REUTLINGEN. Politiker schwärmen gerne von »verdichteter Bebauung«, vor allem in der Stadt. Das Volk träumt eher vom eigenen Häusle: Was sich beweisen lässt. In Baden-Württemberg sind zuletzt 43,39 Prozent der insgesamt in 14 454 in Wohnhäusern gebauten Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern entstanden. Der Kreis Reutlingen kann da nicht mithalten, hier kommen die Häuslesbauer auf einen Anteil von 41,35 Prozent. Damit ist der Anteil niedriger als der Landesdurchschnitt. In der Bundesliga der häuslebauerfreundlichen Stadt- und Landkreise reicht der hiesige Anteil zu Platz 298 unter 403 ausgewerteten Gebieten. Wobei Würzburg mit 3,3 Prozent auf den letzten Platz kommt und es acht Spitzenreiter gibt, wo nur Ein- und Zwei-Familienhäuser gebaut wurden.
Traum vom Häusle
Bevölkerungsentwicklung und Nachfrage nach Wohnraum gehören zusammen. Aktuell stehen für eine Betrachtung die Werte vom 31.12.2016, sprich Jahresanfang 2017, zur Verfügung. Danach gilt für den Kreis Reutlingen: Die Bevölkerung wächst, 1 969 neue Mitbürgerinnen und -bürger notierte das Statistische Landesamt zum Jahreswechsel 2016/2017 im Kreis Reutlingen. Gleichzeitig wurden im gleichen Zeitraum insgesamt 1 117 neue Wohnungen im Kreis Reutlingen bezugsfertig.
Die Frage, ob der Wohnungsbau ausreichend Schritt hält, lässt sich an diesen Zahlen aber nur teilweise festmachen. Erstens sind 375 dieser Wohnungen in neuen Ein- und Zweifamilienhäusern entstanden, mit denen sich Menschen ihren Traum vom Eigenheim verwirklichen, von denen aber keiner weiß, ob sie schon da waren oder von außerhalb zugezogen sind. Zweitens wird der eine oder andere Neubürger altershalber auch noch ein Weilchen bei Papa und Mama im Kinderzimmer unterkommen. Wobei Nachwuchs wiederum ein Grund für Hausbau und Umzug sein kann. Drittens wollen die Kleinen, wenn sie später ausreichend gewachsen sind, auch gerne ihre eigene Bude haben.
Immerhin deutet ein Faktor von 2,17 Neubürgern pro neuer Wohnung darauf hin, dass der Wohnungsbau Schritt hält, denn alles unter 2,5 signalisiert, dass der Nachschub schneller als der Bedarf wächst.
Der Kreis Reutlingen gehört dabei zu den Bereichen in Deutschland, die bei neuen Wohnungen im Plus sind: Mit 1 117 fertiggestellten Wohnungen wurden hier 144 Wohnungen mehr bezugsfertig als ein Jahr zuvor. Ein Jahr weiter zurück, im Jahr 2014, registrierte die Baustatistik 979 neue Wohnungen. Zum Vergleich: Im deutschlandweiten Spitzenjahr 1995 lag die Zahl der fertiggestellten Wohnungen bei uns bei 2 447.
1995 waren es 2 447 Wohnungen
Die Eigenheimfrage (und damit die Frage, wer sich bei den aktuellen Bauland- und Baupreisen noch ein Häusle leisten kann) beantwortet sich in der Bilanz so: Im Kreis Reutlingen erfüllte sich bis Ende 2016 immerhin für 338 Bauherren und -herrinnen der Traum vom Ein- oder Zweifamilienhaus. Damit wurden 22 Eigenheime mehr bezugsfertig als in den zwölf Monaten zuvor. Nehmen wir die in diesen Häusern enthaltenen 375 Wohnungen und errechnen den Anteil an den verbleibenden 907 Wohnungen in reinen Wohngebäuden (die 210 (Hausmeister-) Wohnungen in Nichtwohngebäuden lassen wir mal weg), bekommen wir einen Anteil von 41,35 Prozent. Was die Wohnungsgröße angeht, haben wir: 304 Ein- oder Zwei-Raum-Wohnungen. 230 Drei-Zimmer- und 157 Vier-Zimmer-Wohnungen plus 426 Wohnungen mit fünf und mehr Räumen. Jetzt müssen wir noch berücksichtigen, dass kaum einer Häuser mit drei Zimmern baut – schon zeigt sich, welche wichtige Rolle, die neu gebauten 338 Ein- oder Zweifamilienhäuser spielen.
Bleibt die Frage, ob die Kritik an dieser Bauform berechtigt ist oder nicht. Da gibt’s den Tipp, Menschen, die zu verdichteter Bebauung raten, zu fragen, wie sie denn wohnen. Wer im Glashaus sitzt, muss bekanntlich aufpassen, wohin er Steine wirft. (zds)