REUTLINGEN/PFULLINGEN. Bereits seit einiger Zeit fehlen der Turmuhr der Reutlinger Katharinenkirche die Zeiger – offenbar, ohne dass es größeres Aufsehen gegeben hätte. Jetzt meldeten sich Leser des GEA und wollten wissen, was es mit den verschwundenen Zeitmessern am Kirchturm auf sich hat.
»Mich hat es auch gewundert, dass die fehlenden Zeiger so lange unentdeckt geblieben sind. Wahrscheinlich, weil die meisten Menschen ohnehin fast nur noch auf ihre Smartphones schauen. Nach unten, nicht nach oben«, sagt Christoph Geiger, bei der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Reutlingen verantwortlich für Bauten und Liegenschaften. Bei einer Überprüfung der Glocken und der Turmuhr im Sommer sei aufgefallen, wie stark die Zeiger über die Jahre gelitten hätten: Das Blattgold sei abgeblättert, Korrosion habe sich breitgemacht und sei deutlich erkennbar gewesen, berichtet Geiger. Zudem hätten dicke Hagelkörner üblen Schaden angerichtet.
Zeiger fehlen, Uhrwerk und Glocken arbeiten weiter
Das Uhrwerk und das Glockengeläut seien hingegen unversehrt, so Geiger. Die Kontrolle habe ergeben, dass beide einwandfrei funktionierten: »Die Uhr tickt und die Glocken schlagen die aktuelle Zeit alle Viertelstunde«, sagt er.
Derzeit befinden sich die Zeiger bei einem Fachmann in Restaurierung: Andreas Walz, Inhaber von Walz-Uhren, Glockenläutesysteme und Turmuhrentechnik in Pfullingen. »Er ist einer der wenigen in der Region, die so etwas noch beherrschen«, erklärt Geiger. Die Zeiger würden von Schäden befreit und anschließend neu vergoldet. »Schön wäre es, wenn das bis Weihnachten klappen würde«, blickt er voraus.
Zeitmesser in einer Werkstatt in Pfullingen
Auch Andreas Walz bestätigt das. In seiner Werkstatt liegen die acht beschädigten Zeiger derzeit ausgebreitet. »Die Turmuhr der Katharinenkirche hat vier Zifferblätter, eines in jede Himmelsrichtung, und bis vor Kurzem hatte jedes zwei Zeiger – einen großen und einen kleinen«, sagt er und beschreibt den Turm, bevor er auf seine Arbeit zu sprechen kommt.
»Die acht Zeiger sind uralt und waren durch Wind und Wetter und zuletzt besonders durch die Hagelereignisse in Reutlingen 2013 und 2021 stark mitgenommen«, geht er ins Detail. Das dünne Blattgold sei an vielen Stellen abgeblättert und auch die Lackierung darunter habe über die Jahrzehnte bei Wind und Wetter in luftiger Höhe schwer gelitten. »Rost konnte sich ausbreiten«, so Walz. Manche Zeiger seien auch ziemlich verbogen gewesen.
Sie müssen wieder für Jahrzehnte halten
In seiner Werkstatt steht den Uhrzeigern aus Stahlblech jetzt eine Art Verjüngungskur bevor: »Die ersten habe ich bereits abgestrahlt, die anderen folgen in den nächsten Tagen.« Er beschreibt das weitere Vorgehen so: »Die Teile kommen in eine Art geschützte Kabine, hinter eine Schutzscheibe. Da kann ich die Zeiger mit zwei Überzieh-Schutzhandschuhen jenseits der Scheibe greifen und sie mit einem Abstrahlgerät bis aufs Metall reinigen.« Abgestrahlt wird mit feinsten Edelstahlkörnchen, so Walz: »Das ist so fein wie Mehl.«
Danach werden die »nackten« Zeiger mit mehreren Schichten einer neuen Rostschutzlackierung versehen. Wenn diese getrocknet ist, trägt Walz das neue Blattgold auf: »Das sind Goldschichten, die sind dünner als ein menschliches Haar.« Er hat zwei klare Ziele dabei vor Augen: »Das alles muss jetzt wieder für viele Jahrzehnte halten.« Und: »Ich möchte das vor Weihnachten schaffen. Damit die Zeitmesser wieder glänzend an der Katharinenkirche aussehen und dort oben ihren Dienst verrichten.« (GEA)
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