REUTLINGEN. Bei einem Pressegespräch erläuterten Brigitte Ströbele, Geschäftsführerin der Aidshilfe Tübingen-Reutlingen, und Dr. Evelyn Thumm vom Reutlinger Kreisgesundheitsamt gemeinsame Konzepte zur HIV-Prävention und informierten über aktuelle Entwicklungen rund um den Welt-Aids-Tag am 1. Dezember.
Dass der heutige Welt-Aids-Tag angesichts der dramatischen Entwicklung der Corona-Krise etwas untergeht, ist verständlich. Dabei hat Brigitte Ströbele von der Aidshilfe durchaus Positives zu berichten: So ist in Deutschland die Zahl der geschätzten HIV-Neuinfektionen im vergangenen Jahr von 2 300 im Jahr 2019 auf 2 000 gesunken, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) am vergangenen Freitag mitteilte.
Auf jeden Fall ein Erfolg
Zwar könne man die Zahlen auf Reutlingen nicht eins zu eins runterbrechen, so Brigitte Ströbele, aber der Rückgang der Neuinfektionen sei »auf jeden Fall ein Erfolg«. Dazu beigetragen hätten sicherlich die coronabedingten Kontaktbeschränkungen, aber auch »Testangebote, die zu frühen Diagnosen und Behandlungen von HIV-Infektionen führen«.
Die sogenannte Präexpositionsprophylaxe (PrEP), die man nach einem Kontakt mit dem Erreger einnehmen kann, um sich vor einer Ansteckung zu schützen, spielt ebenso eine Rolle. Und nicht zu vergessen die Testangebote, die die Aidshilfe Reutlingen-Tübingen während der Pandemie sogar noch erweitert hat. So gibt es immer am ersten Dienstag des Monats mit dem so genannten »Checkpoint«-Test (zwischen drei und 15 Euro) das Angebot, sich fachkundig auf sexuell übertragbare Krankheiten untersuchen zu lassen. Neben Aids geht es bei diesem Test auch um die Erkennung von Syphilis, Chlamydien sowie Hepatitis B und C. Außerdem bietet die Reutlinger Aidshilfe jeden zweiten Dienstag im Monat einen zusätzlichen HIV-Schnelltest (kostenlos) an, zu dem man sich wie zum »Checkpoint«-Test problemlos über Telefon oder Internet anmelden kann.
Solche Tests bietet auch das Kreisgesundheitsamt Reutlingen an, das mit der Nachverfolgung von Covid-Infektionsfällen jedoch so ausgelastet war, dass es seine Sprechstunden über fünf Monate reduziert anbot und für sieben Monate ganz aussetzte. Evelyn Thumm, die beim Kreisgesundheitsamt für Prävention von HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten zuständig ist, berichtete, dass »2020 zwei Drittel weniger Klienten in die Sprechstunden kamen und knapp 200 HIV-Tests durchgeführt wurden«.
Seit April dieses Jahres finden HIV/STI-Sprechstunden wieder statt, zunächst als Terminsprechstunde und seit Sommer auch wieder als offene Sprechstunde ohne Termin. Zwar führte das Kreisgesundheitsamt in 2021 bis jetzt nur 324 HIV-Tests durch, doch der Rückgang von rund 50 Prozent im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten konnte durch das höhere Testangebot der Aidshilfe kompensiert werden.
Gezielte Testangebote seien sehr wichtig, betonte Ströbele, und waren auch bundesweit mit ein Grund dafür, dass die Zahl der Menschen, die bei der HIV-Diagnose bereits Aids hatten, von 1 100 in 2019 auf 900 Fälle in 2020 zurückgingen: »Es ist gelungen, mehr Menschen zu vermitteln, dass eine frühe Diagnose und Behandlung im Falle einer HIV-Infektion die Möglichkeit eines gesunden und langen Lebens mit HIV eröffnen«, erläuterte Ströbele. Während 2020 die HIV-Neuinfektionen insgesamt zurückgegangen sind, ist die Zahl der Menschen, die sich durch intravenösen Drogenkonsum mit HIV infiziert haben, leicht gestiegen.
Was die wenigsten wissen: Frühe Diagnosen sind auch deshalb wichtig, weil HIV mit Medikamenten inzwischen so gut behandelbar ist, dass sich das Virus im Körper eines Infizierten nicht mehr nachweisen lässt und keine Ansteckung mehr möglich ist. (GEA)