REUTLINGEN/TÜBINGEN. Am dritten Verhandlungstag im Prozess wegen eines Brandes in einem Pflegeheim mit drei Todesopfern, hat das Landgericht sein Urteil gefällt: Die 58-jährige Angeklagte, die den Brand verursacht hat, wird in einer psychiatrischen Klinik untergebracht, eine Bewährung ist ausgeschlossen. Eine andere Möglichkeit gibt es angesichts des Gesundheitszustandes der Frau nicht, darin waren sich der Vorsitzende Richter Armin Ernst, Oberstaatsanwalt Markus Wagner und Verteidigerin Safak Ott einig. Zu diesem letzten Verhandlungstag mit Urteilsverkündung erschien die Angeklagte überhaupt nicht mehr persönlich, während der ersten beiden Tagen war sie am Anfang noch anwesend gewesen. Vom Zentrum für Psychiatrie (ZfP) in Bad Schussenried, wo die Frau im Moment untergebracht ist, kam am Morgen die Nachricht, dass sie sich nicht verhandlungsfähig zeige, ihr Zustand habe sich tendenziell verschlechtert.
Als letzte Zeugin war am Donnerstagmorgen die Ermittlungsführerin der Kriminalpolizei geladen, deren Aussagen jedoch nur das bestätigten, was Zeugen zuvor schon angegeben hatten. Etwas anderes als Brandstiftung schloss auch sie aus. Wie bereits der Brandgutachter am Montag ausgeführt hatte, konnte der Brand nur aktiv gelegt worden sein. Ein Unfall oder Versehen - etwa durch eine glimmende Zigarette oder ein herunterfallendes Feuerzeug - hätten die Bettdecken nicht derart in Brand gesteckt. Ebenso konnte ein technischer Defekt ausgeschlossen werden. Auch war unumstritten, dass die 58-Jährigen den Brand gelegt hat. Sie hatte dies zugegeben. Sie selbst überlebte verletzt, nachdem es ihr gelungen war, sich aus ihrem in Flammen stehenden Zimmer zu befreien.
Auffälligkeiten haben zugenommen
In den Schlussplädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidigerin ging es vor allem um die Schuldfähigkeit - und wie die Tat zu beurteilen ist. »Wir konnten die dramatischen Szenen, die sich im Pflegeheim abgespielt haben, detailliert aufarbeiten«, erklärte Oberstaatsanwalt Wagner. Die Ursachen für die Tat liegen in der Kranken- und Lebensgeschichte der 58-Jährigen. Schon im Kindesalter wurde bei ihr eine Minderbegabung festgestellt, sie hat weder eine Schul- noch eine Berufsausbildung abgeschlossen. Als Jugendliche entwickelte sie zudem eine Schizophrenie. »Die Auffälligkeiten haben zugenommen«, blickte Wagner in seinem Schlusswort zurück. Sie versuchte sich vor vielen Jahren mit einem Sprung von einer Brücke das Leben zu nehmen, und zündete einen Kleiderschrank im Haus ihrer Eltern an. Suizidalität kam in ihrer Biografie also bereits ebenso vor wie Brandstiftung.
Die heute 58-Jährige kam von einer Einrichtung in die andere, keine Behandlung war erfolgreich. Immer mehr geriet sie in eine Abwärtsspirale, die Auffälligkeiten nahmen zu. Am Tattag war die Angeklagte unruhig und aggressiv, diese Aggression richtete sich am Abend gegen sich selbst. »Sie war ein Stück weit ihres Lebens müde«, machte auch ihre Verteidigerin Safak Ott klar: »Sie hatte nicht die Absicht, Dritte zu schädigen, sondern sich selber«. Eine Einschätzung, die Richter Ernst teilte. Er betonte, dass die Angeklagte keineswegs eine eiskalte Mörderin sei, sondern ohne Schuld gehandelt habe. »Die Brandlegung war in ihrem Zimmer, die Türe geschlossen, sie rechnete nicht damit, jemand anderen zu töten«.
Schuldig, aber nicht schuldfähig
Allerdings, so Oberstaatsanwalt Wagner in seinem Plädoyer, wusste die 58-Jährige durchaus, »dass Feuer eine Gefahr darstellt und dass man es nicht legen darf«. Er wertete die Tat daher als Mord, versuchten Mord und Brandstiftung. Gleichzeitig betonte allerdings auch er, dass die Angeklagte hochgradig psychisch krank und somit nicht schuldfähig sei. Sie sei aber gefährlich für die Allgemeinheit, da sie immer wieder ein unvorhersehbares Verhalten an den Tag lege. Darum sei eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik notwendig. Verteidigerin Safak Ott wertete die Tat als schwere Brandstiftung mit fahrlässiger Tötung, auch sie hielt die dauerhafte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für angebracht.
Der Vorsitzende Richter betonte, es handle sich juristisch um eine sehr schwierige Geschichte. Letzten Endes folgte das Gericht aber der Verteidigung. »Es war kein Mord«, so Ernst. Die Angeklagte sei eine früh gealterte Frau, die vom Leben und ihrem Leiden gezeichnet ist. Besserung sei nicht in Sicht, eine Bewährung daher unmöglich.
Wichtig war Richter Ernst, darauf hinzuweisen, dass dieser tragische Vorfall nicht zu verhindern war. In einer solchen Pflegeeinrichtung könne es keine ständige Kontrolle geben, die Pflegekräfte hätten außerdem alles getan, um die Bewohner zu retten. Die Gerüchte, dass die Bewohner eingeschlossen gewesen seien und darum sterben mussten, wurden in der Verhandlung widerlegt. Außerdem war die Feuerwehr außerordentlich schnell vor Ort und habe effektiv gearbeitet. Niemand sei ein Vorwurf zu machen, stellte Ernst klar. (GEA)