REUTLINGEN. »Gerade hatten wir’s davon«, sagen die drei Freundinnen und lachen. Margot Bauer, Heide Czermin und Ulrike Müller haben sich zu einem Schwätzchen auf den sonnigen Marktplatz versammelt. Sie finden, dass es ein ganz schwieriges Thema ist – je nachdem auf welcher Seite man steht. »Mir als Eigentümer würde es auch nicht gefallen, wenn mir jemand vorschreibt, was ich zu tun habe«, sagt Czermin
Andererseits verstehe sie, dass es an Wohnraum mangelt. »Ich meine, wenn die Stadt dafür einsteht, wenn etwa Mietnomaden die Wohnung zerstören und die Gemeinde dann einem zusichert, dass man nicht auf den Kosten sitzen bleibt, dann wäre das mit der Vermietung einen andere Sache«. Aber zuviele Leute hätten vermutlich Angst, dass es nicht gut geht mit dem Mieter. Heide Czermin habe mit ihrer Mieterin Glück gehabt, erwähnt sie ihren Kumpaninnen gegenüber erleichtert.
Uwe Dieckmann, der in der Planieallee seine Mittagspause genießt, hält von Zwangsenteignungen überhaupt nichts. »Ich bin komplett dagegen«. Ob gebaut wird oder vermietet, sollte die Entscheidung der Eigentümer bleiben. Er versteht das Problem mit dem Wohnungsmangel sehr gut, aber vermutet und erhofft sich dabei zunächst Änderungen und Lösungsansätze in der Steuerpolitik.
Er halte es ganz nach dem Motto »Motivation statt Zwang«. »Sehr wichtig ist aber, dass das Thema nun behandelt und nach Wegen gesucht wird«, sagt er nickend. Gerade auch bei der OB-Wahl sei das für Reutlingen heiß diskutiert worden. »Klar, wenn man etwa an all die Flächen und leerstehenden Fabriken hier in der Stadt denkt«.
Auch das kam Seyyah Ünal gleich in den Kopf, als der GEA ihn mit der Frage nach dem Bauzwang konfrontierte. »Das, was der Boris Palmer da macht, ist schon krass«, sagt der Tonne-Schauspieler. »Du nimmst den Leuten da was weg.« Ihm spukt die Planie 22 im Kopf herum, aus der er und seine Kollegen und weitere Künstler ausziehen mussten. »Die steht jetzt leer«. Lieber sollten Städte sich erst um solche Gebäude kümmern, findet der Reutlinger.
»Klar ist aber auch, dass Boris Palmer nichts ohne rechtlichen Hintergrund macht«, sagt Ernst Obermayer. »Außerdem zocken die Leute halt gern«, so der Cafébetreiber, der nebenher seine »Finca«-Wraps zubereitet. Mancher Eigentümer von Land oder Wohnung warte lieber noch ab, wie sich die Preise auf dem Wohnungsmarkt entwickeln. Da gingen schon mal Jahre ins Land. »Eine Stadt sollte abwägen, ob es sich um eine Oma mit großem Garten hinterm Haus handelt oder um einen spekulierenden Baugrundstücks-Besitzer, der immer mehr möchte«.
Petra Siegmann ist etwas überrascht darüber, was Boris Palmer da macht. »Prinzipiell finde ich das mit dem Bauzwang aber richtig«, so die Eningerin. Nur hätte sie solche Forderungen eher in einer anderen politischen Ecke verortet - irgendwie mehr links. Der Boris Palmer sei ja eigentlich ein Grüner. Da hätte sie sich eine ausdifferenziertere Disskussion gewünscht: Etwa ob sich ein Baugrundstück als Biotop entpuppt und wie es zu schützen wäre, oder ob es sich tatsächlich um brauchbares - also bebaubares - Land handelt. (GEA)