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Reutlinger leidet unter »Telefonterror«: Was man dagegen unternehmen kann

Ein 87 Jahre alter Mann aus Reutlingen wird mehrmals täglich gegen seinen Willen angerufen: Er berichtet von »aggressiver« Werbung, »betrügerischen« Gewinnspielen und Meinungsumfragen. Es gibt mehrere Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich gegen »Telefonterror« zu wehren.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich gegen »Telefonterror« zu wehren. Foto: dpa
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich gegen »Telefonterror« zu wehren.
Foto: dpa

REUTLINGEN. Der »Telefonterror« bringt ihn an den Rand der Verzweiflung. »Bis zu sechs Mal am Tag werde ich angerufen«, erzählt ein 87 Jahre alte Reutlinger. Er berichtet dabei von »aggressiver« Werbung, »betrügerischen« Gewinnspielen und Meinungsumfragen. »Jahrelang geht das schon so. Und jedes Mal erschrecke ich mich«, sagt der schwerbehinderte und bettlägerige Mann. Er will unerkannt bleiben, weil er befürchtet, dass ansonsten die Zahl der Anrufe zunimmt. Weil er nicht nur sich selbst, sondern auch anderen Betroffenen helfen will, wendet er sich an den GEA und fragt: »Was kann man dagegen unternehmen?«

Der 87-Jährige hat selbst schon Versuche unternommen, den »Telefonterror« zu beenden. Vor zwei Jahren hat er seine Nummer aus dem Telefonbuch streichen lassen. »Gebracht hat es nichts. Die Nummer steht ja noch in den älteren Versionen.« Bei verdächtigen Nummern aus dem Ausland hat er nie abgehoben und sich stattdessen die Nummer notiert. Vor kurzem ist er mit seinem Problem und seinen Notizen dann zur Polizei gegangen, um Anzeige zu erstatten.

 

Die Möglichkeiten der Behörde sind jedoch beschränkt. Wenn der Anruf nicht entgegengenommen wird, »handelt es sich vermutlich um strafrechtlich noch nicht relevante Vorbereitungshandlungen zu der eigentlichen Straftat«, sagt Johannes Pfeffer, Pressesprecher der Reutlinger Polizei. »Der strafbare Betrugsversuch beginnt, wenn der Anrufer seinem Opfer etwas vorgaukelt, um an dessen Vermögen zu kommen.« Erlangt der Täter tatsächlich Geld oder Wertsachen, ist der Betrug vollendet. »In beiden Fällen nimmt die Polizei die Anzeigen auf und ermittelt.«

Aber selbst wenn die Polizei sich der Sache annimmt, sind die Erfolgsaussichten gering. »Die an die angerufenen Bürger übermittelten Telefonnummern entsprechen in den meisten Fällen nicht den tatsächlichen, von den Tätern verwendeten Telefonnummern«, klärt Pfeffer auf. Diese würden von den zumeist im Ausland befindlichen Personen manipuliert und dadurch verschleiert. »Hieraus ergeben sich nur wenig, bis keine Ermittlungsansätze«, so der Polizei-Sprecher. Auch Anfragen bei ausländischen Providern führen fast immer ins Leere.

Verdächtige Nummern in Internet-Portal gelistet

Eine Betrugsmasche ist neben den bekannten Enkeltricks, Schockanrufen und falschen Gewinnversprechen der sogenannte Ping-Call. Dabei klingelt das Telefon nur ein- oder zweimal, dann legt der Anrufer auf. Die meistens im Ausland sitzenden Betrüger wollen damit einen Rückruf erzwingen, der dann mindestens drei Euro pro Minute kostet. Der Mimikama-Verein zur Aufklärung über Internetmissbrauch rät bei verdächtigen Anrufen, die Nummer beim Online-Portal Tellows einzugeben. Dort werden unseriöse Nummern von Nutzern gemeldet und aufgelistet, welchen Zweck sie verfolgen.

Wenn unseriöse Unternehmen Bürger ohne deren Einwilligung immer wieder mit Werbeanrufen oder Telefon-Gewinnspielen nerven, ist das eine »unzumutbare Belästigung«, die gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstößt. Auf keinen Fall sollte man solch eine Einwilligung erteilen, empfiehlt die Verbraucherzentrale: »Am besten einfach wieder auflegen!«

Bundesnetzagentur ermöglicht Beschwerden

Wer keine Einwilligung gegeben hat, aber trotzdem weiter von Anrufen belästigt, sollte sich an die Bundesnetzagentur wenden, empfiehlt der Reutlinger Polizei-Pressesprecher Pfeffer. Die Bundesbehörde kann gegen Betreiber Bußgelder verhängen und Rufnummern abschalten. Beschweren können sich Betroffene über ein Online-Formular auf der Webseite der Bundesnetzagentur oder per E-Mail an rufnummernmissbrauch@bnetza.de.

Darüber hinaus gibt es auch technische Schutzmöglichkeiten. Bei den meisten Telefonen mit Rufnummernanzeige oder Handys können Nutzer Nummern selbst sperren. Die Anrufe werden dann nicht mehr durchgestellt. Dies funktioniert auch über die Einstellungen von DSL-Routern, wenn diese für Anrufe genutzt werden. Auch besteht die Möglichkeit, alle eingehenden Anrufe zu sperren, bei denen die Rufnummer unterdrückt, also gar nicht anzeigt wird. »Anonyme Anrufe« können auch über die Telekommunikationsdiensteanbieter gesperrt werden, informiert die Bundesnetzagentur.

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Im manchen Internetforen wird empfohlen, sich mit einem Pfiff in einer Trillerpfeife unerwünschte Anrufer abzuschrecken. Davon raten Juristen allerdings dringend ab. Der Anrufer könnte dadurch ein Lärmtrauma erleiden und selbst Anzeige wegen Körperverletzung erstatten.

Als letzter Ausweg bliebe noch, sich bei seinem Telefonanbieter eine neue Nummer zuzulegen. Diesen Weg scheuen allerdings die allermeisten, da dieser mit einem enormen Aufwand verbunden wäre. (GEA)