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Aktuell Pandemie

Umfrage in Reutlingen: Durch Impfzwang zu mehr Freiheit?

Welche Strategien Passanten auf der Wilhelmstraße in Reutlingen im Kampf gegen die Corona-Pandemie für zielführend halten.

Impfen
Eine Klinik-Mitarbeiterin zieht den Covid-19 Impfstoff von Biontech/Pfizer für eine Impfung auf eine Spritze. (Archivbild). Foto: Sven Hoppe/dpa
Eine Klinik-Mitarbeiterin zieht den Covid-19 Impfstoff von Biontech/Pfizer für eine Impfung auf eine Spritze. (Archivbild). Foto: Sven Hoppe/dpa

REUTLINGEN. Die vierte Welle der Corona-Pandemie rollt, steigende Inzidenzen und sich zusehends füllende Intensivstationen rufen Erinnerungen an den Winter 2020 wach. Doch was tun, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen und Kliniken vor dem Kollaps zu bewahren? Der GEA hat in der Fußgängerzone Passanten befragt – und einen bunten Strauß an Meinungen gepflückt.

Darunter die von Natascha Braik-Schaller, die sich dafür ausspricht, dass Ungeimpfte – so keine medizinischen Gründe gegen den Piks sprechen – ab sofort mit »stärkeren Einschränkungen zurechtkommen müssen«. Für die Reutlingerin ist »die Einführung einer flächendeckenden 2G-Regelung in Innenräumen das Gebot der Stunde«. Derweil sie von einer Kehrtwende hin zu kostenlosen Corona-Tests nichts hält. »Impfverweigerer verhalten sich unsolidarisch. Warum sollte also die Solidargemeinschaft ausgerechnet für diese Leute aufkommen? Die sollen selber zahlen und vor allem draußen bleiben – aus Kinos, Gaststätten, Theatern und Konzertsälen.«

Ähnlich die Auffassung von Mathias Srsa der »kein Verständnis für Impfverweigerer« aufbringen kann und deshalb ebenfalls für die kompromisslose Einführung von 2G in Gastronomie, Kulturstätten und Einzelhandel plädiert. Dessen ungeachtet würde er es trotzdem begrüßen, wenn Testangebote staatlich finanziert würden. Umso mehr, als Srsa eine zunehmende Sorglosigkeit beobachtet: auf der Straße und ganz besonders in der Fußgängerzone. »Die Menschen bleiben schon seit Längerem nicht mehr auf Abstand. Seit die Maskenpflicht auf öffentlichen Plätzen abgeschafft wurde, rücken alle wieder nahe zusammen.«

Plädiert für eine generelle Einführung von »2G« im Gastro- und Kulturbereich: Mathias Srsa.
Plädiert für eine generelle Einführung von »2G« im Gastro- und Kulturbereich: Mathias Srsa. FOTOS: REISNER
Plädiert für eine generelle Einführung von »2G« im Gastro- und Kulturbereich: Mathias Srsa. FOTOS: REISNER

Wäre also ein Zurück zur Mund-Nasen-Bedeckung unter freiem Himmel sinnvoll? Für Justin Natabou schon. Aber nicht rund um die Uhr, sondern dann, wenn absehbar keine Mindestabstände gewahrt werden können – etwa auf dem Wochenmarkt oder an Samstagen. Selbst vollständig geimpft, fühlt sich der 25-Jährige zwar geschützt, möchte aber nicht ausschließen, dass er sich trotzdem infiziert. Er fordert: testen, testen, testen.

Fände eine Verschärfung der Maskenpflicht sinnvoll: Justin Natabou.
Fände eine Verschärfung der Maskenpflicht sinnvoll: Justin Natabou. Foto: Dieter Reisner
Fände eine Verschärfung der Maskenpflicht sinnvoll: Justin Natabou.
Foto: Dieter Reisner

Zurecht, wie das Beispiel von Cornelia Stuhlinger beweist. Obschon zweimal geimpft, hat sich die 65-Jährige jüngst mit Corona angesteckt. Und nicht nur sie. »Die ganze durchgeimpfte Familie hat es erwischt. Wir vermuten, dass die Enkel das Virus aus dem Kindergarten mitgebracht haben.« Dank der Impfung sei bei allen Betroffenen der Krankheitsverlauf milde gewesen. »Es fühlte sich an wie ein grippaler Infekt, war aber hartnäckiger.« Vor diesem Hintergrund wünscht sich Stuhlinger ein »gesellschaftliches Umdenken«. Zumal für sie die Covid-Pandemie untrennbar mit anderen großen Problemlagen verbunden ist: mit der Globalisierung und dem Klimawandel.

Und was meint Marius Schablowsky? »Dass wir so oder so endlich wieder in die Normalität zurückfinden müssen!« Was ihn mit Tabea Sander eint. »Hin- und hergerissen« sei sie, wenn’s um Strategien im Umgang mit der Pandemie geht und »heilfroh darüber, diesbezüglich keine politischen Entscheidungen treffen zu müssen«. Sie ist für Gratis-Tests und gegen eine staatlich verordnete Impfpflicht, sie ist für Masken – aber bloß in Innenräumen. Und: Sander ist geimpft. Hätte die 31-Jährige einen Corona-Wunsch frei, dann würde dieser etwa so lauten: Dass sich jeder Erwachsene impfen lässt, um jene zu schützen, für die es noch keine Impf-Freigabe gibt oder die hochbetagt sind und auf ihren Booster warten.

Ein Statement, dem sich Jürgen Votteler anschließen würde, weil Fröbs Wunsch auf Verantwortungsbewusstsein und Solidarität fußt. Zwangsimpfungen lehnt der 74-Jährige zwar ab, fände es aber wunderbar, wenn jeder, der darf, die Chance auf einen Piks ergreifen würde – zum eigenen Besten und dem Dritter. Hätte der Reutlinger das Sagen, würde er sofort wieder kostenlose Tests einführen und Mega-Massenveranstaltungen unterbinden. »60.000 Fans in einem Fußballstadion sind mir viel zu viele«, gibt Votteler ein Beispiel.

60 000 Fans im Stadion sind ihm zu viel: Jürgen Votteler.
60 000 Fans im Stadion sind ihm zu viel: Jürgen Votteler. Foto: Dieter Reisner
60 000 Fans im Stadion sind ihm zu viel: Jürgen Votteler.
Foto: Dieter Reisner

Derweil Maria Huber (81) für den Umgang mit der Pandemie nurmehr ein Kopfschütteln übrig hat. »Das Virus ist schlimm, aber die menschliche Dummheit ist die eigentliche Tragödie.« TV-Bilder von dicht an dicht tanzenden Club-Gästen und ausverkauften Sportarenen haben sie zu dem Schluss gebracht, dass »die Menschheit in erster Linie vor sich selbst geschützt werden muss. Per Impfpflicht! Es ist paradox, aber wir müssen unsere Freiheit wohl erzwingen.« (GEA)