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Reutlinger Pflegeheime kritisieren neue FFP2-Maskenpflicht

Gefeiert wird die neue Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske in den Pflegeheimen in Reutlingen und der Region keineswegs. Von Gewöhnungeffekt ist bestenfalls die Rede. Und es gibt Forderungen nach besseren Regeln.

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FFP2-Maske oder keine? Am neuen Infektionsschutzgesetz, das allen Menschen in Pflegeheimen vorschreibt, eine solche Maske zu tragen, gibt es Kritik. Foto: Murat/dpa
FFP2-Maske oder keine? Am neuen Infektionsschutzgesetz, das allen Menschen in Pflegeheimen vorschreibt, eine solche Maske zu tragen, gibt es Kritik.
Foto: Murat/dpa

REUTLINGEN. Seit diesem Monat schreibt das neue Corona-Infektionsschutzgesetz vor, dass alle Menschen in Pflegeheimen eine FFP2-Maske tragen müssen. Das gilt also nicht nur für Besucher, sondern auch für Mitarbeiter, Pflegekräfte und gleichzeitig für die Bewohner. Doch gerade mit Blick auf die betreuten älteren Menschen wird diese Maskenpflicht auch in den Reutlinger Pflegeheimen zunehmend kritisch gesehen.

So sagt der Geschäftsführer der Reutlinger Altenhilfe (RAH) Timo Vollmer: »Diese Maskenpflicht für die Bewohner geht an der Realität vorbei.« Er begründete das unter anderem damit, dass die Menschen in den Pflegeheimen in der Regel über 80 Jahre alt seien und in ihrer Kommunikation ohnehin schon eingeschränkt seien. Eine Maske würde sie nur noch mehr behindern: »Wir haben viele Schwerhörige unter den Bewohnern, da wird das Sprechen mit Maske zu einem echten Problem.« Er betonte, dass die Maskenpflicht bei den alten Menschen als Eingriff in ihre Privatsphäre betrachtet würde. »Die haben bei uns ein privates Leben. Die betrachten das Leben in ihren Zimmern, Wohnungen und Gemeinschaftsräumen als privat und persönlich.« Der Kontakt zu den anderen Bewohnern und Freunden im Heim sei durch die Maske gestört, die Maskenpflicht deshalb auch nur schwer durchzusetzen: »Die alten Menschen wollen sie nicht. Sie stößt auf großes Unverständnis«, so Timo Vollmer.

Maske für Personal kein Problem

Die Maskenpflicht für Besucher und das Personal sei dagegen kein Problem. Alle würden die Maske tragen, »weil sich ja niemand anstecken und krank werden will.« Die Pflegekräfte tragen ihre FFP2-Masken auch deshalb, weil sie die Bewohner schützen wollten.

Zudem seien so gut wie alle Bewohner mittlerweile vierfach gegen Corona geimpft. Bei manchen stünde bald sogar die fünfte Impfung gegen die Omikron-Variante an. Sie gehörten nahezu alle der Risikogruppe der Menschen über 80 Jahre an und hätten auch kein Problem damit, sich impfen zu lassen. Sie hätten somit den größtmöglichen Schutz: »Mehr als 95 Prozent unserer Bewohner sind zumindest grundimmunisiert.«

Vollmer schlägt neue Regelungen vor, die mehr individuelle Lösungen in den einzelnen Pflegeheimen möglich machen: »Wir brauchen eine adäquate Risikoabschätzung vor Ort«, fasst er es zusammen.

Die Reutlinger Altenhilfe hat jetzt sogar einen mehrseitigen Protestbrief an Gesundheitsminister Karl Lauterbach geschickt, in dem die Probleme mit der die Maskenpflicht kritisiert und die Situation in den Pflegeheimen beschrieben werden. Darin steht unter anderem auch: »Hinzukommt, dass diese Regelung (die Maskenpflicht) eine massive Verschärfung der Maßnahmen darstellt«. Selbst zu Beginn der Coronakrise, als die Einrichtungen geschlossen waren, war das nicht gefordert.

Probleme bei Schwerhörigen

Vollmer ist mit seiner Kritik nicht alleine. Auch der Pflegeschutzbund BIVA fordert, die Maskenpflicht für Bewohner von Pflegeheimen innerhalb ihres Wohnbereiches aufzuheben. Die Interessensvertretung für Pflegebetroffene argumentiert: »Die Pflegeheimbewohnerinnen- und bewohner leben dauerhaft in ihren Einrichtungen. Es ist ihr Zuhause. Sie sind anders zu behandeln als Patienten im Krankenhaus.« Der Verbandsvorsitzende Manfred Steeger kritisierte das neue Infektionsschutzgesetz scharf: »Wie sprechen dabei von der Mehrzahl der Pflegeheimbewohner, die nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Man hätte sie ebenso gut wieder auf ihren Zimmern einsperren können wie zu Beginn der Pandemie – ich dachte, das hätten wir überwunden.«

In den 15 Pflege- und Fachpflegeheimen mit rund 750 Pflegeheimplätzen der Bruderhausdiakonie Reutlingen wird die neue FFP2-Maskenpflicht für Mitarbeiter in der Pflege und Betreuung nach eigenen Angaben verpflichtend umgesetzt. Schriftlich teilt die Bruderhausdiakonie mit: »Hier gibt es aktuell keinen Gestaltungsspielraum. Basierend auf dem Infektions- und Arbeitsschutz ist ein Arbeiten nur mit FFP2-Maske gestattet.«

Bei den Bewohnern der Pflegeheime sieht es etwas anders aus. So heißt es: »In ihren Zimmern tragen die Bewohnerinnen und Bewohner keine Maske. Ebenfalls tragen sie in Räumen, wo sie sich tagesgestaltend aufhalten, in der Regel keine Maske, beispielsweise im Aufenthaltsbereich der Wohngruppe.«

Offenbar wird auch Rücksicht auf den jeweiligen Gesundheitszustand, mögliche Einschränkungen oder Behinderungen bei den Senioren Rücksicht genommen. So gebe es beispielsweise bei Menschen mit Demenz oder mit Schwerhörigkeit Kommunikationserschwernisse. Insgesamt hätten sich aber die Bewohner überwiegend an das Tragen der Maske gewöhnt.

Weiter wurde mitgeteilt: »Einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen durch das ständige Tragen einer Maske Probleme beim Atmen oder spüren Reizungen der Haut.« 90 bis 95 Prozent aller Pflegekräfte seien vollständig geimpft beziehungsweise immunisiert.

Bei den Senioren liegt die Impfquote noch höher: »In unseren Pflegeheimen sind nahezu alle Bewohnerinnen und Bewohner gegen Covid-19 geimpft«, sagte eine Sprecherin der Bruderhausdiakonie.

Für Besucher der Pflegeeinrichtungen gelten weiterhin strenge Zugangsregeln. So ist das Tragen einer FFP2-Maske ebenso vorgeschrieben wie ein aktueller Schnell- oder PCR-Test. Die Bruderhausdiakonie weist darauf hin, dass in ihren Pflegeheimen Schnelltests vor Ort gemacht werden können. (GEA)