REUTLINGEN. »Geschichte wird von Menschen unterschiedlich erlebt«, sagte Eva Bissinger, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Heimatmuseum. Die Ausstellung »Kriegsende! Kriegsende? – Reutlingen nach 1945«, die ab dem heutigen Samstag bis 3. Oktober im Heimatmuseum zu sehen ist, macht deutlich, dass das Ende des Krieges und der Wiederaufbau der Stadt zahlreiche Facetten hatten. Mit Objekten, Fotografien und Texten aus Tagebüchern und Briefen wird die unmittelbare Nachkriegszeit in der Achalmstadt sichtbar, die Unsicherheit, existenzielle Not, aber auch die Aufbruchsstimmung der Menschen werden nacherlebbar.
Antworten auf viele Fragen
Am 8. Mai 1945 endete mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht der Zweite Weltkrieg in Europa. Bereits 18 Tage zuvor hatten französische Truppen Reutlingen besetzt. Für die Reutlinger endeten die Kriegshandlungen also schon am 20. April 1945. Wie haben die Menschen diese Zeit erlebt? Was waren ihre Sorgen, Nöte, Hoffnungen? Geplant war, die Ausstellung bereits im vergangenen Jahr im Heimatmuseum zu eröffnen. »Dann kam Corona«, sagte gestern Verwaltungs-, Kultur- und Sozialbürgermeister Robert Hahn beim Pressegespräch. Immer wieder musste die Ausstellung pandemiebedingt verschoben werden. »Jetzt wollten wir sie endlich an die Frau und an den Mann bringen«, sagte Robert Hahn. Aber erst die gesunkene 7-Tages-Inzidenz machte eine Öffnung der Museen möglich. »Bei älteren Besuchern dieser Ausstellung werden viele Erinnerungen aufleben«, sagte Robert Hahn.
In den letzten Kriegsmonaten hatte die Bevölkerung drei schwere Bombenangriffe erlebt. Viele Gebäude waren zerstört, über 400 Menschen hatten ihr Leben verloren. Rund 3 300 Männer waren gefallen oder vermisst.
In Konzentrationslagern oder Euthanasieanstalten waren mehr als 100 Reutlinger ermordet worden. Im Sommer 1945 befanden sich ungefähr 4 400 Evakuierte in Reutlingen und über 1 800 ehemalige Zwangsarbeiter, die auf Rückkehr in ihre Heimat warteten.
»Wir waren uns bewusst, dass es ein schwieriges Thema ist«, sagte Eva Bissinger, die die Ausstellung mit Dr. Martina Schröder und Bianca Martin konzipiert hat. Um die vielen Facetten dieser Zeit sicht- und begreifbar zu machen, wurde die Ausstellung in Kapitel gegliedert. Wie stand es um Politik und Verwaltung? Wie kam die Bevölkerung mit den Entbehrungen im Alltag zurecht? Wie sah das Stadtbild aus, wie kam der Wohnungsaufbau in Schwung? Wie erholten sich Wirtschaft und Gewerbe, wie stand es um Kultur und Freizeit? Auch an die Opfer des Nationalsozialismus – Menschen jüdischen Glaubens, Sinti und Roma, sogenannte »Fremdarbeiter«, politisch Andesdenkende, Vertriebene, Flüchtlinge – gedenkt die Ausstellung.
Fotos zentrale Bestandteile
Objekte aus dem Bestand des Heimatmuseums, aus dem Kunstmuseum, dem Stadtarchiv sowie Leihgaben aus dem Stuttgarter Haus der Geschichte sind ebenso zentrale Bestandteile wie Fotos aus dem Stadtarchiv der Reutlinger Fotografen Peter Dohm und Carl Näher.
Die beiden Fotografen betrieben seit den 1920er-Jahren eigene Fotoateliers und fertigten nicht nur klassische Studioaufnahmen an, sondern hielten auch das Geschehen in der Stadt mit der Kamera fest. In ihren Nachlässen gibt es über 85 000 Fotos, die eindrücklich die ersten Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der Stadt dokumentieren. »Die Auswahl der Fotos war nicht einfach, aber es war spannend«, sagte Eva Bissinger. (GEA)
EINTRITT NUR MIT TEST
Das Museum darf nur bei Vorlage eines negativen Corona-Testergebnisses, das nicht älter ist als 24 Stunden, eines Impf- oder Genesenennachweises betreten werden. Besucher müssen darüber hinaus eine medizinische Maske oder eine FFP2-Maske tragen. Um einen Besuch der Ausstellung oder einer Führung in der Ausstellung mit Voranmeldung zu ermöglichen, wurde ein Online-Ticketverkauf eingerichtet. Karten können auch an der Museumspforte erworben werden. Bis nächste Woche soll es auch einen virtuellen Rundgang durch die Ausstellung geben.
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