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Aktuell Tradition

Heiliger Morgen lockt Tausende in die Reutlinger Altstadt

Großer Andrang am Heiligen Morgen in Reutlingen am »Bermudadreieck« zwischen Oberamtei- und Kanzeleistraße. Foto: Jürgen Meyer
Großer Andrang am Heiligen Morgen in Reutlingen am »Bermudadreieck« zwischen Oberamtei- und Kanzeleistraße.
Foto: Jürgen Meyer

REUTLINGEN. Nach zwei Jahren Corona-bedingter Pause ging es am beim Heiligen Morgen in Reutlingen wieder in die Vollen. Reutlingens traditionelle Massenparty lockte am Samstag ganz ohne Auflagen wieder Tausende in die Altstadt. Gekommen waren nicht nur Einheimische, sondern auch viele Menschen aus der ganzen Region und darüber hinaus. Seit 11 Uhr war an den Hotspots am »Bermudadreieck«, »Rappen« und erstmals auch am Marktplatz teilweise kaum noch ein Durchkommen an den Kneipen, Bars und Cafés. Überall standen Leute, die sich lachend unterhielten, Bier tranken oder sich zur Musik bewegten, die aus verschiedenen Locations dröhnte: friedliche Partystimmung überall.

Freunde und Bekannte treffen sich alle Jahre am Heiligen Morgen in Reutlingen

»Die Stimmung ist richtig gut«, findet auch Lukas Bippus an der Ecke Oberamtei- und Kanzeleistraße. Der Kusterdinger ist Stammgast auf dem Heiligen Morgen. »Man geht mit 18 das erste Mal hin und kommt dann jedes Jahr wieder.« Warum?  »Man trifft hier immer tausend Leute, die man ewig nicht gesehen hat. Das ist der Grund, warum wir alle hier sind.« Der 34-Jährige hat sich in Reutlingen mit Freunden, die in Hamburg, Düsseldorf und Stuttgart verabredet. »Freunde treffen und ein bisschen Bier trinken - was will man mehr?«

Lukas Bippus (links) aus Kusterdingen trifft am Heiligen Morgen in Reutlingen seine Kumpels. Foto: Denis Raiser
Lukas Bippus (links) aus Kusterdingen trifft am Heiligen Morgen in Reutlingen seine Kumpels.
Foto: Denis Raiser

Um 9.30 Uhr hatten alle Wirte in der Oberamtei- und Kanzeleistraße ihr Außenbars startklar gemacht - doch kaum Kunden waren weit und breit zu sehen. Nur vereinzelt standen kleine Gruppen herum, und tranken eine Tasse Glühwein oder Bier. »Die müssen nach Freitagabend wohl alle erstmal wach werden«, meint ein Barkeeper von »9005«.

So war es dann auch. Nach 10 Uhr füllten sich die Straßen minütlich spürbar.  In der Oberamtei- und der Kanzleistraße ging es allmählich nur noch im Schneckentempo voran - vorausgesetzt man erspähte überhaupt eine Lücke in der Menschenmenge.

Ordnungsamt-Chef Albert Keppler war um 10.30 Uhr »überrascht, dass so früh schon so viel los ist«. Eine Stunde später beschreibt er die Lage als »unauffällig«: Lediglich ein paar Bierflaschen und ein bisschen Müll würden auf den Straßen herumliegen. »Aber die Wirte sind schon dabei, alles wegzuräumen. Dazu sind sie in weitem Umfeld ihrer Betriebe auch verpflichtet.« Der Kommunale Ordnungsdienst hat die Zufahrtstraßen zu den Hotspots für den Verkehr sperren lassen. Damit niemand wildpinkeln muss, haben die Gastronomen Dixi-Toiletten im Außenbereich aufgestellt. Die Stimmung am Heiligen Morgen empfand Keppler bis dahin als »nicht aggressiv, sondern vielmehr freudig und positiv.« Von Vorfällen wie Schlägereien oder dergleichen war ihm nichts bekannt.

Albert Keppler, Ordnungsamt-Chef der Stadt Reutlingen. Foto: Denis Raiser
Albert Keppler, Ordnungsamt-Chef der Stadt Reutlingen.
Foto: Denis Raiser

Der Andrang in der Altstadt war »wie erwartet groß«, sagte Marcus Reiser, Geschäftsführer der Bar »9005«. »Ich habe noch keine Ahnung, ob der Umsatz auch so groß ist, weil die Leute in diesen Zeiten vielleicht etwas zurückhaltender sind und ein, zwei Bier weniger trinken. Aber ich bin positiv gestimmt.« Für Reiser war es der erste Heilige Morgen in Reutlingen. »Wahnsinn, was hier abgeht«, sagte er, »Aber es ist auch wahnsinnig anstrengend. 14 Tage waren wir mit den Vorbereitungen beschäftigt.«

Andrang beim »Alten Rappen« lässt nach

Für Markus Benz, Inhaber des Modecafé Benz, war es bereits der 18. Heilige Morgen. Er hat 2003 dafür gesorgt, dass neben dem Rappen und der Kaiserhalle sich die Oberamtei- und Kanzeleistraße zum Epizentrum des Trubels entwickelte. In Spitzenzeiten haben sich dort laut Ordnungsamt-Chef Keppler auf wenigen Metern schon bis zu 3.000 Menschen getummelt. »Es hat ein bisschen länger gedauert als üblich bis es voll wurde«, sagte Benz, »aber dann war es so voll wie immer. Und seit langen haben wir endlich mal wieder Glück mit dem Wetter.« Bis zum Nachmittag hin blieb es trocken, ab und zu kam sogar die Sonne raus.

Markus Benz, Inhaber des Modecafé Benz. Foto: Denis Raiser
Markus Benz, Inhaber des Modecafé Benz.
Foto: Denis Raiser

Deutlich geringer war der Andrang dagegen am »Alten Rappen«, wo die Reutlinger Tradition ihren Ursprung hat. »Heute Morgen war es richtig voll, aber um 12 Uhr hat es sich dann geleert«, wunderte sich Wirt Dimitrios Karantagas. Er erklärte es sich so: »Viele haben nach zwei Jahren Corona vielleicht noch Angst. Viele sind jetzt aber auch krank geworden, wie mein halbes Team.« Trotzdem zog auch er ein positives Fazit. »Auf meine Stammkunden war Verlass, die sind alle gekommen.«

Dimitrios Karantagas, Wirt vom »Alten Rappen« in Reutlingen. Foto: Denis Raiser
Dimitrios Karantagas, Wirt vom »Alten Rappen« in Reutlingen.
Foto: Denis Raiser

Offiziell Schluss war dann um 15 Uhr. Laut Keppler können die Technischen Betriebsdienste Reutlinger es nicht leisten, den Müll des Heiligen Morgens zu beseitigen, weshalb die Gastronomen die Auflage haben, Bierflaschen, Becher und andere Hinterlassenschaften selbst wegzuräumen, bevor gegen Abend die Kirchgänger zur Marienkirche unterwegs sind. Wie das Ordnungsamt zog auch die Reutlinger Polizei ein positives Fazit: »Es gab keine besonderen Vorkomnisse«, sagte ein Polizei-Sprecher, »alles ist friedlich geblieben.« (GEA)