Der Jugendgemeinderat, das Jugendcafé, Sportangebote – sie alle haben eine Aufgabe: den Jugendlichen in Reutlingen sowohl eine Stimme als auch eine Plattform zu geben. Sogar auf der Reutlinger Homepage heißt es: »Die Stadt Reutlingen hat vieles für Kinder, Jugendliche und Familien zu bieten.« Doch stimmt dieses Versprechen tatsächlich? Erreichen all die Angebote für Jugendliche tatsächlich ihre Zielgruppe und machen das Leben für die jungen Menschen in Reutlingen lebenswerter? Oder geben Einrichtungen wie der Jugendgemeinderat seinen Mitgliedern zwar eine Stimme – die aber nicht gehört wird? Der GEA hat sich zu diesen Fragen unter Jugendlichen umgehört.
Für Henri Brodocz, welcher in diesem Jahr für den Jugendgemeinderat wiedergewählt wurde, ist es zweifellos so. »Ich denke, die Bedürfnisse von Jugendlichen werden in Reutlingen stark vernachlässigt«, erklärt der Siebzehnjährige.
Diese Meinung teilt auch Finja Wilk. Für die Schülerin spiegelt sich dieses Phänomen vor allem im Nachtleben wider. »Gerade im Winter ist es schwer, sich in Reutlingen außerhalb des eigenen Hauses mit Freunden zu treffen. Ich denke, es wäre toll, wenn es hier mehr Möglichkeiten, oder generell mehr Orte für Partys gäbe.«
Für den 17-jährigen Tim Horwarth ist es damit jedoch noch nicht getan: »Ich spreche insgesamt von mehr Abendbeschäftigungen für Jugendliche. Damit meine ich auch Dinge wie Musikevents«, sagt er. Nicht nur das fehlende Nachtleben stört die Reutlinger Jugend. »Was ich problematisch finde, ist das Essensangebot in der Innenstadt«, erklärt Liv Junger. Denn gerade Jugendliche seien darauf angewiesen.
Besonders in der Oberstufe haben die meisten Schülerinnen und Schüler nahezu jeden Unterricht. Restaurants sind für sie oft finanziell oder zeitlich keine Option. »Ich muss zwangsläufig mittags in der Stadt essen. Und im Grunde gibt es dort immer das Gleiche: Pizza, Döner, manchmal noch Nudeln. Das ist weder gesund noch nahrhaft – und definitiv nichts, von dem man sich jeden Tag ernähren kann«, ist sich die 17-jährige Schülerin sicher.
Einen weiteren Kritikpunkt bietet das Stadtbild. »Viele Begegnungsstätten von Jugendlichen sind grau und trist, es ist hier regelrecht eine Verwahrlosung zu erkennen«, beschreibt Henri Brodocz. Dieser Meinung schließt sich auch der sechzehnjährige Jonathan Weiß an. »Ich denke bei diesem Thema vor allem an den ZOB. Viele Jugendliche sind auf den Bus angewiesen, und ich denke, dafür ist dieses Ort ziemlich heruntergekommen.«
Ein Problem, das in dieser Tragweite zweifellos erst in den letzten Jahren aufgekommen ist, ist das WLAN in Reutlingen. Dieses wird für Jugendliche immer wichtiger. »Das WLAN auszubauen, ist meiner Meinung nach ein Schritt, um den man nicht mehr herumkommt. Weil das im Vergleich zu anderen Großstädten in Reutlingen echt eine Katastrophe ist«, meint Tim Horwarth.
Obwohl noch viel getan werden muss, um Reutlingen für die jungen Menschen lebendiger und attraktiver zu machen – es werden auch versöhnliche Worte gefunden. »Natürlich ist nicht alles schlecht. Man sieht deutlich, dass gerade in der letzten Zeit viele Verbesserungsversuche unternommen wurden«, berichtet Henri Brodocz. »Es wird sich von vielen Seiten aus Mühe gegeben. Dennoch reicht es nicht aus: Es muss noch wirklich viel Arbeit in Reutlingen gesteckt werden.« (hlo)