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Der steinige Weg zum Stadthallen-Hotel in Reutlingen: eine Chronik

Noch ein Turm: So soll das künftige Stadthallen-Hotel aussehen, wenn man sich ihm (als Vogel oder Drohne) aus der Blickrichtung
Noch ein Turm: So soll das künftige Stadthallen-Hotel aussehen, wenn man sich ihm (als Vogel oder Drohne) aus der Blickrichtung Tübinger Tor nähert. Foto: Dudler
Noch ein Turm: So soll das künftige Stadthallen-Hotel aussehen, wenn man sich ihm (als Vogel oder Drohne) aus der Blickrichtung Tübinger Tor nähert.
Foto: Dudler

REUTLINGEN. Herbst 2010 – Drei Investoren-/Betreibergruppen, zwei davon aus der Region, präsentieren nicht öffentlich ihre Konzepte für ein Stadthallen-Hotel. Die Stadtverwaltung verhandelt nur mit der auswärtigen Interessentengruppe weiter: Projektentwickler Hubertus Wichmann, Stuttgart, und Manfred H. Toennes von Consul Hotels International, Berlin.

21. Juli 2011 – Der Gemeinderat stimmt dem Abschluss eines Optionsvertrags mit dem mittlerweile alleine agierenden Hubertus Wichmann zu, wonach der Projektentwickler das Exklusivrecht erhält, innerhalb von 21 Monaten einen Investor/Betreiber für das Stadthallen-Hotel beizubringen. Vertragsbestandteil ist ein von Wichmann zu bezahlender Architektenwettbewerb.

26. November 2011 – Stadthallen-Architekt Max Dudler, Berlin, gewinnt auch den Architektenwettbewerb für das benachbarte Hotel. Sein Entwurf ist für künftige Investoren bindend, soweit sie aus dem mit Hubertus Wichmann vereinbarten Verfahren hervorgehen.

21. Juni 2013 – In einer Pressekonferenz melden Baubürgermeisterin Ulrike Hotz und Hubertus Wichmann Vollzug: Mit der Kommunalprojekt PPP GmbH, vertreten durch Manfred Steinbach, und der Consul Hotels International, vertreten durch Geschäftsführer Toennes, scheinen sowohl Investor als auch späterer Betreiber eines Vier-Sterne-Hotels neben der Stadthalle gefunden.

10. Februar 2014 – Investor Steinbach, der zuvor schon einmal die Reißleine gezogen, dann aber doch weiter mit Manfred H. Toennes verhandelt hat, wirft das Handtuch: Die vom Betreiber geäußerten Wünsche zu Umfang und Qualität eines Premium-Hotels ließen sich nicht mit den Pachteinnahmen refinanzieren.

13. Mai 2014 – Wichmann und Steinbach präsentieren ein neues Konzept mit drei Betreibern für die nun separaten Bereiche Hotel, Gastronomie und Fitness/Wellness. Mehrheitlich votiert der Gemeinderat zwei Monate später für die Fortführung des laufenden Verfahrens mit Manfred Steinbach.

November 2014 – Wenige Tage, nachdem die Stadtverwaltung die Bauvoranfrage genehmigt hat, verschickt Manfred Steinbach seine nunmehr dritte Absage. OB Barbara Bosch erklärt den von Projektentwickler Wichmann ausgelobten Ideenwettbewerb für beendet.

21. April 2016 – Nach vorausgegangenen internen Workshops und einem nicht öffentlichen »Realitäts-Check« mit Investoren beschließt der Gemeinderat einen weiteren Anlauf – ein Bietverfahren mit Ausschreibungskriterien, die dieses Mal offener sind. Nicht verhandelbar ist der Standort im Bürgerpark, den manche für zu laut halten.

Bis April 2018 – Die EU-weite Ausschreibung erbringt acht Bewerbungen, mit sechs Bewerbern wird laut Stadtverwaltung weiterverhandelt. Gesucht wird ein Investor, der das Hotel auf eigene Kosten plant, baut und betreibt oder durch Dritte betreiben lässt. Gegen Ende des vertraulichen, mehrstufigen Verfahrens sickert durch, dass nur noch der renommierte Pforzheimer Braumeister und Hotelier Wolfgang Scheidtweiler im Rennen ist.

19. April 2018 – Wie erwartet empfiehlt die Wertungskommission, dass Wolfgang Scheidtweiler das »Parkhotel« bauen soll. Die Überraschung: Architekt ist auch in diesem Fall Max Dudler, der einen Winkelbau mit Service-Apartments (Boardinghaus) am Rand des Bürgerparks und einen 50 Meter hohen Hotelturm konzipiert hat, den er »Campanile« nennt. Die Bauleitung vor Ort soll der Betzinger Architekt Jochen Schmid übernehmen.

17. Mai 2018 – Mehrheitlich beauftragt der Gemeinderat die Stadt, mit Investor Scheidtweiler einen Erbbaurechtsvertrag für das Bürgerparkgrundstück zu schließen und eine Bebauungsplanänderung einzuleiten, die die Umsetzung der Dudlerschen Planung ermöglicht.

19. Juli 2018 – Kategorisch lehnt der Gemeinderat einen Antrag der dreiköpfigen WiR-Fraktion ab, die Verwaltung möge zum im Bürgerpark geplanten »Hotel mit Boardinghouse« einen Bürgerentscheid organisieren. WiR hatte die aktuelle Planung in einer Pressekonferenz als »städtebauliche Katastrophe« bezeichnet und vor allem die Dimension des Projekts und den Hotelturm kritisiert, der die Stadthalle entgegen der Vorgaben des Bebauungsplans überrage.

Dezember 2018 – Der WiR-Verein und die Gemeinderatsfraktion starten eine Unterschriftenaktion und eine Online-Abstimmung unter dem Motto »Kein Hochhaus im Bürgerpark«.

26. Juli 2019 – Auch ein zweiter WiR-Antrag, die Stadt zu einem Bürgerentscheid zu bewegen, scheitert. Nur die AfD stimmt mit den Antragstellern. WiR-Fraktionschef Jürgen Straub verwies zur Begründung auf »rund 17 000 Teilnehmer« der Online-Abstimmung, die sich zu 87,5 Prozent gegen das Hochhaus ausgesprochen hätten, sowie auf 1 800 »echte Unterschriften«.

27. November 2019 – Am Rande einer öffentlichen Präsentation des Hotelprojekts in der Stadthalle belegt Baubürgermeisterin Ulrike Hotz dem GEA, dass Jürgen Straubs Behauptung, das Hotel dürfe laut Wettbewerbsausschreibung die Stadthalle nicht überragen, falsch ist und auf veralteten Angaben beruht.

3. Juli 2020 – Im Namen von sieben Reutlinger Hotels reichen deren Sprecher Hans-Joachim Neveling (Fortuna-Gruppe) und Dieter Heideker (»Württemberger Hof«) beim Petitionsausschuss des Landtags eine Beschwerde gegen die Stadt Reutlingen ein – »wegen Vernichtung der Hotels und deren Arbeitsplätze durch Baugenehmigungen für zwei große Hotels von Großinvestoren auf städtischen Grundstücken«. Gemeint sind das »Parkhotel« und das »RiKu«-Hotel, das in Bahnhofsnähe bereits gebaut wird – allerdings nicht auf städtischem Grund. (GEA)