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Erotische Masken aus Reutlingen

Mund und Nase lassen sich langweilig oder mit Rafinesse bedecken. Was bei edler Unterwäsche für Entzücken sorgt, holt ein Reutlinger Dessousladen ganz nach oben ins Gesicht. Seine handgeschneiderten »Mauldäschle« mit BH-Spitze bringen ihre Trägerinnen mit einem Hauch von Erotik stilvoll durch die Krise.

Wenn Silke Brucklacher (links) und Tamara Kronschnabel ein Exemplar ihrer »Mauldäschle« zeigen, springt ihnen das diebische Verg
Wenn Silke Brucklacher (links) und Tamara Kronschnabel ein Exemplar ihrer »Mauldäschle« zeigen, springt ihnen das diebische Vergnügen über ihren gelungenen Nähstreich förmlich aus den Augen. Foto: Stephan Zenke
Wenn Silke Brucklacher (links) und Tamara Kronschnabel ein Exemplar ihrer »Mauldäschle« zeigen, springt ihnen das diebische Vergnügen über ihren gelungenen Nähstreich förmlich aus den Augen.
Foto: Stephan Zenke

REUTLINGEN. Maske tragen zu müssen ist nicht schön, aber man kann es sich wenigstens schöner machen. Das denkt Silke Brucklacher, als ihr Fachgeschäft für Dessous und Bademoden an der Wilhelmstraße endlich wieder aufmachen darf. »Da mussten wir ja Mundschutz tragen, aber der war uns allen zu hässlich«, sagt sie. Irgendwie müsste sich doch aus erlesenen Zutaten auch etwas Erotisches machen lassen. So entsteht das erste »Mauldäschle« mit zarter BH-Spitze.

Es ist Schneiderin Tamara Kronschnabel, die sich an die Nähmaschine im Hinterzimmer des Ladens setzt, und einen Prototyp anfertigt. Den passenden Schnitt dazu liefert Meisterschneiderin Marion Moidl-Batzlen. Die Herstellung einer Maske ist Handarbeit unter Verwendung regionaler Zutaten, wie die 21-Jährige beschreibt. Das Grundgerüst besteht aus zwei Lagen Bio-Baumwolle, »die wir vom Handfest-Laden in der Metzgerstraße beziehen«. Dazu kommt BH-Spitze aus der Ulla Miederwarenfabrik im bayerischen Leinach. Letztere ermöglicht es, die »Mauldäschle« passend zu Büstenhaltern und Höschen von Ulla zu gestalten. Eine neckische Übereinstimmung: Was das Auge oben sieht, kann ein dezenter Hinweis auf das Darunter der Dame sein. Die weiteren Herstellungsschritte sind dem Endprodukt dagegen nicht anzusehen.

Der Baumwollstoff ist 52 Zentimeter lang und 14 Zentimeter breit. »So groß ist die Maske natürlich nicht«, erklärt Tamara Kronschnabel lächelnd. Die Spitze wird passend zugeschnitten, ebenso Gummis und der Nasendraht. Dann wird die zarte Spitze rundum angenäht, der Stoff zweilagig zusammengelegt und dann verstürzt. Das bedeutet, an drei Kanten vernäht, sowie umgedreht. Schnitt und Nähweise sorgen dafür, dass ein »Mauldäschle« nicht flach auf dem Gesicht anliegt, sondern gewölbt einen angenehmen Atemraum bietet. Das Einlegen des Nasendrahtes sowie die Befestigung der - übrigens ebenfalls aus der BH-Produktion stammenden - Gummis vollenden das Werk. Wenn Silke Brucklacher oder Tamara Kronschnabel ein Exemplar zeigen, springt ihnen das diebische Vergnügen über ihren gelungenen Nähstreich förmlich aus den Augen.

»Wir werden ja noch lange Zeit Masken tragen müssen«, meint die Geschäftsfrau mit Sinn fürs Schöne, »unsere Mundbedeckung heitert alles auf. Früher hätte man Strapse passend zum BH gehabt, heute eben Mauldäschle«. Für Silke Brucklacher ist klar, »dass die Maske zum Modeaccessoire wird«. Nebenbei bemerkt eines, dessen Qualität ähnlich dauerhaft wie die eines hochwertigen Büstenhalters ist: Stabil, waschmaschinenfest und auch reparierbar. Dennoch kein Luxus-, sondern eher ein Mitnahmeartikel. Masken aus anderen Quellen sind zuweilen deutlich teurer.

Die Herstellung einer Maske ist Handarbeit unter Verwendung regionaler Zutaten
Die Herstellung einer Maske ist Handarbeit unter Verwendung regionaler Zutaten. Foto: Stephan Zenke
Die Herstellung einer Maske ist Handarbeit unter Verwendung regionaler Zutaten.
Foto: Stephan Zenke

Die Kundschaft mit Sinn fürs Schöne ist offenbar entzückt. »BHs mit Maske anzuprobieren, macht ja keinen Spaß. Dann bringe ich das passende «Mauldäschle», und es wird gerne genommen«, so Silke Brucklacher. Manche Damen im Laden würden gleich mehrere Exemplare mitnehmen: eine für die gute Freundin, eine für Mutti und so weiter. Und weil es sich um echte Handarbeit handelt, jedes Stück ein Unikat ist, lassen sich auch Sonderwünsche erfüllen. »Ich hatte eine Kundin, die wollte mit einem weißen Spitzen-Mauldäschle heiraten. Also haben wir ihr eins gemacht«. Irgendwie ein Lichtblick in schwierigen Zeiten, die natürlich auch einen Dessousladen voll getroffen haben.

Schneiderin Tamara Kronschnabel an der Nähmaschine.
Schneiderin Tamara Kronschnabel an der Nähmaschine. Foto: Stephan Zenke
Schneiderin Tamara Kronschnabel an der Nähmaschine.
Foto: Stephan Zenke

Wie dramatisch ihr Geschäft eingebrochen ist lässt sich erahnen, wenn Silke Brucklacher einen treffenden Vergleich zieht: »In der Finanzkrise 2008 ist der Umsatz nicht so heftig abgestürzt«. Aber die Kundschaft sei treu geblieben, habe weniger gekauft, stattdessen aber viel reparieren lassen. Passenderweise konnte sie auch ihre Ladenrenovierung genau in die Wochen des allgemeinen Lockdowns legen. Unter dem Strich bleibt bei der Unternehmerin Optimismus: »Uns wird die Coronakrise nicht aus der Spur werfen«. (GEA)