REUTLINGEN. Lederstraße, Gartenstraße oder die alte Trasse der Honauer Bahn am Fuße der Achalm: In Reutlingen nimmt die Diskussion um die Innenstadtstrecke der geplanten Regional-Stadtbahn Neckar-Alb Fahrt auf. Der Zweckverband der Stadtbahn und die Reutlinger Stadtverwaltung haben jüngst die Bürgerbeteiligung eingeläutet, was regen Anklang findet. Der GEA hat die Leserinnen und Leser aufgerufen, im Rahmen eines Leserforums ein erstes Stimmungsbild aus der Stadt abzugeben.
Peter Rall, Reutlingen: Doppelstrategie fahren
Mein Vorschlag ist die Doppelstrategie: Zunächst würde ich die Variante 1 (Lederstraße) weiterplanen und gleichzeitig die Weichen für eine zusätzliche Strecke 3 (Honauer Bahn) als Wiederbelebung stellen. Beide Linien, zeitlich versetzt gebaut (aus finanziellen Gründen) würden sich am Südbahnhof in Pfullingen treffen. Dann kommt es darauf an, wie sich Pfullingen entscheidet – entweder für die alte Bahntrasse oder, vermutlich unrealistisch, die innerstädtische Variante – weiter nach Lichtenstein. Nachdem der Anschluss ab Karlstraße zum Hauptbahnhof noch völlig unklar ist, könnte die Variante 3 (Honauer Bahn) sogar zunächst schneller in Angriff genommen und später um die Variante 1 (Lederstraße) ergänzt werden. Der Bahnkörper ist zumindest noch weitgehend vorhanden. Mit dieser Planung würde den Pendlern von außerhalb Richtung Schwäbische Alb ein schneller Anschluss ermöglicht werden, und die innerstädtische Bewegung inklusive Busanbindungen könnte gut über die Lederstraße verknüpft werden.
Inge Müller, Reutlingen: Wozu überhaupt eine Stadtbahn?
Wozu brauchen wir überhaupt eine Stadtbahn? Es fahren so viele, fast leere Gelenkbusse überall durch die Stadt. Wir hatten ein gutes Straßenbahnnetz, und das musste weichen. Also wozu jetzt eine Stadtbahn? Ich glaube, wenn die Reutlinger gefragt worden wären, wäre die Stadtbahn genauso abgelehnt worden, wie in Tübingen auch.
Detlef Wagner, Reutlingen: Honauer Trasse ist am schnellsten zu realisieren
Meines Erachtens ist die Honauer Trasse am geeignetsten: Sie ist am schnellsten mit dem geringsten Aufwand und mit der geringsten Belästigung von Anliegern und Verkehrsteilnehmern zu realisieren. Sie ist als Einzige für eine wirkliche S-Bahn tauglich, die auch die Albgemeinden schnell erreicht und somit einen Großteil des Pkw-Verkehrs abziehen kann, der sich jetzt noch durch die Orte des Echaztals quält. Ferner ist zurzeit nicht abzusehen, inwieweit die rasante Entwicklung der E-Mobilität eine dichtere und schnelle Erschließung aller Stadtbereiche von Reutlingen, Pfullingen und Eningen mit Zubringerlinien zu den Stadtbahnstationen ermöglicht, beispielsweise mit E-Bussen. Eine Tram über eine der Innenstadttrassen ist ein vergleichsweise langsames und unattraktives Verkehrsmittel, das ebenfalls Buszubringer von und zu den übrigen Ortsteilen benötigt und vielleicht schon während der langen Bauzeit veraltet ist.
Dr. Martin Quack, Reutlingen: Die meisten Fahrgäste mit der Trasse Gartenstraße
Je höher die Fahrgastzahlen der Regionalstadtbahn sind, desto besser für Menschen, Klima und Umwelt. Deshalb bin ich für die Trasse in der Gartenstraße. Dann bleiben uns die wertvollen Bäume in der Lederstraße und an der alten Honauer Bahn erhalten.
Erwin Rieger, Sondelfingen: Auf zwei Trassen einspurig fahren
Ich halte die Varianten Lederstraße und Honauer Bahn für die beiden Besten. Da beide Vor- und Nachteile haben, wäre für mich die Lösung, aus beiden Varianten die Vorteile zu nutzen und die Nachteile zu minimieren. Das heißt: einspurig die Lederstraße Richtung Pfullingen nutzen und einspurig die Honauer Bahn zum Bahnhof Reutlingen. Dadurch muss vielleicht der eine oder andere Baum in der Lederstraße weniger gefällt werden, und die Tragkraft ist bei einer einspurigen Trasse auch kein Problem mehr. Mit der Honauer Bahn schnell zum Reutlinger Bahnhof zu gelangen und dafür die bestehende Trasse zu nutzen, halte ich für eine interessante Idee. Die Gartenstraße halte ich für zu eng und zu störanfällig. Auch wird das Zentrum weiterhin mit den Bussen sehr gut abgedeckt.
Hans Ihm, Sondelfingen: Dieses Projekt wird sich nicht rechnen
Mit Verwunderung muss ich feststellen, dass unsere Gemeinderäte immer noch an einem nicht zu verantwortenden Millionengrab festhalten. Wollen diese Verantwortlichen unsere Kinder und Enkelkinder bis in die Ewigkeit verschulden? Dieses Projekt wird sich nicht rechnen. Eine Bahn von der Alb nach Reutlingen finde ich sehr gut, erstmals gilt sie als umweltfreundlich und zweitens ist sie bereits vorhanden. Mein Vorschlag für den Reutlinger Stadtverkehr: mit eigenen Buslinien in der Leder- und Gartenstraße fahren – aber bitte über Wasserstoff als Alternative zum Strom nachdenken, es fahren heute bereits Lkw mit bis zu 1 000 Kilometer Reichweite.
