Logo
Aktuell Verkehr

Reutlinger Tunnel ist nur noch theoretisch ein Bunker

Einst diente der Tunnel unter der Rommelsbacher Straße in Reutlingen als Bunker. Wäre er heute noch einsatzfähig?

REUTLINGEN. Sirenen heulen, Bomben schlagen ein, Menschenmengen geraten in Panik – ein schreckliches Kriegsszenario. Was tun, wenn man gerade unterwegs ist, wenn der Feind angreift? Im Rahmen unserer Aktion »Leser Fragen« will ein User der GEA-Instagramseite von der Redaktion wissen: »Gibt es noch Bunker im Landkreis Reutlingen«? Zunächst die kurze aber eindeutige Antwort vonseiten des Landratsamts: »Der Landkreis verfügt über keine aktiven Schutzräume.«

In der Stadt Reutlingen gab es früher mehrere öffentliche Bunker, die im Notfall Schutz bieten sollten. Unter anderem das Untergeschoss der Volkshochschule, das heute das Aktenarchiv beherbergt, war als Bunker zugelassen. Ein deutlich größerer Schutzraum war der vierspurige Tunnel in der Rommelsbacher Straße, in dem 2 750 Menschen in Sicherheit gebracht hätten werden können, weiß Harald Herrmann. Der ehemalige Kommandant der Reutlinger Feuerwehr hat die Errichtung des Tunnel-Bunkers zu Beginn seiner Amtszeit erlebt und war jahrelang für die Verwaltung der Anlagen zuständig.

»Im Kalten Krieg in den 80er-Jahren wurde vom Bund der Bau von Schutzräumen gefördert. Nach dem Kalten Krieg wurde die Bezuschussung weitgehend wieder heruntergefahren«, sagt er. Im Falle einer militärischen Auseinandersetzung hätte die Herrichtung des Bunkers nicht von jetzt auf gleich über die Bühne gehen können. Ein großer Aufwand wäre allein das Schließen der Stahltore gewesen. Sie sind 30 Zentimeter dick und 50 Tonnen schwer. Bodenplatten hätten rausgehoben werden müssen. Die Tore wären mit einer Hydraulikanlage ausgefahren worden. Das hätte drei bis vier Stunden in Anspruch genommen.

Das Technische Hilfswerk (THW) sei für den Schutzraumbetriebsdienst zuständig gewesen, erläutert Herrmann. Die THW-ler hätten im Fall der Fälle dafür gesorgt, dass alles in Ruhe und Ordnung abläuft. Ersthelfer wären so vor Ort gewesen. Hätte man auch seine Haustiere mitnehmen dürfen? »Dafür gab es keine Vorgaben«, so Herrmann.

Bei Atomkrieg wäre der Tunnel nicht geeignet gewesen

Zum Schutz vor einem wochenlangen Angriff oder gar einem Atomkrieg wäre der Tunnel nicht geeignet gewesen. »Der Bunker war dazu gedacht, Menschen, die zum Beispiel während eines Luftangriffs in der Umgebung unterwegs sind, Schutz zu bieten. Grundsätzlich sollten die Leute zuhause bleiben und in ihre Keller gehen«, erläutert der ehemalige Feuerwehr-Kommandant.

Neben dem 311 Meter langen Tunnel befindet sich ein Lagerraum. Darin war nur das Nötigste verstaut. Inzwischen ist alles entsorgt worden: etwa 20 Feldbetten, Verbandsmaterial, Hocker, ausklappbare Toiletten, eine Küche mit zwei Herdplatten, ein Waschbecken. Eine Heizung war nicht nötig. Die Körperwärme der Menschen im Tunnel hätte ausgereicht. Zudem gab es weder einen Lebensmittel- noch einen Wasservorrat. Schließlich sollte der Aufenthalt nur von kurzer Dauer sein.

Keine Wartung mehr an Anlagen

Vom Hydranten am Tunnelmund hätte man im Notfall über Übergangsstücke eine Wasserleitung legen können. Das hätte jedoch einen Vorlauf von Tagen gebraucht, erläutert Harald Herrmann. Die Luftfilteranlage mit Sandfilter und einem Aktivkohlefilter ist noch vorhanden. Sie wurde aber seit Jahrzehnten nicht mehr gewartet. Könnte man den Bunker wieder aktivieren? »Die Stahltore sind ja noch da. Die Schienen müssten davor jedoch gereinigt werden. Sie wurden jahrelang nicht bewegt«, sagt Harald Herrmann. Zudem müsste die Ausstattung angeschafft und die Anlagen instand gesetzt werden.

Leserfragen: Welches Thema bewegt Sie aktuell?

Welches Thema bewegt Sie aktuell? Was wollten Sie schon immer einmal über Reutlingen und die Region wissen? Im neuen Format »Leserfragen« haben Sie die Möglichkeit, all diese Fragen per E-Mail an leserfragen@gea.de zu stellen. Unter den Einsendungen wählt die Redaktion wöchentlich eine aus und beantwortet sie jeweils am Dienstag - in der gedruckten Ausgabe, auf der GEA-Webseite und auf den Social-Media-Kanälen des GEA. (GEA)

Für all das bräuchte man mindestens einen Vorlauf von sechs bis acht Wochen, schätzt der Fachmann. Die Zeit der öffentlichen Bunker ist, Stand heute, vorbei: »Der Landkreis hat 2010 in einer Allgemeinverfügung alle Schutzräume entwidmet«, weiß Herrmann. (GEA)