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Aktuell INTERVIEW

Ethik-Referentin der Hochschule Reutlingen: »Wir wollen Augen öffnen«

Verantwortliches Handeln und Nachhaltigkeit werden an der Hochschule groß geschrieben. Ethik-Referentin Dr. Ulrike Baumgärtner im Gespräch

Dr. Ulrike Baumgärtner ist Referentin für Ethik und nachhaltige Entwicklung an der Hochschule Reutlingen.  FOTO: HOCHSCHULE
Dr. Ulrike Baumgärtner ist Referentin für Ethik und nachhaltige Entwicklung an der Hochschule Reutlingen. FOTO: HOCHSCHULE
Dr. Ulrike Baumgärtner ist Referentin für Ethik und nachhaltige Entwicklung an der Hochschule Reutlingen. FOTO: HOCHSCHULE

REUTLINGEN. Dr. Ulrike Baumgärtner ist seit 2013 Referentin für Ethik und nachhaltige Entwicklung an der Hochschule Reutlingen. In dieser Funktion hat sie die Angebote der Hochschule zu diesen gesellschaftlich relevanten und immer bedeutender werdenden Themen maßgeblich geprägt und aufgebaut. Worum es bei ihrer Arbeit genau geht und was sie am Thema ehrenamtliches Engagement so spannend findet, verrät sie im Interview.

GEA: Was fasziniert Sie an Ihrem Job an der Hochschule und warum haben Sie sich gerade den Bereich rausgesucht?

Dr. Ulrike Baumgärtner: Ursprünglich bin ich Politikwissenschaftlerin und habe immer versucht, zwischen Wissenschaft und ausübender Politik tätig zu sein. Während meiner Promotion war ich zum Beispiel acht Jahre lang im Gemeinderat von Tübingen als Fraktionsvorsitzende der Alternativen/Grünen tätig. Da habe ich natürlich immer wieder Nachhaltigkeitsthemen vorangebracht. Was ich in der Arbeit aber auch gemerkt habe, ist, wie wichtig ehrenamtliches Engagement vor Ort ist und wie viel Potenzial da drin steckt.

Was heißt das genau?

Baumgärtner: Während der Arbeit im Gemeinderat habe ich viele Gruppen und visionäre und engagierte Persönlichkeiten kennengelernt, die tolle Sachen gemacht und damit große Wirkung in der Stadt, aber auch darüber hinaus erzielt haben. Der ganze ehrenamtliche Bereich ist – völlig unabhängig vom konkreten Thema des Engagements – eine super Möglichkeit, Veränderungen zu initiieren oder Inspiration für Veränderung zu geben. Und eben auch direkt in handfesten Projekten etwas zu bewegen, soziale Kompetenzen zu entwickeln und mal eine ganz andere Arbeit kennenzulernen.     Ein Teil der Arbeit hier an der Hochschule ist, das an unsere Studierenden zu vermitteln. Denn es lohnt sich, sie mit Organisationen, die vor Ort wirken, zusammenzubringen. Unsere Studierenden entwickeln in ihrem Studium viele Ideen und Vorstellungen, wie eine Gesellschaft zukünftig funktionieren könnte, und haben in ehrenamtlichen Projekten die Chance, etwas davon umzusetzen und praktische Erfahrungen zu sammeln.

Das bezieht sich auf die Lernkooperationen, die die Hochschule seit vielen Jahren mit Einrichtungen und Initiativen an der Hochschule und in der Stadt auf die Beine stellt. Was verbirgt sich denn genau dahinter?

Baumgärtner: Wir haben eine ganze Reihe von Kooperationen, in denen Studierende ganz konkret in soziale Projekte reingehen und vor Ort mitarbeiten. Zum Beispiel die Kooperation mit der Lebenshilfe, die beispielsweise im Kaffeehäusle oder im Projekt FEDER mit Menschen mit und ohne Behinderung arbeitet. Außerdem gibt es Projekte mit verschiedenen Schulen im Bereich Hausaufgabenbetreuung. Oder auch die Studierendeninitiative oikos an der Hochschule, die Projekte im Bereich Nachhaltigkeit umsetzt. All unsere Partner sind immer auf der Suche nach engagierten Leuten, die sie unterstützen, und daher steigt die Nachfrage nach solchen Kooperationen mit der Hochschule stetig.

Was haben denn Studierende ganz konkret davon, sich in einer solchen Kooperation zu engagieren?

Baumgärtner: Wir merken ganz deutlich, dass Themen wie Ethik und Nachhaltigkeit eine immer bedeutendere Rolle im Studium an unseren Fakultäten spielen. Zum Beispiel, dass in einigen Studiengängen neben den normalen Credits, die Studierende über Vorlesungen oder Projekte sammeln, mittlerweile auch Social Credits für den Abschluss verlangt werden. Das heißt, Studierende müssen sich schon während des Studiums über ihre Fachveranstaltungen hinaus engagieren. Dafür sind unsere Lernkooperationen bestens geeignet. Außerdem bieten wir ein extra-curriculares Kursprogramm an, das Studierende belegen können, um sich das Ethikum-Zusatzzertifikat zu sichern. Das wird vom Referat für Technik- und Wissenschaftsethik des Landes vergeben und es kann an allen Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Baden-Württemberg erworben werden.     Das Zertifikat bekommt, wer insgesamt 100 Ethikpunkte und drei benotete Scheine erworben hat. Über das Kolloquium Tue Gutes und rede darüber, in dem die Studierenden ihr Engagement in den Lernkooperationen reflektieren, können sie schon knapp ein Drittel dieser Leistungen erbringen, die sie für das Zertifikat benötigen. Und nicht zuletzt sind es die Studierenden selbst, die mehr über Nachhaltigkeit, wertebewusstes Handeln und Ethik ganz konkret mit Bezug zu ihren Studienthemen lernen wollen und solche Angebote nachfragen. Das bestätigt uns auch in dem Versuch, unsere Themen noch stärker in den normalen Lehrinhalten und Veranstaltungen in den Studiengängen zu verankern.

Wie würden Sie für den Bereich Ethik und nachhaltige Entwicklung an der Hochschule dann Erfolg definieren?

Baumgärtner: Wir wollen Augen öffnen mit unserem Programm. Wenn wir merken, dass durch das, was wir hier machen, Studierende ihren Blick auf das eigene Studium und Leben ändern, dann haben wir das erreicht, was unser Auftrag ist: eine Bildung zu schaffen, die ganzheitlich ist. Denn so zeigen wir Studierenden eine Vielfalt an Wirkungsmöglichkeiten und vielleicht auch neuen Berufsfeldern auf. Letztlich ist es aber dann vor allem ein Erfolg, wenn sich Studierende durch unser Programm bewusster werden, wie sie ihr Leben zwischen Beruf und Familie gestalten wollen und für welche Werte und Einstellungen sie stehen wollen. Und eben als verantwortungsbewusste und mündige Bürgerinnen und Bürger unsere Hochschule verlassen. (GEA)