Christa und Rainer Simon, Reutlingen: Vorteile der Honauer Bahntrasse überwiegen
Wir stimmen für die alte Honauer Bahntrasse. Trotz der Nachteile: größere Entfernung zur Innenstadt und Lebensraum, der für Flora und Fauna verloren geht. Bis der Bau beginnt, wird es eine Einschränkung des Individualverkehrs geben müssen: Ersatz durch autark fahrende Elektro-Shuttles. Vermutlich würde es zwei parallele Ost-West-Trassen auf der Aulberstraße bis zum Weibermarkt und auf der Burgstraße bis zur Hallenbad-Ostseite geben müssen, um die Haupt-Geschäfts-Schwerpunkte zu erreichen. Damit wären auch die Haltepunkte der Bahn definiert. Alle anderen Haltepunkte müssen sich am Pendler- beziehungsweise Schülerverkehr und dem Bedarf der Urlaubs- und Geschäftsreisenden orientieren.
Im Bereich der Endpunkte der Shuttletrassen müssen Parkeinrichtungen möglich sein, um den dann wegfallenden, heutigen Einkaufs-Stadtverkehr aufnehmen zu können. Warteeinrichtungen von Shuttles sind vermutlich am heutigen ZOB vorhanden. Die heutigen Innenstadtparkeinrichtungen können nur noch dem Ver- und Entsorgungsverkehr, wie etwa Packstationen, sowie den Angestellten in der Innenstadt dienen (Zugangsberechtigung über ferngesteuerte Poller). Zum Thema Flora und Fauna: Sie sind in Jahrzehnten des Nichtstuns auf der Honauer Trasse entstanden. Die Bäume werden jedes Jahr größer, die Eidechsen- und Insektenpopulationen konnten sich ungezähmt vermehren. Unabhängig von der Stadtbahndiskussion muss die Bahntrasse gepflegt werden.
Je früher, desto weniger Leben muss zerstört werden. Die Vorteile der Honauer Bahntrasse überwiegen: nur unwesentliche Tief- und Straßenbauarbeiten in der Innenstadt, keine Beeinträchtigungen des Einzelhandels, keine Baumfällarbeiten in der Innenstadt und damit keine Verschlechterung der Luftqualität, enorme Kosteneinsparung durch bereits vorhandene Trasse mit Anbindung an den Hauptbahnhof. Bushaltestellen können während der Bauzeit beibehalten werden. Die Bauzeit würde vermutlich wesentlich kürzer ausfallen.
Burkhard Karnatz, Reutlingen: Neue Trasse durch die Stadt ist nicht tragbar
Warum nutzt man nicht die bestehende alte Honauer Trasse, baut mittendrin einen Bahnsteig, lässt die Bahn dort halten und alle Leute, die in die Innenstadt wollen oder von dort zurück, werden mit Bussen dorthin gebracht! Das würde bedeuten, dass man die eine oder andere Buslinie zu dieser Station umleitet und so einen optimalen Bahnanschluss an die Innenstadt bietet. Es gibt keinen plausiblen Grund, diese Zuleitung von Bussen nicht zu aktivieren. In Merklingen wird genau diese Möglichkeit mit der neuen Bahnlinie Stuttgart–Ulm gerade in die Tat umgesetzt. Eine neue Trasse quer durch die enge Stadt ist in meinen Augen absolut nicht tragbar aus baulicher und vor allem finanzieller Sicht. Dass dort viele Bäume dem Bahnbau zum Opfer fallen, ist nicht tragbar. Ein Haltepunkt in der Reutlinger Oststadt würde zudem den Menschen aus dieser Gegend die Möglichkeit bieten, zu Fuß zur Bahn zu kommen und diese dann eher für eine Fahrt, zum Beispiel zur Arbeit, zu nutzen als das Auto. Ich gehe da mal von einem großen Interesse aus. Dies sollte auch die bevorzugte Aufgabe für eine Bahnlinie sein und nicht, einkaufenden Menschen die Möglichkeit zu bieten, in die Innenstadt zu kommen.
Achim Wurst, Reutlingen: Weniger Autoverkehr schafft Platz für Schiene
Ich bin vor einigen Jahren vom Heilbronner Umland mit der dortigen Stadtbahn in die ähnlich große Stadt wie Reutlingen gefahren, quer durch die Heilbronner City zum Hauptbahnhof. Super, genauso sollte das bei uns werden. Viele, die seither ihr Auto verwenden, können bequem auf die Regionalstadtbahn wechseln, die Lederstraße wird vom Autoverkehr entlastet, und damit ist dort Platz für die Schienentrasse. Zweite Prio ist die Gartenstraße, wo leider bisher schon die Busse im Stau stehen, weil zu viel anderer Verkehr mitfließt und quert. Wenn dort die Stadtbahn wegen der optimalen City-Nähe rein soll, müsste anderer Verkehr raus. Die alte Honauer Bahntrasse ist weit weg, aber bevor gar keine Regionalstadtbahn realisiert wird, dann dort. Denn es geht darum, einen Standortnachteil unserer Region aufzuholen, den Lückenschluss durch Reutlingen über Pfullingen und Unterhausen hoch zur Schwäbischen Alb-Bahn zu bauen und ein schnelles, sicheres und emissionsarmes Verkehrsmittel mit historisch hohen Fördermitteln zu ergattern, das andere Ballungszentren längst erfolgreich betreiben. Ein Dankeschön an den GEA für die regelmäßige transparente Berichterstattung von allen Planungsschritten und Debatten hin zur Regionalstadtbahn. (GEA)