REUTLINGEN. Fünf Minuten, um den Spannungsbogen aufzubauen, fünf Minuten, um den Leser in den Bann zu ziehen, fünf Minuten bis zum lauten PENG! Die alljährliche Reutlinger Kriminacht von Syndikat, Reutlinger General-Anzeiger, Verlag Oertel+Spörer und Hitradio Antenne 1flackerte am Samstagabend über den Bildschirm. Die zwölfte Auflage – coronabedingt zum zweiten Mal als Livestream – bot zehn Autoren vom Verlag Oertel+Spörer sowie dem Syndikat auf, für die Mord zum Geschäft gehört. Die sorgfältig ausgewählten Passagen waren blutig, humorig, frech, mit Lokalkolorit versetzt und vor allem: ungeheuer spannend. »Ein Wechselbad der Gefühle«, so versprach es Moderatorin Nadja Gontermann von Hitradio Antenne 1.
Lässig im Sessel sitzend schickte Thomas Lang seinen Stuttgarter Ermittler Winkin in die Schwemme in Cannstatt und ließ ihn dort auf »die harten Jungs am Lagerfeuer« treffen. »Mega spannend« lautete da der Kommentar eines Zuschauers. Martin Sowa ging auf in dem blutigen Duell zwischen einem Fridays-for-Future-Aktivisten und einem Rechtsradikalen, sodass die Bühnendeko kurzzeitig in Gefahr geriet, einen Faustschlag oder Fußtritt abzubekommen.
Von Nervosität war nichts zu spüren, sobald die Autoren das Studio betraten und sich den Fragen der lockeren Moderatorin stellten. »Obwohl es im Inneren brodelte«, wie Autorin Mareike Fröhlich verriet. Hinter den Kulissen ist die Anspannung dann doch zu spüren. Die Laune ist gut, während die wartenden Autoren den Livestream im Aufenthaltsraum verfolgen. So schauen sie sich noch den ein oder anderen Kniff ab, zum Beispiel wie sie sich galant seitlich vorbei um das stehende Mikrofon auf den Sessel manövrieren, um sich auf diesem auf der vorderen Kante niederzulassen – zum besseren Lesen.
Die Zuschauer werden so von Axel Ulrich nach Kolumbien mitgenommen und erleben die harten Bandagen des »Drecksgeschäfts« der Geldwäsche, sie geraten mit Maribel Añibarro inmitten eines Auftragsmords einer Assassine, und machen an einem Leichenfundort mit Ruth Edelmann-Amrheins Protagonistin Theodora Bekanntschaft, die nicht nur ihren neuen Kollegen nicht leiden kann, sondern es auch noch mit einem Engel des Todes zu tun bekommt. Und der aus Österreich ins Studio zugeschaltete Günther Zäuner stellt den Leser an die Seite Kokoschansky, der einen durch Corona ausgelösten Rachefeldzug gegen die asiatische Community aufklären muss.
Immer wenn der Atem gerade vor Spannung stockt, macht es »PENG!« Nicht nur der Zuhörer erschrickt. Maria Stich war so vertieft in ihre Geschichte, dass sie beim Peng im Ohrensessel hochschreckt. Was passiert nun mit dem Mönch, der im Begriff ist, mit dem Gesicht voran in den Besteckkorb mit den spitzen Messern zu fallen? Und warum ruft der Freund von Mareike Fröhlichs Protagonistin so auffällig laut, dass er ein Foto machen wird, während sie mit dem Rücken zum Abgrund eines Aussichtspunktes in der kanadischen Wildnis steht. Wie reagiert Kommissar Brandners Adoptivtochter auf den Tod der Mutter, den Autorin Sybille Baecker ihre gerade überbringen will? Und schließlich: auf welche mysteriöse dunkle Gestalt trifft Mitveranstalter und Krimiautor Veit Müllers neuer Charakter Nick de Winter in einer Gewitternacht mit gezückter Pistole in seinem Office? Für diese offenen Fragen gibt es nur eine Lösung: selber lesen.
Auch, wenn die Reutlinger Kriminacht nicht wie geplant im bereits ausverkauften Oertel+Spörer-Saal am Burgplatz stattfand, hat der kurzfristig ins Studio verlegte Abend die Krimiliebhaber bestens unterhalten. Die Zuschauer ließen die Autoren im Studio wissen: »Auch online super!« Das auf die Studiobildschirme geschickte Lob reichte von »Tolles Niveau« über »wow, richtig tolle Bücher« bis hin zu »Zugabe! Einfach spannend! Schön lebhaft erzählt«. Auch in anderer Hinsicht war die Reutlinger Kriminacht, die musikalisch von der zum Anlass des Abends umbenannten GEA-Band »Deadline« begleitet wurde, ein Erfolg.
Die Benefizveranstaltung unterstützte dieses Jahr die »Mobile Jugendarbeit«, ein Projekt der gemeinnützigen GmbH »Hilfe zur Selbsthilfe«. Dieses Projekt ist ein Angebot für Jugendliche zwischen 14 und 27 Jahren, die sich in einer schwierigen Lebenssituation befinden und von den herkömmlichen Angeboten der Jugendarbeit und Jugendhilfe nicht oder nur ungenügend erreicht werden. Mit dem Ticketverkauf, der Spende in Höhe von 300 der Kreissparkasse Reutlingen und den Livespenden am Abend kamen 2265 Euro zusammen. (GEA)
Die Bücherliste zur 12. Reutlinger Kriminacht gibt es unter www.gea.de/kriminacht