Logo
Aktuell Fussball

Deutsche Nationalmannschaft unter Zugzwang

Nach der 0:1-Auftaktniederlage der deutschen Fußball-Nationallmanschaft gegen Weltmeister Frankreich gibt sich  Bundestrainer Joachim Löw kämpferisch.

Bundestrainer Joachim Löw (links) gibt sich kämpferisch. Foto: Tim Groothuis/Witters
Bundestrainer Joachim Löw (links) gibt sich kämpferisch.
Foto: Tim Groothuis/Witters

MÜNCHEN. Man wünscht sich nach diesem Spiel gegen Frankreich eine schonungslose Analyse. Was der Bundestrainer gegen Mitternacht in München äußerte, hört sich noch nicht unbedingt danach an. Das muss aber noch nicht heißen, dass die Analyse intern nicht gelingt.

»Durch ein Eigentor zu verlieren, ist enttäuschend«, sagte Joachim Löw, versuchte aber, seiner Spielkritik einen kämpferischen Ansatz zu verpassen. Dass ausgerechnet Rückkehrer Mats Hummels dieser Fauxpas unterläuft, ist Pech. Abgehakt. »Es war ein extrem intensives, spannendes und sehr, sehr gutes Spiel von beiden Mannschaften, wir haben kämpferisch und läuferisch alles in die Waagschale geworfen«, führte Löw aus. Widerrede, Trainer. Zu einem »sehr, sehr guten Spiel« zählt auch die spielerische und die taktische Komponente, nicht nur die kämpferische und läuferische. Und da zeigte der amtierende Weltmeister ein anderes Potenzial und einen veritablen fußballerischen Vorsprung, der auch nicht in zwei Wochen intensivem Trainingslager in Seefeld und Herzogenaurach aufgeholt werden kann.

Als die deutsche Mannschaft in Marseille im Halbfinale 2016 gegen Frankreich verlor, war sie spielerisch noch weitgehend ebenbürtig. »Das Spiel hätten wir nicht zu verlieren brauchen«, merkte Toni Kroos zutreffend an. Nur ist es eben eine Tatsache, dass sich die französische Mannschaft seitdem in fünf Jahren in einer ganz anderen Weise weiterentwickelt hat als die deutsche. Das genau zeigte das Spiel in München. Die Mannschaft von Löw steckte nie auf, 90 Minuten Einsatz, deutsche Tugend, nie aufgeben, aber spielerisch? Eine Chance von Serge Gnabry im zweiten Durchgang, Frankreichs Torwart Hugo Lloris verbrachte einen geruhsamen Abend.

Was N’Golo Kanté und Paul Pogba im Mittelfeld leisteten, hatte auf deutscher  Seite keine Entsprechung. Und in der Offensive zeigte sich, dass sieben Tore gegen Lettland noch nicht bedeuten müssen, dass auch zumindest eines gegen den Weltmeister gelingt. »Wir haben kein Tor erzielt und die Durchschlagskraft vermissen lassen«, bekannte Löw in der Münchner Arena zutreffend. Daran änderten auch seine Einwechslungen nichts, auch das räumte der Bundestrainer in München freimütig ein: »Das war nicht erhofft, okay, es war aber auch nicht einfach, sich im letzten Drittel durchzusetzen.« Das wusste man aber vorher, die französische Abwehr ist von fast ebenso hoher Qualität wie die Offensive.

Löw lässt sich seinen Optimismus nicht nehmen, steht zu seiner Mannschaft. »Wir haben verloren und sind alle enttäuscht, aber es ist nichts passiert. Wir können alles noch geradebiegen«, sagte der Bundestrainer vor dem zweiten Spiel gegen Portugal am Samstag.

Hoffnung auf Rückkehr von Leon Goretzka

Für den weiteren Verlauf der Vorrunde rechnet Löw mit der Rückkehr von Leon Goretzka. Der Münchner hat seine Muskelverletzung auskuriert. »Er hat gesagt, dass er das Gefühl habe, dass er noch zwei, drei Trainings braucht, um der Mannschaft helfen zu können, er wird gegen Portugal eine Option sein im Laufe des Spieles.« Goretzka ist ein Spieler, der den Ball nicht nur passen, sondern auch mit dem Ball offensiv gehen kann und damit für mehr Aggressivität sorgt als das Toni Kroos und Ilkay Gündogan gegen den Weltmeister gelang. Die Überlegenheit des weltmeisterlichen Mittelfeldes mit N’Gogo Kanté und Paul Pogba war  erdrückend – und am Ende mit spielentscheidend, beide mit ständigem Zugriff auf das Spiel, ergänzt durch die zusätzliche Passkomponente von Antoine Griezmann, da hatte Löw mit seiner Formation relativ wenig entgegen zu setzen, auch weil Toni Kroos sowohl im Passspiel als auch mit seinen Freistößen unter dem Erwartungshorizont blieb.

Auch  Ilkay Gündogan und Robin Gosens mahnten mehr Offensive an. »Nach vorne war es zu wenig«, sagte Gündogan, »wir müssen mehr Chancen kreieren, weil wir es können und eine Mannschaft sind, die offensiv denkt.« Gosens forderte mehr »Zielstrebigkeit«. Man müsse »klarer im letzten Drittel sein«. Auch bei der »Besetzung in der Box« sieht der Mann von Atalanta Bergamo Verbesserungspotenzial. Stimmt alles. Aber wie sagt Joshua Kimmich treffend: »Wir müssen es endlich auf den Platz bringen.« Vermutlich eher, wenn der Mann von FC Bayern im Mittelfeld spielt – und nicht auf der rechten Außenposition. (GEA)