REUTLINGEN. Wenn Katarzyna Baron von ihrer Arbeit in der Besonderen Wohngruppe für Menschen mit erhöhtem Förderbedarf erzählt, dann leuchten ihre Augen und sie lacht viel. »Die Klienten sind so liebe und wunderbare Menschen«, sagt die 45-Jährige. In der Besonderen Wohnform Plus, so die offizielle Einordnung der Wohngemeinschaft der BruderhausDiakonie in der Oberlinstraße in Reutlingen, wohnen Menschen, die eine ruhige und reizarme Umgebung benötigen. Abweichungen von der gewohnten Tagesstruktur oder Veränderungen in ihrem Umfeld können bei ihnen Unruhe verursachen. Dieses unangenehme Gefühl kann zu Reaktionen führen, die man von einem erwachsenen Menschen nicht erwarten würde.
»Wir sind nicht allein mit den Herausforderungen des Alltags«
»Wir passen unser Verhalten an die Bedürfnisse der Klientinnen und Klienten an«, sagt Baron, »so können wir die Situation entspannen.« Als Baron während ihrer dreijährigen Ausbildung in diese Wohngruppe wechselte, war sie für die Bewohner die Neue und damit eine Veränderung. »Die Klienten brauchen Zeit, Kontakt aufzubauen.« Sie habe gelernt, an der Mimik der Bewohner abzulesen, wie es ihnen geht. Mit jedem Tag seien sie einen Schritt vorangekommen. Einige Klienten können sich nicht über Worte ausdrücken, die Verständigung läuft über Bilder, Gesten und eine gute Beziehung.
Regelmäßig Fortbildungen
Das Betreuungsteam der Wohngruppe ist multiprofessionell. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tauschen sich nicht nur regelmäßig untereinander aus, sondern auch mit den betreuenden Psychiatern und Psychologen, mit Sozialpädagogen, Ergo- und Physiotherapeuten. Regelmäßig nehmen sie an Fortbildungen teil und erhalten eine Supervision.
Die Wohngruppe ist keine abgeschlossene Welt. Einige Bewohner besuchen unter der Woche eine Fördergruppe oder arbeiten in einer Werkstatt. Gemeinsame Ausflüge gehen in die Natur, nach Bad Urach oder Stuttgart und sogar in die Disco. Den Bewohnern soll so viel Teilhabe wie möglich zuteilwerden. Frühstück, Mittag- und Abendessen werden in der Wohngruppe zubereitet. Die täglich wiederkehrende Struktur gibt Halt. Für die Klienten ist die Wohngruppe ihr Zuhause. »Ich habe mich bewusst für die Heilerziehungspflege entschieden«, betont Baron. Das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ), das sie vorab absolvierte, gab ihr eine gute Orientierung. Mit großer Neugier habe sie sich auf den Betreuungsbereich der Besonderen Wohnform eingelassen, ein Bereich, der von außen häufig mit einem Stigma belegt sei. »Traust du dir das zu?«, hätten Freundinnen sie vor Beginn der Ausbildung gefragt. Baron wollte sich der Herausforderung, welche diese besonderen Menschen mitbringen, stellen. »Ich habe vom ersten Tag an ein gutes Gefühl gehabt.«
Zeit ist Grundlage
»Wir sind nicht allein mit den Herausforderungen des Alltags«, sagt Baron. Sie habe das Team immer als Back-up. Sich Zeit zu nehmen und diese Zeit auch zu haben, sei die Grundlage für eine gute Zusammenarbeit mit den Klienten. Die Bewohner seien sehr sensibel und spürten jeden Druck sofort. Barons Devise: ruhig bleiben, kreativ sein und immer wieder neue Lösungen suchen.
»Die Ausbildung war eine großartige Reise und für mich genau das Richtige.« Sie wirbt dafür, über ein FSJ in diese besondere Welt hineinzuschnuppern. »Man lernt, sich selbst zu reflektieren.« Die Bewohner bräuchten viel Wertschätzung, aber »sie geben auch viel zurück«. (GEA)