REUTLINGEN. Es ist so, als ob plötzlich Geld in der Kasse fehlt, das für Ausgaben bereits fest verplant war - und man kann nichts dagegen tun. In dieser misslichen Lage befindet sich die Stadt Reutlingen. Denn nach der neuesten Steuerschätzung erhält die Kommune im Jahr 2025 13 Millionen Euro weniger an Schlüsselzuweisungen und Steuern als gedacht. Deswegen muss die Stadt laut Finanzbürgermeister Roland Wintzen sowohl eine Haushaltssperre verfügen als auch einen Nachtragshaushalt für das kommende Jahr verabschieden.
Schlüsselzuweisungen sind Gelder vom Land, die im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs Kommunen zufließen, aber von der wirtschaftlichen Lage insgesamt abhängen. Hier kriselt es, weswegen auch beim Land in Stuttgart weniger Steuereinnahmen eintrudeln, mithin auch weniger weitergegeben werden können. Hinzu kommen weniger Einnahmen aus der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer. Deswegen fehlen Reutlingen im kommenden Jahr 2025 laut Finanzbürgermeister Roland Wintzen 13 Millionen Euro, »hauptsächlich durch eine Reduzierung der Schlüsselzuweisungen des Landes, was alleine 8 Millionen Euro weniger bedeutet«. Solche gewaltigen Fehlbeträge werden ein großes Loch in die Haushaltsplanung reißen.
Es geht vor allem um den Reutlinger Ergebnishaushalt, aus dem laufende Ausgaben bezahlt werden. Dieser Haushalt hat ein Volumen von rund 450 Millionen Euro, von denen bislang 140 Millionen Euro an Schlüsselzuweisungen vom Land fest eingeplant waren - und jetzt werden es eben erheblich weniger. Auch die weiteren Aussichten sind nicht gut: »Das setzt sich in den Folgejahren fort«, sagt Wintzen.
»Nur zwingend notwendige Ausgaben dürfen getätigt werden«
Hätte man das bei der Haushaltsplanung nicht wissen können? »Nein«, betont der Finanzbürgermeister. »Wir orientieren uns immer an der Haushaltsplanung des Landes, mit der auch die Schlüsselzuweisungen der kommenden Jahre festgelegt werden. Das haben wir auch bei der Haushaltsplanung so gemacht.«
Klar ist jedoch, dass ab sofort eine Haushaltssperre nötig wird, »nur die zwingend notwendigen Ausgaben dürfen getätigt werden«. Folge ist zudem die Aufstellung eines Nachtragshaushaltes für das kommende Jahr, »geplant ist, das im Februar zu machen«. Dann wird sich der Gemeinderat damit auseinandersetzen müssen, wo gespart werden soll.
»Das Regierungspräsidium wird uns zusätzliche Schulden nicht genehmigen«
"Da werden wir anschauen, wie wir die Lücke schließen", erklärt Wintzen. Ihn selbst bedrückt "ein Gefühl des Ausgeliefertseins, weil es eine Konsequenz der Wirtschaftslage ist". Die Stadt habe auf die Höhe der Schlüsselzuweisungen keinerlei Einfluss, "und Konjunkturpolitik wird auf Bundesebene gemacht. Das macht mir Sorgen". Die fehlenden Millionen könne sich die Stadt auch keinesfalls von der Bank pumpen. »Das Regierungspräsidium wird uns zusätzliche Schulden nicht genehmigen«, betont der Finanzbürgermeister, der weitere Belastungen für zukünftige Generationen ohnehin ablehnt. Also sparen - aber wo?
Ohne Zweifel, steigende Sozialausgaben seien »kein unmittelbares Problem« für die Stadt, sie würden hauptsächlich den Landkreis betreffen, dort aber unter Umständen Auswirkungen auf die Kreisumlage haben, die wiederum die Städte und Gemeinden treffe. Auch Personalkosten bedrücken Wintzen weniger, »weil wir da seit 2020 sparsam waren bei der Einrichtung neuer Stellen«. Es werde eine Entscheidung des Stadtparlaments werden, wo derart viel Geld weniger ausgegeben wird. »Wir versuchen, es möglichst verträglich zu managen«, verspricht Wintzen für die Stadtverwaltung. Dann erwähnt er einen kleinen Lichtblick.
Die Stadtkasse habe 2023 fünf Millionen Euro mehr als erwartet an Gewerbesteuer eingenommen, die könnten jetzt helfen. So wird das Loch in der Kasse etwas kleiner, bleibe aber insgesamt bedrohlich. »Wenn sich an der Finanzausstattung der Kommunen nichts ändert, werden wir uns auf Pflichtaufgaben konzentrieren müssen«, warnt Wintzen. Die Bürger Reutlingens könnten jede und jeder einen kleinen Beitrag in schwierigen Zeiten leisten: mehr bürgerschaftliches Engagement, weniger Anspruchsdenken. (GEA)