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Papst-Debakel und Austritte: Pfullinger Dekan redet Klartext und bekommt Unterstützung

Dekanatsrat des katholischen Dekanats Reutlingen-Zwiefalten steht zu Aussagen von Dekan Hermann Friedl.

Der Dekanatsrat des katholischen Dekanats Reutlingen-Zwiefalten wünscht sich die Kirche als einladenden Ort, der sexuelle Vielf
Der Dekanatsrat des katholischen Dekanats Reutlingen-Zwiefalten wünscht sich die Kirche als einladenden Ort, der sexuelle Vielfalt akzeptiert. Foto: KIRSCHEK/ STOCK.ADOBE
Der Dekanatsrat des katholischen Dekanats Reutlingen-Zwiefalten wünscht sich die Kirche als einladenden Ort, der sexuelle Vielfalt akzeptiert.
Foto: KIRSCHEK/ STOCK.ADOBE

REUTLINGEN/ZWIEFALTEN. Sie konnten nicht einfach zur Tagesordnung übergehen: Die digitale Sitzung der Räte und Rätinnen aus den Kirchengemeinden und Einrichtungen des katholischen Dekanats Reutlingen-Zwiefalten begann mit einer Runde der Betroffenheit. Einige der Anwesenden machten sich Luft, waren empört, wütend und verstört über den derzeitigen Zustand der katholischen Kirche in der Öffentlichkeit. Andere blieben einfach sprachlos oder brachten ihre Enttäuschung zum Ausdruck.

Zahlreiche Kirchenaustritte, die Enthüllungen zur sexualisierten Gewalt in der Erzdiözese München-Freising, die ARD-Dokumentation »OutInChurch« von über 125 schwulen, lesbischen und queeren Mitarbeitern im Dienst der katholischen Kirche und die Beschlüsse der Synodalversammlung in Frankfurt lieferten reichlich Stoff für Diskussionen und Anlass, die Verantwortlichen in den Kirchenleitungen zum Handeln aufzufordern.

Wutausbrüche und Klartext

»Der Umgang mit Menschenwürde und mit dem Geschenk menschlicher Sexualität ist unglaublich. Die Vertuschungsstrategien und der falsche Selbstschutz sind himmelschreiend. Ich bin als Katholikin so voller Wut!«, sagte Tanja Frank, stellvertretende gewählte Vorsitzende des Dekanatsrats aus Bad Urach. Wo bleibt das Eigentliche des Glaubens – die glaubwürdige Botschaft des Evangeliums Jesu Christi in unserer Zeit? Diese Frage stand mehrfach im digitalen Raum.

Kandidieren wieder: Dekan Hermann Friedl, Pfullingen, und sein Stellvertreter Dietmar Hermann, Reutlingen
Dekan Hermann Friedl, Pfullingen. Foto: DEKANAT
Dekan Hermann Friedl, Pfullingen.
Foto: DEKANAT

Dekan Hermann Friedl (Pfullingen-Lichtenstein) redete Klartext – und das nicht zum ersten Mal: Gleichgeschlechtliche Paare zu segnen, sei für ihn keine Frage – er mache das. Frauen sollten in der katholischen Kirche die gleichen Rechte eingeräumt werden wie Männern. So setzt er sich zusammen mit dem Dekanatsrat wiederholt für eine Frau in der Dekanatsleitung als seine Stellvertreterin ein.

Geschlossen hinter Friedl

In der Sitzung wurde auf das Engagement in der Diözese Rottenburg-Stuttgart hingewiesen. 2002 wurde die Kommission Sexueller Missbrauch gegründet, die entsprechenden Hinweisen nachgeht und Anzeige bei der Staatsanwaltschaft stellt, wenn die Opfer dies wünschen. Die Vertreterin des Dekanats im Diözesanrat, Gabriele Derlig, ist Mitglied dieser Kommission und selber als Präventionsberaterin bei den Präventionsfortbildungen des Dekanats tätig. 2012 wurde die Stabsstelle Prävention, Kinder- und Jugendschutz installiert. Ende 2021 nahm die unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs durch kirchliche Beschäftigte in der Diözese Rottenburg-Stuttgart ihre Arbeit auf.

In einer gemeinsamen Erklärung und mit einem einstimmigen Beschluss stellten sich die Delegierten hinter die Positionen von Dekan Hermann Friedl, die er in einem GEA-Interview am 24. Januar dargelegt hatte (»Hoffen, dass die Kirche sich bewegt«). Sie solidarisierten sich mit der Initiative »OutInChurch« und forderten, dass die sexuelle Identität von Mitarbeitenden keine arbeitsrechtlichen Nachteile nach sich zieht und sich niemand verstecken muss. Hierzu sollten die Verantwortlichen der Diözese klare arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen schaffen.

Kirche solle darüber hinaus einladend sein und sexuelle Vielfalt akzeptieren. Niemand solle in irgendeiner Weise abgewiesen oder ausgeschlossen werden. So sollen auch die bei der Synodalversammlung in Frankfurt jüngst beschlossenen Segnungen für homosexuelle Paare erlaubt und umgesetzt werden. In diesem Sinn planen bereits einige Kirchengemeinden im Dekanat rund um den Valentinstag am 14. Februar vielfältige Gottesdienste und Segensfeiern für Liebende und Paare.

Die Dekanatsräte begrüßten die klaren Aussagen zur Öffnung des Zölibats und zur Öffnung des Zugangs für Frauen in der Kirche zu Diensten und Ämtern aufgrund ihrer gleichen Würde.

Sie unterstützen ebenso die basisorientierte Mitwirkung bei der Bischofswahl, die mit der voraussichtlichen Pensionierung von Bischof Dr. Gebhard Fürst Ende 2023 in der Diözese dann hoffentlich auch schon umgesetzt werde. Nicht zuletzt müsse das kirchliche Arbeitsrecht so gestaltet werden, dass es nicht-heterosexuell orientierten Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am Dienst in der Kirche ermöglicht. In der Frage der Einsetzung einer Frau als Dekanatsbeauftragte, quasi als »Dekanin« wolle man eine zeitnahe Entscheidung einfordern.»Hoffnungsvoll stimmt hierzu, dass überraschenderweise gerade in diesen Tagen ein neues Gesprächsangebot seitens der Diözesanleitung zu diesem Thema im Dekanatsamt eingegangen ist«, berichtete Dekanatsreferent Clemens Dietz dem Plenum.

Mut und Tatkraft

Der Dekanatsrat unterstützt diesen Willen und die konkreten Wege zur Umsetzung der jüngsten Beschlüsse der Frankfurter Synodalversammlung. Die Delegierten sind sich aber auch im Klaren darüber, dass nicht alle Kirchengemeindemitglieder im Dekanat so entschieden und offen über die derzeitigen Herausforderungen und Notwendigkeiten der katholischen Kirche denken.

Aber es sind erste, gemeinsame Schritte und »Mut-Versuche«, den desaströsen Zustand der katholischen Kirche mit einer vertrauensvollen und glaubwürdigen Haltung persönlich und in den Kirchengemeinden vor Ort zu verändern. Und so mit »Hoffnung und Überzeugung, dass Kirche sich bewegt«, tatkräftig mitzuwirken. (pm)