REUTLINGEN. Der Festakt zum 125-jährigen Bestehen des Reutlinger General-Anzeigers setzte Maßstäbe: Am 16. November 2013 erstrahlte die neue Stadthalle, deren braune Fassade anfangs in Reutlingen auf viel Kritik stieß, in festlichem GEA-Blau mit einer leuchtenden Krone in »Golden Amber«. Seither hat man sie schon als weithin leuchtenden Adventskranz gesehen, als Mädchentraum in Pink oder in den Regenbogenfarben der Schwulenbewegung.
Die Reutlinger Stadthalle bekennt bei vielen Gelegenheiten Farbe, jeweils passend zum Anlass oder zur Initiative, die es zu unterstützen gilt. Auch in diesem Jahr soll die Fassade der Stadthalle wieder sichtbare Zeichen setzen und bestimmten Themen und Anliegen Aufmerksamkeit verschaffen, wie es in einer Pressemitteilung der Stadthallen GmbH heißt. Geschäftsführerin Petra Roser verweist darin auf eine »ganze Reihe begleitender Beleuchtungskonzepte«.
Fünf Illuminationen geplant
Derzeit sind für 2022 fünf Illuminationen geplant: Los geht’s am 28. Februar zum internationalen Tag der seltenen Erkrankungen (Rare Disease Day) mit den Farben pink, grün, blau und lila. Weltweit leiden rund 300 Millionen Menschen an seltenen Erkrankungen, oft genug aber fehlt ihnen die Lobby.
Vom 14. bis zum 27. März folgen die Internationalen Wochen gegen Rassismus. Unter dem Motto »100 Prozent Menschenwürde – Zusammen gegen Rassismus« wird die Stadthalle in Regenbogenfarben erstrahlen. Am 11. Oktober macht sie ganz in Pink auf Bedürfnisse und Nöte von Mädchen und jungen Frauen aufmerksam, die am Weltmädchentag ihre Stimme erheben.
Am 17. November wiederum unterstützt die Stadthalle in Lila den Internationalen Tag des frühgeborenen Kindes. Sorgen und Nöte von Eltern im Kampf um das Leben der Frühchen rücken so ins Bewusstsein. Den Jahreskreis schließt die Farbe Orange, die am 25. November den Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen aufmerksamkeitsstark illuminiert. Diesen Aktionstag haben die Vereinten Nationen ins Leben gerufen, um sich für die Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt jeder Form gegenüber Frauen und Mädchen einzusetzen. Dazu kommen weitere Aktionen wie zum Pride Day, bei dem es um die Diversität am Arbeitsplatz geht, oder in der Adventszeit.
Für alle diese Aktionen möchte die Stadthalle laut der Pressemitteilung »einen kleinen, aber sichtbaren Beitrag leisten, um das Anliegen der Initiatoren mehr in den Fokus des allgemeinen Interesses zu rücken«. Darüber hinaus sei die Stadthallen-GmbH selbst aktiv und unterstütze lokale wie regionale gemeinnützige Organisationen mit Spenden beziehungsweise regelmäßigen Aufträgen, lasse zum Beispiel Drucksachen von der Bruderhausdiakonie produzieren.
»Heutzutage sinnvoll Gutes zu tun angesichts der vielfältigen Bedarfe, ist oft nicht leicht«, merkt Stadthallen-Chefin Petra Roser an. Umso wichtiger sei jeder noch so kleine Schritt, den ein Einzelner tut, denn aus vielen kleinen Hilfen erwachse Veränderung zum Besseren. »Hier möchten wir als Vorbild wirken und freuen uns über jeden, den wir mit unseren Beleuchtungsaktionen zum Nachdenken oder noch besser zum Mitmachen motivieren können«, sagt Roser.
Bei Interesse und berechtigtem Bedarf könnten weitere Illuminationen hinzukommen. Auch für kommerzielle Zwecke kann die Fassade genutzt werden: Das technische Know-how des Teams der Stadthalle Reutlingen komme auf Wunsch auch für individuelle Beleuchtungsszenarien von Kunden zum Einsatz, sagt die Geschäftsführerin – wie eben damals beim Festakt des GEA.
Markus Bastian war Initiator
Die Idee, die »Halle für alle« des Schweizer Star-Architekten Max Dudler abends zu illuminieren, geht auf Markus Bastian, den Geschäftsführer der DSR Veranstaltungstechnik, zurück, der bis Juni 2016 Dienstleistungspartner der Stadthallen GmbH war. Auch den riesigen Adventskranz mit vier Kerzen, deren Flammen im Wind flackern, hat er initiiert und zusammen mit seinem Team und den Stadthallen-Technikern umgesetzt. Petra Roser habe sich damals, im ersten Stadthallen-Jahr, eine stimmungsvolle Weihnachtsbeleuchtung gewünscht, erinnert sich Bastian. Und weil die schmächtigen Schnurbäume im Bürgerpark zu fragil gewesen seien, um Lichterketten zu tragen, kam Bastian der Gedanke, der Hallenfassade mithilfe von 2.000 LEDs eine Adventskranzoptik zu verpassen.
Anfangs habe die Stadthalle das nötige Equipment von ihm gemietet, später gekauft. Gekauft deshalb, sagt Markus Bastian, weil die Reaktion von Publikum und Passanten auf die Ambientebeleuchtung und die nächtliche Anmutung der zuvor als zu trist kritisierten Hallenfassade so positiv gewesen sei.
Architekt nicht begeistert
Der auf Schlichtheit bedachte Architekt war nicht begeistert. Weder von den Scheinwerfern, die in jedem Fenster stehen, noch von den anfangs provisorisch verlegten Kabeln, noch – so wird kolportiert – vom »Stimmungslicht« an sich. Bei einem Rundgang mit Architekturstudenten meinte Dudler zähneknirschend, solche Dinge seien eben der Tatsache geschuldet, dass es sich um eine multifunktionale Halle mit einem breit gefächerten Veranstaltungsangebot handle.
Inzwischen ist »alles so verlegt und verkabelt, dass es so aussieht, als sei es immer so geplant gewesen«, beschwichtigt Markus Bastian, einschließlich durchgehender LED-Leisten an den Wänden: »eine Sonderanfertigung«. (GEA)