REUTLINGEN. Diese Ausstellung wird Kinder freuen – und so manche Eltern auch. Schließlich datieren einige der Playmobil-Figuren, die bis 17. Februar im Heimatmuseum zu sehen sind, aus Mitte der 1970er-Jahre, also aus einer Zeit, in der Mutter und Vater womöglich selbst mit den Plastikmännchen gespielt haben.
5 000 Figuren hat Oliver Schaffer von Hamburg nach Reutlingen transportiert. Der 39-jährige Hamburger besitzt die weltweit größte private Schausammlung eines Spielzeugs, das 1974 auf den Markt kam und seither eine beispiellose Erfolgsgeschichte schreibt.
Der Büchsenmacher und Schlossermeister Andreas Brandstätter gründete 1876 in Fürth eine Firma, die Schlösser und Beschläge für Schatullen herstellte. 1952 übernahm Horst Brandstätter das Unternehmen und verlegte die Produktion auf die Herstellung von Spardosen, Spielzeugtelefonen und Artikel für Kaufläden. Mit der Ölkrise in den 1970er-Jahren geriet die Firma wie viele andere Spielzeughersteller in wirtschaftliche Schwierigkeiten, denn der Kunststoffpreis hatte sich durch die Krise verzehnfacht.
Hans Beck, Mustermacher bei der Firma »geobra Brandstätter«, entwickelte ab 1974 mit Playmobil – einem System mit sehr niedrigem Kunststoffverbrauch – die rettende Spielzeugidee. Seither bevölkern die 7,5 Zentimeter großen Figuren, »Klickys« genannt, die Kinderzimmer der Welt. Hielten sich alle bisher produzierten Playmobil-Figuren an den Händen, reichte die Kette fast vier Mal um die Erde.
Morgen gibt’s eine Führung
»Wir wollten wie jedes Jahr um die Weihnachtszeit ein familienfreundliches Thema präsentieren«, sagt Dr. Martina Schröder, stellvertretende Leiterin des Heimatmuseums. Ein Dreivierteljahr dauerten die Vorarbeiten, bis Oliver Schaffer seine Schaulandschaften aufbauen konnte. Liebevoll drapiert bevölkern die Männchen jetzt den Weltraum, Ritterburgen, eine Weihnachtslandschaft, einen Flughafen, einen Kristallpalast oder den Circus Roncalli.
In einer Vitrine sind ausschließlich Playmobil-Figuren zu sehen, die Reifröcke tragen. Deren Form erinnert an die Krinolinenmode des 19. Jahrhunderts und fügt Verzierungen und Aufputz hinzu. Zu sehen sind Hofdamen, Prinzessinnen, Feen, Gräfinnen, Bräute und Weihnachtsengel. Die neueste Reifrock-Figur – fast ganz in Schwarz – ist eine Spezial-Ausgabe für das Rijksmuseum Amsterdam. Sie wurde inspiriert durch Rembrandts Gemälde »Hochzeitsporträt von Oopjen Coppit’« aus dem Jahre 1634.
In einer anderen Vitrine sind Figuren zu sehen, die an Berühmtheiten erinnern: Napoleon, Elvis Presley, Julius Cäsar, Justin Bieber oder Martin Luther stehen in Reih und Glied und warten darauf, von den Besuchern des Heimatmuseums entdeckt zu werden. »Die Martin-Luther-Figur ist die meistverkaufte Figur in der Playmobil-Geschichte«, sagt Oliver Schaffer. Mehr als eine Million Mal wurde sie verkauft.
»Ich sammle seit 30 Jahren diese Figuren und seit 2003 mache ich Ausstellungen«, sagt Oliver Schaffer, der in Hamburg an der »Stage School of Music, Dance and Drama« studiert und etliche Jahre als Musicaldarsteller gearbeitet hat. Heute verdient er seinen Lebensunterhalt als »Casting Supervisor« für »Aida Cruises«, ein Unternehmen, das Kreuzfahrten anbietet. Mehr als 30 Playmobil-Ausstellungen hat Oliver Schaffer mittlerweile konzipiert. 2009 war ein Teil seiner mehr als 50 000 Playmobil-Figuren und über 500 000 Einzelteile umfassenden Sammlung im »Pariser Musée des Arts décoratifs« im Westflügel des Pariser Louvre zu sehen. Vier Millionen Besucher haben sich bislang von seinen Ausstellungen verzaubern lassen.
Am morgigen Sonntag gibt es eine erste Führung durch die Ausstellung. Die Kunsthistorikerin und Kulturwissenschaftlerin Dr. Astrid Wendt erzählt ab 11.15 Uhr Kindern ab sechs Jahren und Erwachsenen Interessantes und Wissenswertes rund um die kleinen Figuren. Und natürlich kommt bei einer solchen Ausstellung das Spielen nicht zu kurz. (GEA/sv)
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