Logo
Aktuell Advent

Wie der Reutlinger Weihnachtsmarkt ankommt

Der Reutlinger Weihnachtsmarkt zieht auch dieses Jahr viele Besucher an, doch neben dem stimmungsvollen Ambiente und dem verlockenden Duft von Glühwein gibt es auch die eine oder andere kritische Stimme.

Die Glühweinpyramide auf dem Reutlinger Marktplatz: Am Freitagabend ist die Besucherzahl recht überschaubar.
Die Glühweinpyramide auf dem Reutlinger Marktplatz. Foto: Frank Pieth
Die Glühweinpyramide auf dem Reutlinger Marktplatz.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. Lichterketten erleuchten die dunklen Stunden, der Duft von Glühwein und gebrannten Mandeln zieht durch die Gassen, und überall glänzen die Stände mit handgefertigten Geschenken und schmackhaften Leckereien. Das kann nur eines bedeuten: Es ist Weihnachtsmarkt! Für viele Menschen ist der Besuch dort eine liebgewonnene Wintertradition. So auch für viele Reutlinger, die an diesem Wochenende in der Altstadt und im Bürgerpark am bunten Treiben teilnahmen. Der GEA hat nachgehakt: Wie kommt der Markt in diesem Jahr an?

»Wir kommen immer wieder gerne auf den Reutlinger Weihnachtsmarkt. Die Atmosphäre hier ist einfach besonders stimmungsvoll, und überall duftet es herrlich nach Weihnachten«, erzählen zwei Frauen, die am Freitagabend entspannt über den Albtorplatz schlendern. In diesem Jahr empfinden sie den Markt sogar als noch gemütlicher als im Vorjahr. Das dichte Gedränge sei weniger geworden. Dieser Eindruck bestätigt sich zumindest am frühen Freitagabend. Einige Stände sind gut besucht, während es an anderen ruhiger zugeht. Lange Warteschlangen sind nirgends zu sehen. Könnte das eventuell auch am neuen Sicherheitskonzept liegen?

Umfrage

Bürgerpark als Spaßmeile

Das Konzept hat unter anderem bewirkt, dass der Albtorplatz, der in den vergangenen Jahren als »Hotspot« für Partyfreudige galt, in diesem Jahr nicht belebt ist. Stattdessen wurde die Vergnügungsmeile mit Riesenrad und Schlittschuhbahn in den Reutlinger Bürgerpark verlegt. Der andere Part des zweigeteilten Weihnachtsmarkts beheimatet auf der Wilhelmstraße und rund um die Marienkirche nebst den Essens- und Getränkeständen auch die Händlerbuden.

»Im Weihnachtspark an der Stadthalle ist es wirklich total schön«, schwärmt eine junge Frau, die an einem Schulstand bei der Marienkirche Waffeln verkauft. »Allerdings merkt man schon, dass in der Fußgängerzone weniger los ist als im letzten Jahr. Das könnte daran liegen, dass am Albtorplatz nicht mehr so viel geboten wird«, überlegt sie. Ihre Kollegin ergänzt: »Klar, das hat Auswirkungen auf die gesamte Innenstadt!«

Glühweinpyramide wird kritisch beäugt

Ähnlich äußert sich ein Ehepaar aus Orschel-Hagen, das gemeinsam mit seinen drei Kindern über den Markt schlendert. »Es ist dieses Jahr ungewohnt ruhig. Wenn ich auf den Weihnachtsmarkt gehe, mag ich es, wenn es ein wenig trubelig und gemütlich ist«, sagt der Familienvater. Die Kinder stört das weniger – für sie bleibt der Besuch ein Highlight. Hinter einem Adventskalendertürchen ihrer Eltern hatte sich der Ausflug zum Weihnachtsmarkt versteckt.

Am Marktplatz versammeln sich derweil einige Menschen rund um die neue Glühweinpyramide. Darunter ist auch eine Gruppe von Arbeitskollegen aus Dettingen, die ihren Besuch in Reutlingen mit einer kleinen Weihnachtsfeier verbinden. Die angebotenen Waren interessieren sie kaum: »Wir wollen auf keinen Fall bummeln. Nur trinken und den Stress abbauen«, erklärt eine der Damen lachend und nimmt einen genüsslichen Schluck von ihrem Glühwein. Zur Glühweinpyramide haben sie gemischte Gefühle: »Nächstes Jahr brauchen wir die nicht mehr.« Sie sei zwar hübsch anzusehen, aber Glühweinstände gibt es auch so genug. In den Bürgerpark möchte die Gruppe an diesem Freitagabend nicht mehr ziehen. »Das ist eher etwas für einen Ausflug mit den Kindern am Sonntagnachmittag«, meint einer der Kollegen.

Im Bürgerpark selbst bestätigt sich dieser Eindruck. »Die meisten Besucher hier sind tatsächlich Familien mit Kindern«, berichtet die Verkäuferin des »O'Donell«-Schnapsstandes, der seit Jahren fester Bestandteil des Reutlinger Weihnachtsmarktes ist. Allerdings laufe das Geschäft in diesem Jahr schlecht. Der neue Standplatz im Bürgerpark sei nicht ideal: »Was sollen wir als Schnapsstand im Spieleparadies? Wir haben kaum Laufkundschaft. In der Innenstadt, bei den anderen Händlern, wäre das anders«, mutmaßt sie.

