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Mobile Jugendarbeit: Existenziell für junge Menschen

Mobile Jugendarbeit (MJA) seit 30 Jahren im Kreis Reutlingen und seit zehn Jahren in der Stadt Tübingen

Mitarbeiter gaben einen Überblick über ihre Tätigkeiten. FOTO: LEISTER
Mitarbeiter gaben einen Überblick über ihre Tätigkeiten. FOTO: LEISTER
Mitarbeiter gaben einen Überblick über ihre Tätigkeiten. FOTO: LEISTER

REUTLINGEN. In Metzingen fiel genau am 1. August 1989 der Startschuss für die Mobile Jugendarbeit im Landkreis Reutlingen. Der erste Streetworker, der damals eingestellt wurde, war: Patrick Differt. Und er ist heute noch dort tätig, wie seine jetzige Arbeitskollegin Katharina Huber bei der Feier »30 Jahre Mobile Jugendarbeit« im Jugendcafé am Federnseeplatz ausführte. Schon bald kam Bad Urach als Arbeitsgebiet hinzu, »und aus den positiven Erfahrungen im Ermstal entwickelte sich die mobile Jugendarbeit in Reutlingen«, so Huber.

Bürgermeister Robert Hahn ging auf diese Anfänge der mobilen Jugendarbeit (MJA) in der Achalmstadt ein. Mit zwei Streetworkern wurde 1994 mit dem Schwerpunkt Ringelbachgebiet begonnen. »Dort gab es damals mehr junge Mütter als im gesamten sonstigen Stadtgebiet«, erinnerte Hahn. Der Schafstall kam bald als weiteres Betätigungsfeld hinzu, »ein neuer Brennpunkt hatte sich da aufgetan, das war wirklich kein Spaß«.

1996 wurde ein MJA-Büro am Walter-Gropius-Platz eröffnet, nur ein Jahr kam in der Innenstadt ein weiteres dazu. »Diese Standortentscheidungen waren segensreich, wenn auch die Erwartungen der dort betreuten Klientel und die Erwartungen des Gemeinderats nicht unbedingt die gleichen waren«, sagte der Bürgermeister. Was aber klar gewesen sei: Die MJA-Mitarbeiter sollten »nicht der verlängerte Arm der Ordnungsbehörde sein«. Einer der ersten beiden Streetworker, die 1994 in Reutlingen eingestellt wurden, war Ulrich Schubert. Er ist heute Leiter der Abteilung Jugend bei der Stadt.

Was aber tut die mobile Jugendarbeit überhaupt? »Sie ist Lobbyarbeit, wir brauchen die praxisorientierte Fachlichkeit der Streetworker, um die Interessen und Themen der jungen Menschen in die Öffentlichkeit zu bringen«, sagte Hahn. Rund 200 000 Euro für 4,25 Stellen lasse sich die Stadt das jährlich kosten. Für die jungen Menschen selbst biete die MJA ein »niederschwelliges Angebot«, so Katharina Huber. Die Streetworker suchen die Jugendlichen auf der Straße, an ihren üblichen Treffpunkten auf, und bieten regelmäßige Büroöffnungszeiten. Die Themen, die junge Menschen beschäftigen, seien »existenziell«, wie der Reutlinger Streetworker Daniel Bergers erläuterte: »Es geht um die Existenz, um bezahlbaren Wohnraum, um die zumeist kurzen Beschäftigungen im Niedriglohnsektor, trotz guter Arbeitsmarktlage«, führte Bergers weiter aus. Gewalt- und Migrationserfahrungen kommen als Probleme hinzu, problematische Familienbeziehungen, Identitätsproblematik, negatives Selbstbild – eben all die Schwierigkeiten, mit denen junge Menschen oftmals zu kämpfen haben.

Prävention gegen Radikalismus

Die Beschäftigten der mobilen Jugendarbeit bieten Beratung, Begleitung zu Behörden, Hilfe bei der Klärung von Konflikten, gruppenbezogene Projekte und Aktionen. »Unser Ziel ist es, die Lebenssituation junger Menschen mit ihnen gemeinsam zu verbessern und sie in ihrer Entwicklung zu fördern«, heißt es in einem Flyer. Dass dies im Kreis Reutlingen und in Tübingen zumeist gelungen ist, das hob nicht nur Bürgermeister Hahn hervor: »Ich danke allen Streetworkern und bitte Sie gleichzeitig, sich in Zukunft genauso anzustrengen, wie Sie das in der Vergangenheit getan haben.«

Auch Gastredner Professor Thomas Meyer von der Dualen Hochschule in Stuttgart lobte die MJA: »Das, was Sie machen, sollten Sie weiter machen – damit soziale Teilhabe der jungen Menschen gelingt.« Denn: Soziale Teilhabe in der Gesellschaft sei nicht nur ein wesentlicher Bestandteil für alle Jugendlichen, sondern auch »die beste Prävention gegen Radikalismus«, so Meyer. (GEA)