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Zweiter Biber in der Reutlinger Innenstadt gesichtet

Der Biber vom Markwasensee in Reutlingen hat innerstädtische Konkurrenz bekommen. Ein zweites Tier ist an der Echaz gesichtet worden.

Weitere Biber-Sichtung im Innenstadtgebiet: Am Echazufer ist er zumindest kurzzeitig heimisch. FOTO: STADT
Weitere Biber-Sichtung im Innenstadtgebiet: Am Echazufer ist er zumindest kurzzeitig heimisch. FOTO: STADT
Weitere Biber-Sichtung im Innenstadtgebiet: Am Echazufer ist er zumindest kurzzeitig heimisch. FOTO: STADT

REUTLINGEN. Sind Biberaktivitäten und die reguläre Freizeitnutzung im Sportpark Markwasen miteinander vereinbar? Ja, das müssen sie sein – betont der ehrenamtliche Biberberater des Landkreises Reutlingen, Dr. Albrecht Gorthner, während eines Besuches an den Markwasenseen. Hier ist ein Biber zu Hause, der sich laut Gorthner mittlerweile richtig gut eingelebt hat. Eine für den Forscher besonders erfreuliche Entwicklung: Jüngst wurde sogar ein Artgenosse des Nagers gesichtet, der sich jedoch eine außergewöhnliche Umgebung ausgesucht hat – er tummelt sich mitten im Zentrum Reutlingens.

Noch vor wenigen Monaten war der städtische Biberberater zurückhaltend, wenn er nach dem Namen des Markwasen-Bibers gefragt wurde. »Wie heißt er denn nun?«, hätten Interessierte den Forscher jedoch immer wieder gelöchert. Nun kann er verkünden: »Mark« oder mit vollem Namen »Mark von Markwasen«. Und »Mark von Markwasen« macht seinem Namen alle Ehre, indem er das beliebte Reutlinger Freizeitgebiet zu großen Teilen für sich beansprucht: Er residiert hier.

Biberexperte Albrecht Gorthner und Biberbeauftrage des Tiefbauamts Katrin Reichecker begutachten einen kleinen Staudamm des Bibe
Biberexperte Albrecht Gorthner und Biberbeauftrage des Tiefbauamts Katrin Reichecker begutachten einen kleinen Staudamm des Bibers »Mark von Markwasen«. Es ist bei weitem nicht der größte seiner Bauten. Foto: Max Schniepp
Biberexperte Albrecht Gorthner und Biberbeauftrage des Tiefbauamts Katrin Reichecker begutachten einen kleinen Staudamm des Bibers »Mark von Markwasen«. Es ist bei weitem nicht der größte seiner Bauten.
Foto: Max Schniepp

»Der Biber beschäftigt uns richtig«, informiert Gorthner vor dem Hintergrund überfluteter Wanderwege am Rande der Markwasenseen. Denn wo letztes Jahr Rindenmulch aufgeschichtet war – der Weg ist zweigeteilt und nur auf einer Seite mit Kies befestigt – entstehen an regnerischen Tagen kleine Ausläufer des benachbarten großen Sees.

»Der Biber beschäftigt uns richtig«

Schuld daran ist auch der Biber, aber vor allem ein knapp 30 Zentimeter erhöhter Wasserstand, der durch Holzarbeiten des fleißigen Baumeisters entstanden ist. Dort, wo das Wasser eigentlich aus den Markwasenseen weiter in den Breitenbach fließt, steht die knapp vier Meter breite und hüfthohe Konstruktion von Biber Mark – mittlerweile abgeschlossen, denn nichts mehr plätschert an dem Bachlauf.

»Achtung Biber!« warnen die neuen Schilder. FOTO: SCHNIEPP
»Achtung Biber!« warnen die neuen Schilder. Foto: Max Schniepp
»Achtung Biber!« warnen die neuen Schilder.
Foto: Max Schniepp

»Wenn es der Biber plätschern hört, dann weiß er, hier geht mir mein Wasser flöten«, führt Karin Reichenecker vom kommunalen Amt für Tiefbau, Grünflächen und Umwelt aus. Die Diplom-Agrarbiologin arbeitet zusammen mit Albrecht Gorthner an konkreten Maßnamen, um die Auswirkungen des Bibers auf den Markwasen so gering wie möglich zu halten. Auch eine andere Stelle am Seeufer sieht auffällig zugebaut aus. Ganz flach schließt sie an eben diesem Punkt an die Wiese zwischen Wanderweg und Uferzone an. Dort liegt totes Geäst, aufgestapelt zu einem kleinen Damm, der kennzeichnend für die zweitgrößten lebenden Nagetiere der Erde ist.

An solchen Stellen versucht Biber Mark, das durch ihn aufgestaute Wasser mit viel Eigeninitiative so weit zurückzuhalten, wie es nur geht. Denn er möchte – übrigens genauso wenig wie die Jogger und Flaneure – dass die Wanderwege im Markwasen überflutet werden.