Auf anderen Weihnachtsmärkten sei das Konzept deutlich besser. Dieser Meinung seien auch viele Besucher, mit denen sie ins Gespräch kommt. »Der Sinn eines zweigeteilten Marktes erschließt sich mir nicht. Auch andere Aussteller sind unzufrieden. Wir stehen natürlich ständig im Austausch«, erzählt die junge Frau weiter. Und eine weitere Frustration teilt sie mit: »Neulich fiel bei mir im Stand der Strom aus. Es hat 15 Minuten gedauert, bis ich jemanden erreichen konnte. Das geht einfach nicht.«

Den Feierabend auf dem Reutlinger Weihnachtsmarkt ausklingen lassen: Das macht gute Laune, findet die Truppe aus Dettingen.
Den Feierabend auf dem Reutlinger Weihnachtsmarkt ausklingen lassen: Das macht gute Laune, findet die Truppe aus Dettingen. Foto: Frank Pieth
Den Feierabend auf dem Reutlinger Weihnachtsmarkt ausklingen lassen: Das macht gute Laune, findet die Truppe aus Dettingen.
Foto: Frank Pieth

Aufregung gab es kürzlich auch um das Thema der Standmieten in Reutlingen, die laut einem Beschicker höher seien als in den meisten anderen Städten. Dem widersprechen die Veranstalter der Marktwerkstadt, Vildana und Clemens Vohrer nachdrücklich. Man sei mit den Standmieten um einiges unter den Preisen von Stuttgart oder Ulm, erklärt Vildana Vohrer. Allerdings sei es so, dass in diesem Jahr erstmals pro Quadratmeter abgerechnet werde und nicht wie bisher nach Laufmetern. Damit habe man sich anderen Städten und deren Abrechnungsmodalitäten angeglichen. In diesem Jahr werden erstmals die bewirteten Außenflächen mitberechnet.

Gestiegene Kosten

»Wir hatten in den letzten zehn Jahren keine Preiserhöhung mehr«, erklärt Vildana Vohrer. Das sei angesichts der gestiegenen Kosten nicht mehr zu vermeiden gewesen. Von den Einnahmen zahle man aber auch Dinge, die allen Marktständen zugutekommen, etwa die Security, das Bähnle, die Feuershow oder die Eisbahn.

Susanne Arifi in ihrem Stand auf der Reutlinger Wilhelmstraße.
Susanne Arifi in ihrem Stand auf der Reutlinger Wilhelmstraße. Foto: Frank Pieth
Susanne Arifi in ihrem Stand auf der Reutlinger Wilhelmstraße.
Foto: Frank Pieth

»Für mich lohnt es sich nicht«, sagt Susanne Arifi, die mit ihren spanischen Keramikreiben extra aus Wien angereist ist. »Am Wochenende läuft es zwar besser, aber die meisten Leute gehen einfach nur vorbei. Viele von ihnen kommen aus der Gegend und kennen sich untereinander. Sie sind eher wegen des Essens und des Glühweins hier«, beobachtet die Standbetreiberin. Um die Kosten zu decken, müsste sie mindestens 1.000 Euro Umsatz pro Tag machen, was schwer zu erreichen sei. Daher tendiert sie dazu, nächstes Jahr nicht mehr teilzunehmen.

Rund um das Café Sommer genießen viele Menschen ihren Feierabend mit einem heißen Punsch oder Glühwein.
Rund um das Café Sommer genießen viele Menschen ihren Feierabend mit einem heißen Punsch oder Glühwein. Foto: Frank Pieth
Rund um das Café Sommer genießen viele Menschen ihren Feierabend mit einem heißen Punsch oder Glühwein.
Foto: Frank Pieth

Der »Maroni-Man«, wie er sich selbst bezeichnet, Helmut Hummel versteht die Kritiker nicht. Der Mann mit den heißen Maronen ist vom Reutlinger Weihnachtsmarkt längst nicht mehr wegzudenken. Seit zehn Jahren ist er schon mit dabei. Einen Unterschied zu den Vorjahren hat er nicht bemerkt: »Ich finde, es ist so viel los wie immer«, sagt er. Von seinem Platz an der Marienkirche aus hat er einen guten Überblick – mitunter auch auf Sommers Winterhütte und Connys Spezialimbiss, die auf beiden Seiten gut besucht sind. »Und natürlich ist es einfach so, dass die eingefleischten Anbieter es leichter haben«, ergänzt Hummel. Das sei aber überall so, denn die Menschen seien nun mal Gewohnheitstiere.

»Ich komme nächstes Jahr auf alle Fälle wieder«, versichert der Besitzer des Schaustellerbetriebs Frank + Sohn, der zum ersten Mal in Reutlingen – im Bürgerpark – mit dabei ist. Ob und inwieweit sich seine Arbeit finanziell ausgezahlt hat, das könne er zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht sagen. Und selbst wenn es aus Händlersicht noch Luft nach oben gäbe, wird er wieder kommen: »Einfach weil hier in Reutlingen die Atmosphäre stimmt! Alle zufrieden stellen, das kann man sowieso nie«. (GEA)