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Aktuell Stellungnahme

DUH zum Leipziger Urteil: »Das ist ein guter Tag für die saubere Luft«

Deutschlands Diesel-Jäger Nummer eins: Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Foto: Kay Nietfeld
Deutschlands Diesel-Jäger Nummer eins: Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Foto: Kay Nietfeld
Deutschlands Diesel-Jäger Nummer eins: Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Foto: Kay Nietfeld

REUTLINGEN/LEIPZIG. Im Klageverfahren der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen das Land Baden-Württemberg für die Saubere Luft in Reutlingen hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig heute die Revisionen des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Reutlingen teilweise zurückgewiesen. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg vom 18. März 2019, welches das Land zu einer unverzüglichen Fortschreibung des Luftreinhalteplans verpflichtete, wurde zwar in der Begründung abgeändert. Die Landesregierung muss gleichwohl nach Maßgabe des Gerichts einen neuen Luftreinhalteplan aufstellen und darin weitere konkrete Maßnahmen aufnehmen. Die internationale Umweltrechtsorganisation ClientEarth unterstützt die Klage für Saubere Luft der DUH.

»Das ist ein guter Tag für die Saubere Luft und die Menschen in Reutlingen. Und ist es ein Weckruf für die grün-schwarze Landesregierung, sich endlich aus dem Würgegriff der Dieselkonzerne zu befreien und die Einhaltung des Grenzwerts für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid auch in Stuttgart, Ludwigsburg, Heilbronn und weiteren Problemstädten noch in diesem Jahr sicherzustellen«, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertritt, ergänzt: »Das Urteil ist eine Präzedenz für alle deutschen Großstädte. Das Gericht hat seine klare Aussage in seinem Grundsatzurteil zur sauberen Luft aus 2018 zur Einhaltung des Grenzwerts bestätigt und in Konturen präzisiert. Diese Entscheidung wird die Grundlage für alle noch offenen deutschen Verfahren sein.«

Das BVerwG hat in seinem Urteil deutlich gemacht, dass die Bewertung des VGH Baden-Württemberg korrekt ist, nach der die bisherigen Prognosen des Landes zur Entwicklung der Luftbelastung fehlerhaft sind. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen tatsächlich so wirkungsvoll sind, wie angenommen. Es bedarf daher weiterer Maßnahmen auf der Lederstraße, um den Grenzwert für Stickstoffdioxid von 40 μg NO2/m³ im Jahr 2020 sicher einzuhalten.

Das BVerwG hat klargestellt, dass das 2019 auf Druck der Automobilindustrie verabschiedete »Fahrverbots-Verhinderungsgesetz« des Bundes, mit dem ein Wert von 50 μg Stickstoffdioxid (NO2)/m³ in das Bundes-Immissionsschutzgesetz eingeführt wurde, nicht 1:1 anwendbar ist: Relevant für die Verhängung von Diesel-Fahrverboten ist und bleibt nach diesem Grundsatzurteil der EU-weit geltende Grenzwert von 40 µg NO2/m³.

Allenfalls dann, wenn nach Ergreifung aller anderen in Betracht kommenden Maßnahmen nur noch minimale Überschreitungen des Grenzwertes vorliegen, kann auf ein Fahrverbot verzichtet werden. Die dafür anzustellenden Prognosen zur Entwicklung des NO2-Wertes müssen jedoch verlässlich sein. Nach Auffassung der DUH ist dies in Reutlingen immer noch nicht der Fall. Auch die zuletzt vorgelegten Prognosen, die die Luftqualität 2020 in Reutlingen bewerten, arbeiten auf der Grundlage einer veralteten Fassung der zugrunde gelegten Emissionsfaktoren und nehmen Minderungswirkungen für die bisher ergriffenen Maßnahmen an, die nicht nachvollziehbar sind.

Die Notwendigkeit zu weitergehenden Maßnahmen wird durch die Luftsituation in der Lederstraße in den Monaten Januar und Februar 2020 bestätigt, bei der der Wert bei im Durchschnitt 47 μg NO2/m³ und damit noch höher als im Jahresdurchschnitt 2019 (46 μg NO2/m³) lag. Passivsammlermessungen in der Lederstraße, die an anderen Stellen als der stationären Messstelle stattfanden, haben im ersten Halbjahr 2019 sogar noch deutlich höhere Werte ergeben.

ClientEarth Anwalt Ugo Taddei sagt: »Die Luftverschmutzung mit giftigen Abgasen ist ein Gesundheitsskandal. Das Urteil ist die zweite eindeutige Rüge vom höchsten deutschen Verwaltungsgericht innerhalb von zwei Jahren. Im Dezember musste sich der EuGH ebenfalls mit wirksamen Sanktionen gegen widerspenstige deutsche Behörden einschalten. Es ist erstaunlich, dass die Behörden noch immer versuchen, Ausreden zu finden, um die Menschen nicht schützen zu müssen. Selbst die Autohersteller wachen langsam auf – die Behörden müssen jetzt ihre Prioritäten klarstellen.« (pr)