» Infrastrukturschäden sind keine entstanden«

Aber: Was machen, wenn Dämme zu viel Wasser stauen? Um den Biber zu täuschen, installierte die Stadt Reutlingen mehrere Drainagerohre, die das Zuviel an Wasser unter dem Biberdamm durchleiten und unterirdisch in den nächsten See fließen lassen – und zwar ohne, dass es dabei plätschert.

Obwohl für die Menschen geflutete Wege zuweilen ärgerlich seien, profitiere die Natur im Markwasen von Biber Marks Landschaftsgestaltung. Sie blühe förmlich auf, schildert Gorthner, denn »durch den über die Ufer tretenden See bekommt die Vegetation mehr Wasser, wird üppiger« – für den Biber ein gefundenes Fressen.

Sonst ernährt er sich von den Rinden seiner gefällten Bäume, frisst aber auch Sträucher und diverse Kräuter. Aus umwelttechnischer Sicht stehe fest: »Der Biber hat dem Gebiet Markwasen gut getan«, so der Experte.

Kein Platz für Jogger: Enten tummeln sich auf den Wanderwegen an den Markwasenseen. FOTO: CZAPALLA
Kein Platz für Jogger: Enten tummeln sich auf den Wanderwegen an den Markwasenseen. Foto: Czapalla
Kein Platz für Jogger: Enten tummeln sich auf den Wanderwegen an den Markwasenseen.
Foto: Czapalla

Unweit des Schlattwiesensees gab es noch im letzten Jahr ein Stück Auenwald. Der Begriff beschreibt einen Wald, der in Fluss- oder Seenähe immer wieder überschwemmt wird. Durch die Bauarbeiten des Markwasen-Bibers hat sich diese Fläche nun dauerhaft Wasser gefüllt. Ein neuer See ist entstanden.

Szenenwechsel: Gegenüber des großen Biberdammes befindet sich eine hölzerne Brücke. Gesplitterte Dielen, teils verbogene Bretter – nur die rostfreien Schrauben sehen noch aus wie neu. Die Brücke wirkt alt, zumindest schon etwas in die Jahre gekommen, aber scheint noch voll funktionstüchtig zu sein.

Es ist ein weiteres Konfliktgebiet – Reichenecker spricht von einem »Infrastrukturkonflikt« – in dem sich die Stadt Reutlingen um Lösungen bemüht. Bei Starkregen steigt der Pegel, bis die Unterseite der Brücke im Wasser steht. Je öfters das passiert, desto schneller wird sie morsch, erklärt Katrin Reichenecker vom Tiefbauamt. »Dieses Jahr haben wir ein trockenes Jahr, weshalb keine Infrastrukturschäden entstanden sind«, so Reichenecker.

Zwischen Brücke und Wasseroberfläche misst der Abstand nur wenige Zentimeter. Die Stadt habe durch die Installation der Drainagerohre einen Kompromiss mit dem Biber schließen können. Er kann seinen großen Damm behalten, ohne dass die Brücke in Mitleidenschaft gezogen wird. Und wenn der Pegel trotzdem mal zu hoch steigt? Für diesen Fall hat die Stadt vorgesorgt. Gleich mehrere »Achtung Biber!«-Schilder warnen vor einer möglicherweise rutschigen Holzbrücke.

Biberberater Gorthner hat längst nicht nur »Mark von Markwasen« im Blick. Denn seit seitdem im Innenstadtgebiet ein weiterer Artgenosse abgelichtet wurde, setzt der Experte auf Hinweise aus der Bevölkerung. »Die Zusammenarbeit mit den Bürgern ist jetzt sehr wichtig, denn ich muss wissen, wo Spuren sind«, betont Gorthner. Gesichtet wurde der noch namenlose Biber gegenüber des Rewe-Supermarktes an der Albstraße.

Der Zuständigkeitsbereich von Dr. Albrecht Gorthner liegt im dunkelgrünen Bereich. Besonders nach Biberspuren an der Echaz ist Gorthner derzeit auf der Suche. FOTO: STADT

»Jetzt haben wir also einen Biber am Echazufer. Der kann dort aber nicht bleiben. Trotzdem werden wir nichts unternehmen und einfach abwarten. Er ist auf der Durchreise«, vermutet Gorthner, der annimmt, dass das Tier auf der Suche nach einem neuen Revier aus dem Neckar an die Echaz umgezogen ist. Deshalb könnte seine Sichtung im Reutlinger Zentrum nur ein Zwischenstopp sein.

Wer im kommenden Winter an der Echaz Spuren findet, die auf einen Biber hindeuten, ist gebeten Albrecht Gorthner schnellstmöglich kontaktieren, damit er die Spuren sichern und auswerten kann. Obwohl der unbekannte Biber noch keinen offiziellen Namen hat, nennt ihn Katrin Reichenecker vorläufig »René vom Rewe«. (GEA)

Kontakt Dr. Gorthner: agorthner@gmail.com

07123 920943