REUTLINGEN/TÜBINGEN. »Wie kann ich nur so dumm sein, das zu unterschreiben?«, fragt sich eine Reutlinger Seniorin, die gutgläubig an der Haustüre einen Auftrag für Dachdecker-Arbeiten an eine mobile Handwerkerkolonne unterschrieben hatte.
Fast noch schlimmer als der finanzielle Schaden durch das Haustür-Geschäft mit unseriösen Dachdeckern ist für die alte Dame das Wissen, dass sie schamlos ausgenutzt wurde. Und das ist derzeit in Reutlingen kein Einzelfall, wie die Dachdecker-Innung berichtet.
»Skrupel ist offenbar ein Fremdwort für die Dach-Haie, wie wir sie nennen«, so der Obermeister der Dachdecker-Innung Reutlingen, Otto Peetz. Meist werden ältere Hausbesitzer an der Haustüre zu vermeintlich dringend notwendigen Dachreparaturen, Dachüberprüfungen oder Dachsanierungen überredet.
Auf Widerrufsrecht bestehen
Das Resultat der dubiosen »freundlichen Angebote« an der Haustüre kennt Otto Peetz zur Genüge: »Maximaler Pfusch zu Wucherpreisen – und das Dach ist nachher meist in schlechterem Zustand als vorher.«
Auch wenn die Auftragsanbahnung an der Haustüre nicht strafbar ist, warnt der Obermeister: »Wer nach dem Pfusch eine Nachbesserung fordert, geht meist leer aus, denn die mobilen Handwerker sind längst in der Nachbargemeinde damit beschäftigt, neue Opfer abzukassieren.« Per Gesetz steht jedem Auftraggeber bei Haustürgeschäften ein zweiwöchiges Widerrufsrecht zu.
Ein entsprechender Hinweis muss aber der Auftraggeber bei Vertragsabschluss ausdrücklich mit einer zweiten Unterschrift bestätigen. »Das wird von diesen Handwerkerkolonnen oft ausgehebelt, weil sie sofort mit der Dachabdeckung beginnen«, warnt Otto Peetz. »Und wer dann nicht gleich per Vorkasse zahlt, hat ein geöffnetes Dach.«
Vergleichsangebote einholen
Der Rat des Obermeisters der Dachdecker-Innung daher: »Lassen Sie sich niemals zur übereilten Auftragserteilung drängen. Holen Sie ein Vergleichsangebot ein oder rufen Sie uns in der Innung bei der Kreishandwerkerschaft Freudenstadt unter Telefon 07441 8844-0 an.«
Werden die »Dach-Hausierer« dann ungeduldig, sollte sofort die Polizei über die Notrufnummer 110 alarmiert werden. »Die Polizei kennt die Tricks der Dach-Haie und wird kommen«, ist sich Obermeister Peetz sicher. Und grundsätzlich sei es besser, lieber einmal zu viel die Polizei zu kontaktieren als sein hart verdientes Geld in den Rachen der Dach-Haie zu werfen.
Derzeit registriert das Dachdeckerhandwerk übrigens bundesweit verstärkte Aktivitäten der unseriösen Haustür-Anbieter.
Skrupellos werde ausgenutzt, dass viele Handwerksbetriebe augenblicklich auch durch den Fachkräftemangel an der Belastungsgrenze arbeiten. »Bei wirklich dringend notwendigen Reparaturen lassen wir aber keinen Hausbesitzer im Stich – da finden unsere Betriebe immer eine Lösung«, versichert Obermeister Otto Peetz. (pr)