Während das Tübinger Biotech-Unternehmen Curevac an der Corona-Impfstoff-Entwicklung scheiterte und mit Verlusten kämpft, wurde Biontech in der Krise zum Star. Biontech fuhr riesigen Gewinn ein und rettete mit seinen Steuern eine ganze Stadt aus den Schulden.
Bei Curevac wird die Entwicklung eines eigenen verkaufsfähigen Medikaments nach Unternehensangaben Jahre dauern. Das bedeutet weitere Verluste, weil das Geld in die Forschung fließt. Mit dem milliardenschweren Mainzer Wettbewerber Biontech ist Curevac zudem mitten in mehreren Patentstreitigkeiten, bald stehen schwerwiegende Entscheidungen an. Der neue Chef Alexander Zehnder ist zuversichtlich.
»Patentstreitigkeiten in der Pharmabranche sind sehr normal. Das ist eine Industrie, die auf Innovation basiert und auf Innovation angewiesen ist. Wenn Produkte entwickelt sind, gibt das Patentrecht einen gewissen Schutzmechanismus. Da hat man eine Chance, die Kosten, wieder reinzubekommen«, sagt Zehnder. Curevac habe in mehr als 20 Jahren sehr viel geforscht und ein starkes Patent-Portfolio aufgebaut. »Und wir glauben, dass Erfolge, die insbesondere Biontech und Pfizer mit ihrem Medikament gemacht haben, auf unseren Erfindungen basieren und auf unseren Patenten beruhen.« Im Streit mit Biontech und Pfizer in Deutschland geht es laut Zehnder, der seit April Chef in Tübingen ist, um acht Patente. In den USA, wo ein ganz großer Teil des Covid-19-Vakzins Corminaty von Biontech produziert wurde, ginge es um zehn Patente.
»Der Dezember ist sehr wichtig für Curevac«
Zuletzt hatte das Landgericht Düsseldorf im Streit um Corona-Impfstoff-Patente vier laufende Verfahren ausgesetzt. Eine endgültige Entscheidung dazu wird am 28. Dezember erwartet. »Sollte diese Entscheidung zu unseren Gunsten ausgehen, könnten wir kompensiert werden für die Verkäufe, die in der Pandemie stattgefunden haben. Also nicht nur für das, was von jetzt an in der Zukunft an Einnahmen fließt. Der Dezember ist sehr wichtig für Curevac«, sagt Zehnder. Curevac hatte in Düsseldorf im Juli 2022 Klage gegen Biontech und Pfizer erhoben und »eine faire Entschädigung« für die Verletzung einer Reihe seiner geistigen Eigentumsrechte gefordert, die bei der Herstellung des Corona-Impfstoffs von Biontech und Pfizer verwendet worden seien. Eine konkrete Summe will Zehnder nicht nennen.
Das Bundespatentgericht in München wird bereits zuvor (19. Dezember) den Streit von Biontech und Curevac verhandeln. Kläger ist in diesem Fall Biontech. Das Mainzer Unternehmen will ein Patent von Curevac für nichtig erklären lassen. Biontech begrüßt, dass das Landgericht Düsseldorf die Verfahren über die »angeblichen Verletzungen der Patente und Gebrauchsmuster von Curevac«, ausgesetzt hat. »Dies ist ein wichtiges Signal, denn wir sind der Meinung, dass diese Patente und Gebrauchsmuster von Curevac nie hätten erteilt werden dürfen, weil sie die Voraussetzungen dafür nicht erfüllen. Daher haben wir separate Verfahren eingeleitet, um diese für ungültig erklären zu lassen.«
Außergerichtliche Einigung?
Laut einer Biontech-Sprecherin ist es nicht ungewöhnlich, dass andere Unternehmen der pharmazeutischen Industrie behaupten, dass ein erfolgreiches Medikament möglicherweise ihre geistigen Eigentumsrechte verletzen könnte. Patentangelegenheiten erforderten in der Regel die Einschaltung verschiedener Gerichtsinstanzen und oft mehrere Gerichtsverhandlungen, um alle patentrechtlichen Fragen zu klären. »Wir werden unsere Innovationen weiterhin entschieden gegen alle Vorwürfe der Patentverletzung verteidigen – auch in diesem Fall.«
Zehnder fügt hinzu, dass es in mehr als 90 Prozent solcher Patentstreit-Fälle eine außergerichtliche Einigung zwischen Firmen gibt. »Es ist eher selten, dass Firmen bis zum Schluss auf ein Urteil warten.« Biontech habe vom Verkauf von Corminaty nur in den drei Jahren von 2020 bis 2023 etwa 100 Milliarden US-Dollar eingenommen. »Selbst ein kleiner Anteil an 100 Milliarden ist schon eine sehr große Zahl. Ich will aber nicht spekulieren, wie groß sie sein könnte.« In einem Kalten Krieg mit Biontech befinde sich Curevac aber definitiv nicht.
Viele Verträge zu hohen Preisen abgeschlossen
Zu den Verlusten von Curevac sagt Zehnder: »Wir haben noch kein kommerzielles marktzugelassenes Produkt. Das erklärt den Großteil unserer Verluste.« Es gebe zwar einige Einkünfte, diese seien aber noch relativ bescheiden. »Im Jahr 2020 ging alles sehr, sehr schnell. Wir haben damals viele finanzielle Verpflichtungen abgeben müssen, auch für Zulieferer. Wir haben viele Verträge abgeschlossen, damals zu hohen Preisen, weil es so einen Hype gab. Diese Altlasten werden wir von 2024 an verdaut haben. Dann werden wir unser Geld noch mehr für die Forschung und Entwicklung unserer Kandidaten einsetzen können«, sagt Zehnder.
Im Pharmageschäft gingen »Wins und Losses« (Gewinne und Verluste) miteinander einher, sagt der Schweizer. »Das ist auch mit finanziellen Risiken verbunden. Vor allem für kleinere Firmen. Was sehr für Curevac spricht, ist, dass sich die Firma nach dem harten Schlag erholt hat. Sie hat geschaut, was sie ändern muss.« (dpa)