REUTLINGEN-DEGERSCHLACHT. Es ist ein bisschen wie Heimkommen, ohne in der Fremde gelitten zu haben. Jahrelang war der Rädlesmarkt der Eile Degerschlacht gut aufgehoben im Audi Zentrum in der Rommelsbacher Straße. Die Zusammenarbeit zwischen Fahrradverein und Autohaus hat gepasst und mauserte sich zu einer Erfolgsgeschichte. Wenn im Frühjahr der Markt seine Pforten öffnete, fluteten Hunderte Besucher innerhalb weniger Minuten die Ausstellungsräume, wo gebrauchte Fahrräder in allen Größen und Preisklassen auf Kundschaft warteten.
»Wir hatten damals etwa 200 Mitglieder«
Seit dem 1. Juli des vergangenen Jahres gehört das Autohaus Heusel zur bhg Autohandelsgesellschaft aus Horb am Neckar. Durch den Besitzerwechsel lief die Zusammenarbeit mit der Eile Degerschlacht aus und die Radler aus der Nordraumgemeinde mussten sich nach einer neuen Bleibe für ihren Markt umsehen.
Fündig wurden die annähernd 100 Eile-Mitglieder in der Degerschlachter Auchterthalle. Dort geht am Samstag, 7. März, von 9 bis 13 Uhr der nächste Rädlesmarkt über die Bühne. Fast noch wichtiger als der Verkaufstermin ist aber die Annahme der Räder am Tag zuvor. Am Freitag, 6. März, können die Drahtesel von 17 bis 20 Uhr in der Auchterthalle abgegeben werden. »Die nicht verkauften Räder und die Verkaufserlöse müssen am Samstag bis 14 Uhr abgeholt werden«, sagt Eile-Präsident Klaus Biener.
Die Geschichte dieses Radfahrvereins reicht zurück bis ins Jahr 1926. »1933 wurde der Verein verboten«, sagt Eile-Mitglied Karlheinz Jedele. Von der Willkürherrschaft der Nazis blieb auch die »Eile« nicht verschont. Dass der Verein 1987 neu gegründet wurde, ist dem Fund einer alten Standarte geschuldet. Die ehemalige Vereinsfahne wurde bei Aufräumarbeiten im Gerätehaus der Feuerwehr entdeckt. Von diesem Fund waren Wilfried und Jürgen Gehr so begeistert, dass sie eine Neugründung vorschlugen – zunächst ohne Erfolg, bis die Gehrs mit weiteren Radfahrenthusiasten nach einer Degerschlachter Jazznacht bierlaunig zusammensaßen und die »Eile« reanimierten. Hans Walter Müller wurde Chef des neuen alten Vereins.
»Es sind nicht mehr so viele Teilnehmer wie früher«
»Wir hatten damals etwa 200 Mitglieder«, erinnert sich Klaus Biener. Schon ein Jahr nach der Neugründung wurden Radfernfahrten organisiert. Die Touren, die alle zwei Jahre 50 Teilnehmer oder mehr zählten, dauerten über eine Woche. In acht Etappen strampelten die Radler manchmal mehr als 1 500 Kilometer: Von Budapest durch die Puszta über Österreich zurück nach Degerschlacht; oder von Berlin nach Pirna, übers Erzgebirge ins bayerische Alpenvorland und zurück in die Heimat. Oder 1 200 Kilometer von Wilhelmshafen zurück unter die Achalm. Ohne Sponsoren waren solche Strecken nicht zu machen.
Heute können die Touren ebenfalls eine Woche dauern. »Aber es sind nicht mehr so viele Teilnehmer wie früher«, sagt Klaus Biener. Im vergangenen Jahr war Start in Heppenheim. Über Bamberg und Günzburg ging’s zurück nach Degerschlacht. In diesem Jahr starten die Radler in Köln. Und wie immer ist ein Begleitfahrzeug dabei, damit sich die Sportler aufs sporteln konzentrieren können und sich nicht ums Gepäck kümmern müssen.
Neben den Touren zählten die Rädlesmärkte zu den Aushängeschildern der »Eile«. »Gleich der erste hatte einen Mordszulauf. Zu unseren besten Jahren hatten wir bis zu 500 Räder im Angebot«, sagt Karlheinz Jedele. »Der Markt ist ein Radtauschmarkt. Fahrräder, die man nicht mehr braucht, bringt man dorthin.«
Der Markt ist eine günstige Gelegenheit, an ein neues (gebrauchtes) Gefährt oder Zubehör zu kommen. Interessant ist dieser Rädlesmarkt für Eltern, die für ihren Sprössling ein Bike suchen. »Wichtig ist, dass Kinder ein größengerechtes Rad bekommen«, sagt Karlheinz Jedele. 25 Eile-Mitglieder sind am Vortag im Einsatz, um die gebrauchten Fahrräder anzunehmen. Vom Verkaufserlös erhält der Verein eine Provision. Wie sich der Umzug auf die Resonanz des Marktes auswirkt, bleibt abzuwarten. Von Vorteil ist jedenfalls, dass es direkt neben der Degeschlachter Auchterthalle genügend Parkplätze gibt. (GEA)