Feueralarm ist unüberhörbar. Im Eingangsbereich des Rathauses sind Polizisten mit und ohne Schutzausrüstung zu sehen. Die Minuten vergehen, ohne dass neue Erkenntnisse nach draußen dringen.

Einige bekannte Gesichter sind offensichtlich zum Schauplatz des Geschehens geeilt. Ordnungsamtsleiter Albert Keppler unterhält sich mit Finanzbürgermeister Roland Wintzen. Die Polizisten mit Maschinenpistolen laufen ums Gebäude, in die Tiefgarage, verschwinden in Seiteneingängen. Währenddessen herrscht auf dem Reutlinger Wochenmarkt allerbeste Laune. Keine Angst, sondern nur feines Gemüse kommt ins Körbchen. Die Außengastronomie macht nur teilweise direkt am Rathaus zu, ansonsten lässt sich der Polizeieinsatz auch bequem sitzend mit einem Milchkaffee beobachten. Später wird eine Polizeisprecherin sagen, dass sie nicht davon ausgeht, »dass jemand bewaffnet durch die Innenstadt läuft« und daher »für Bevölkerung und Passanten keine Gefahr bestanden« habe – so hat sich das auch angefühlt.

Oberbürgermeister Thomas Keck ist erleichtert

Um 11.10 Uhr sind laut Polizei »die Durchsuchungsmaßnahmen abgeschlossen«. Ergebnislos, denn ein verdächtiger Mann mit Pistole wurde nicht gefunden. Die Polizisten räumen die Absperrbänder weg, die Rathaus-Mitarbeiter kehren zu ihren Arbeitsplätzen zurück. Vor der Stadthalle steht ein erleichterter OB Keck, der von einem Diensttermin in Leinfelden-Echterdingen so schnell wie möglich nach Reutlingen geeilt ist. »Eine reale Bedrohung, also eine Begegnung mit der Person, ist nicht erfolgt«, sagt er. Dann bedankt er sich für »die Besonnenheit der Leute« und bei den Einsatzkräften. »Sollten Sie einen Termin im Rathaus haben, kann es zu Störungen kommen«, schreibt Keck an die Bürger gerichtet auf Instagram. »Sollten Sie dringende Anliegen haben, die sich nicht verschieben lassen, wenden Sie sich bitte telefonisch an die Kolleginnen und Kollegen im Rathaus.«

»Wir sind froh, dass nix passiert ist«, meint ein nachdenklicher Keck. Denn der OB beobachtet »schon lange den Verfall der politischen Kultur und die Gewaltbereitschaft«. Wobei, wie er ergänzt, »wir nicht wissen, ob das heute eine politische Kiste war«. Die Nachbereitung des Großeinsatzes wird die Stadtverwaltung noch beschäftigen. Reutlingens Landrat Ulrich Fiedler hat »die Lage natürlich verfolgt« und steht in Kontakt mit Polizei und Stadt, wird er in einem Statement zitiert. »Die Verbindungen zwischen Stadt- und Kreisverwaltung sind eng und unsere Gedanken sind bei den Mitarbeitenden der Stadt Reutlingen. Wir hoffen, dass sie diesen Tag und diese Erfahrung möglichst schnell und gut verarbeiten können.«

Für die Pressestelle des Polizeipräsidiums Reutlingen ist der Aufsehen erregende Großeinsatz nur eine kurze Meldung wert. Zehn Zeilen, ganz nüchtern und trocken – aber mit einem Happy End: »Nach derzeitigem Kenntnisstand wurden keine Personen verletzt.« (GEA)