REUTLINGEN. Die Kindertagespflege ist im Kreis Reutlingen so beliebt, dass sie an ihre Grenzen stößt. Jede Tagesmutter oder jeder Tagesvater darf bis zu fünf Kinder gleichzeitig betreuen – derzeit liegt die durchschnittliche Betreuungszahl pro Person bei 4,2 Kindern und damit so hoch wie noch nie. »Wir sind praktisch voll belegt«, sagte die Geschäftsführerin des Tagesmütter-Vereins Reutlingen bei der Hauptversammlung, »denn es gibt natürlich auch Tagesmütter und -väter, die nur zwei oder drei Kinder aufnehmen.«
Wegen der faktischen Vollbelegung hat der Verein im vergangenen Geschäftsjahr (1. März 2018 bis 28. Februar 2019) die Anzahl der betreuten Kinder nur leicht, um 19 Jungen und Mädchen auf jetzt 1 308 Kinder, steigern können. So ist die Gewinnung neuer Tagesmütter und -väter derzeit ein Schwerpunkt.
»Gehört zu den Vorreitern für innovative Betreuungskonzepte«
Um den Beruf noch bekannter zu machen und mehr Frauen und Männer für die selbstständige Tätigkeit gewinnen zu können, hat der Verein deshalb seinen Auftritt in der Öffentlichkeit neu gestaltet, die Homepage neu aufgesetzt und will künftig beispielsweise an Bushaltestellen und im Kino werben.
Ein weiterer Nebeneffekt der Vollbelegung ist, dass es schwieriger wird, verlässliche Vertretungslösungen anzubieten. Was passiert beispielsweise, wenn eine Tagesmutter erkrankt? Wie lässt sich für die Eltern eine verlässliche Kinderbetreuung anbieten, die im Einklang mit gesetzlichen Vorgaben ist? Diese Fragen wurden von den Vereinsmitgliedern bei der Hauptversammlung diskutiert. Lösungen für die Vertretungsproblematik zu erarbeiten ist eine Aufgabe, die sich der Tagesmütter-Verein im kommenden Jahr stellt: »Wir werden einen Schwerpunkt darauf setzten, neue Konzepte für Vertretungslösungen zu entwickeln«, sagte Geschäftsführerin Anne Mack.
Neue Wege in der Kindertagesbetreuung und der Ausbildung von Tagespflegepersonen ist der Tagesmütter-Verein im Rahmen des Bundesprogramms »Weil die Kleinsten große Nähe brauchen« gegangen. Dieses Programm, das seit 2016 lief, wurde im vergangenen Jahr erfolgreich abgeschlossen. Mithilfe der Fördermittel hat das Kreisjugendamt Reutlingen für den Landkreis ein Konzept zur Inklusion in der Kindertagespflege erarbeitet, das landesweit beispielgebend ist.
Zugleich wurde die Ausbildung von Tagesmüttern und -vätern weiter professionalisiert. Im Rahmen des Bundesprojekts erhöhte sich der Umfang der Ausbildung von 160 auf 300 Unterrichtseinheiten. »Der Tagesmütter-Verein gehört damit bundesweit zu den Vorreitern für innovative Betreuungs- und Ausbildungskonzepte«, lobte Prof. Dr. Petra Groß-Kosche. Der Verein hofft, auch im kommenden Jahr am Nachfolge-Projekt teilnehmen zu können.
Als anerkannter Träger der freien Jugendhilfe ist der Tagesmütter-Verein vom Landkreis Reutlingen beauftragt, das gesamte Spektrum der Kindertagespflege (0 bis 14 Jahre) abzudecken. Von Informationsangeboten über die Beratung und Vermittlung, bis hin zur Qualifizierung und Fortbildung bietet er in seiner Geschäftsstelle in Reutlingen und in seinen zwei Außenstellen im Landkreis seit über 45 Jahren seine Dienste an. (pr)