REUTLINGEN. Wer hatte denn nun Recht mit seinen Schilderungen vor dem Reutlinger Amtsgericht: Der 51-jährige Bauunternehmer, der einen Fliesenleger als Subunternehmer beschäftigt hatte? Oder eben dieser Fliesenleger, der für seine mehr als drei Monate dauernde Tätigkeit einen Lohn von rund 30 000 Euro geltend macht – die er aber nie erhalten habe?
Mit der Arbeit unzufrieden
Der Bauunternehmer sagte am Mittwoch vor dem Schöffengericht in Reutlingen aus, dass der Subunternehmer für gigantischen Pfusch am Bau gesorgt habe. Bei zwei seiner Kunden sei ein Schaden von insgesamt 100 000 Euro entstanden. So etwa an einem Gebäude, an dem der Subunternehmer große Fliesen im siebten Stock außen an der Fassade anbrachte – die aber schnell wieder der Schwerkraft gefolgt und in den Abgrund geflogen seien.
Der Grund, warum der Fall am Ende vor dem Reutlinger Amtsgericht landete, war aber ein anderer: Am 26. Februar verabdredeten sich die beiden Kontrahenten an einer Tankstelle In Laisen. Dort angekommen, ging der Bauunternehmer auf den bereits wartenden Fliesenleger zu, versetzte ihm einen Faustschlag, zog dann ein Messer und versetzte dem Mann zwei Stiche unterhalb der linken Schulter, mit einer mit einer Tiefe von 5,3 Zentimeter. Lebensbedrohlich sei das nicht gewesen, sagte eine Ärztin aus, die das Opfer im Krankenhaus behandelt hatte. Aber: Potenziell lebensgefährlich hätten solche Stiche durchaus sein können, so die Sachverständige.
Zeugen hatten das Geschehen an der Tankstelle beobachtet. Sie erklärten, dass der Fliesenleger mehrfach über das Gelände der Tankstelle geflüchtet, dann aber wieder auf den Täter zugegangen sei – und ihn dabei gefilmt habe. »In dem Moment war sich der Geschädigte der Verletzung wohl gar nicht bewusst«, sagte ein sachbearbeitender Kriminalhauptkommissar als Zeuge vor dem Amtsgericht.
In der Tankstelle hatte in der Zwischenzeit jemand die Polizei gerufen, die auch schnell vor Ort war, den Täter mitnahm und den Geschädigten ins Krankenhaus beorderte. Dort wurde er versorgt, genäht und nach zwei Tagen wieder entlassen.
Täter fühlt sich bedroht
Der jetzt angeklagte Bauunternehmer erzählte , dass der Fliesenleger ihn beleidigt, bedroht – und auch die Radmuttern an seinem Auto gelöst habe. Nur mit viel Glück hätten sich Räder an dem Fahrzeug nicht gelöst. Als er realisiert habe, wer hinter der Manipulation am Auto steckt, seien bei ihm die Sicherungen durchgebrannt, sagte der Angeklagte. Er habe sich mit dem Fliesenleger an der Tankstelle verabredet, mit bekanntem Ende. Nun fühlt er sich offenbar selbst in Gefahr: »Ich bin nach Niederbayern gezogen, damit ich diesem Mann nie mehr begegne.« Nicht nur ihn, sondern auch seine Frau und sogar das Kind seines Bruders im Kosovo habe der Fliesenleger bedroht.
Dabei hat der Bauunternehmer selbst einiges auf dem Kerbholz: Sein Vorstrafenregister, das Richter Eberhard Hausch verlas, war lang. Es enthält Taten wie gemeinschaftlichen Diebstahl ebenso wie Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, mehrfaches Fahren ohne Führerschein und auch Körperverletzung. Zu früheren Haftstrafen kam nun eine weitere mit zweieinhalb Jahren hinzu. Denn: »Auch wenn der Geschädigte hier nicht gerade hochsympathisch und auch nicht glaubwürdig wirkte – solche Verletzungen hat er nicht verdient«, sagte Hausch in der Urteilsbegründung.
Interessiert hätte ihn und die anderen Verfahrensbeteiligten allerdings schon, was der Geschädigte meinte, als er dem Bauunternehmer per WhatsApp geschrieben hatte, den Streit würden sie auf »die albanische Art« lösen.
Beide, Täter und Opfer, hätten die Möglichkeit gehabt, den Zwist auf »die deutsche Art«, nämlich über die Polizei oder per Klage, beizulegen, so Hausch. (nol)