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Aktuell Tarifkonflikt

Busfahrer bestreiken Stadtverkehr in Reutlingen und Tübingen

Die Gewerkschaft Verdi erhöht den Druck im Tarifkonflikt des privaten Omnibusgewerbes. Am heutigen Dienstag wird auch der Stadtverkehr in Reutlingen und Tübingen bestreikt.

Streikende Busfahrer vor der Zehntscheuer in Betzingen. Hier läuft die Urabstimmng über weitere Arbeitskampfmaßnahmen. Foto: Stephan Zenke
Streikende Busfahrer vor der Zehntscheuer in Betzingen. Hier läuft die Urabstimmng über weitere Arbeitskampfmaßnahmen.
Foto: Stephan Zenke

REUTLINGEN/TÜBINGEN. In der Auseinandersetzung zwischen der Gewerkschaft Verdi und dem Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer (WBO) sind am Dienstagmorgen auch Busfahrer in Reutlingen und Tübingen in einen Warnstreik getreten. »Rund 200 Fahrer werden im Streik sein«, erklärt Benjamin Stein als Bezirksgeschäftsführer von Verdi im Bezirk Neckar-Fils am Dienstagmorgen vor dem Streiklokal. Die Busfahrer haben sich in Reutlingen in der Betzinger Zehntscheuer versammelt, um über weitere Arbeitskampfmaßnahmen abzustimmen. Das Ergebnis der Urabstimmung soll am Freitag vorliegen.

»Es geht darum, das Unterbrechungszeiten bezahlt werden«, erklärt Stein einen Hintergrund des Konfliktes, »wenn ein Busfahrer durch vom Fahrplan bedingte Unterbrechungen etwa 20 Minuten in Reutlingen Unter den Linden wartet, dann wird das als unbezahlte Pausenzeit gewertet«. Diese arbeitnehmerfeindliche Praxis sei vor allem bei kleineren Unternehmen häufig zu finden. Bei der großen Firmen wie der RSV oder TüBus, in denen es sowohl gut organisierte Fahrer als auch Betriebsräte gibt, gebe es dagegen »gute Schicht- und Arbeitspläne«, so Stein.

Die Reutlinger Stadtverkehrsgesellschaft informiert ihre Kunden in einer Mitteilung über die Auswirkungen des Warnstreiks: "Ganztägig sind davon alle Linien und auch die Auftragsunternehmen der RSV betroffen. Der öffentliche Busverkehr in Reutlingen, Pfullingen, Eningen unter Achalm, Pliezhausen und Walddorfhäslach kommt so zum völligen Erliegen. Die FES-Linien sind von den Streikmaßnahmen ausgenommen. Die Schnellbuslinie eXpresso ist wegen ihrer überregionalen Bedeutung von Streikmaßnahmen ausgenommen. Informationen über den Streik werden wir auf unserer Homepage www.reutlinger-stadtverkehr.de , der App ÖPNV live sowie auf den Dynamischen Fahrgastinformationsanzeigern an den Reutlinger Haltestellen bekanntgeben"

Werden während des Warnstreiks der Busfahrer nicht gebraucht: Busse im Depot der RSV. Foto: Stephan Zenke
Werden während des Warnstreiks der Busfahrer nicht gebraucht: Busse im Depot der RSV.
Foto: Stephan Zenke

Auf der Website des TüBus der Stadtwerke Tübingen heißt es kurz und knapp: "STREIK IM TÜBUS am Di, 06.07.2021, von Betriebsbeginn bis Betriebsschluss + TüBus fährt in dieser Zeit nach einem Notfahrplan + Linien 18, 19 und Regionalverkehr fahren regulär". 

Zwischenfall in Tübingen

Von einem Zwischenfall am frühen Dienstagmorgen in Tübingen berichten Verdi-Funktionär Andreas Schackert, Landesfachbereichsleiter für Verkehr, sowie Busfahrer beim Treffen in Betzingen. Beim Unternehmen Jakob Kocher Omnibusverkehr, dessen Gelände direkt neben dem Betriebhof der TüBus liegt, habe der Arbeitgeber um 4.30 Uhr die Polizei gerufen. »Wir haben zum Streik aufgerufen, der Arbeitgeber wollte, das es Streikbrecher gibt«, so Schackert. Es sei um Überlandfahrten gegangen. »Wir war heute morgen da, haben Kollegen angesprochen, die rausfahren wollten. Dann hat der Disponent die Polizei gerufen«, erzählt ein Busfahrer. Anschließend habe man eben in Gegenwart der Polizisten mit den Kollegen gesprochen.

Worum es beim Busfahrerstreik geht

In den Manteltarifverhandlungen für das private Omnibusgewerbe zwischen ver.di und dem Arbeitgeberverband von Baden-Württemberg WBO hat es bisher vier Verhandlungsrunden gegeben. Die Gewerkschaft ver.di fordert unter anderem eine Pausenregelung nach dem Arbeitszeitgesetz, eine Vereinheitlichung der Sonntags- und Nachtzuschläge auf höherem Niveau sowie die Aufnahme von Verhandlungen für eine betriebliche Altersvorsorge. Nachdem die Arbeitgeber in der dritten Runde kein verhandlungsfähiges Angebot vorgelegt hätten und weiterhin auf einer Absenkung der Jahressonderzahlung beharrten, hatte die Tarifkommission beschlossen, zu ersten Warnstreiks aufzurufen.

Diese fanden zwischen dritter und vierter Runde unter anderem in Reutlingen, Tübingen, Backnang, Neuenstadt, Murrhardt, Schwäbisch Hall und im Raum Karlsruhe, in Tuttlingen, Göppingen, Geislingen, Ludwigsburg, Bietigheim-Bissingen, Weissach im Tal, Marbach und Sachsenheim statt.

»Betriebsfahrt« steht auf den abgestellten Bussen auf dem Gelände der RSV, doch an diesem Dienstag streiken die Fahrer. Foto: Stephan Zenke
»Betriebsfahrt« steht auf den abgestellten Bussen auf dem Gelände der RSV, doch an diesem Dienstag streiken die Fahrer.
Foto: Stephan Zenke

Fahrer müssen laut ver.di in etlichen Betrieben drei bis vier oder mehr Stunden Pause pro Schicht nehmen. Die Schichten seien bisweilen sogar länger als zehn oder gar zwölf Stunden. ver.di erwartet, »dass die Rechtsprechung von 2016 endlich in den Betrieben umgesetzt wird, nach der mehr als eine Stunde unbezahlter Pausenzeit innerhalb einer Schicht regelmäßig unzulässig ist. Das ist seit fünf Jahren geltendes Recht. Dass wir darüber überhaupt verhandeln müssen, ist bitter. Die Arbeitgeber wissen das und fordern selbst auch eine Aktualisierung der Pausenregelung – allerdings mit dem Ziel, die gängige Praxis weitgehend zu legalisieren, anstatt den Fahrerinnen und Fahrern die Schichtzeit samt Standzeiten zu bezahlen«, so ver.di Verhandlungsführerin Hanna Binder.

Pausen und Nachtzuschläge

Laut dem Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer (WBO) mit Sitz in Böblingen hat sich Verdi von Beginn der Verhandlungsrunden an auf ausschließlich zwei Themen versteift: Pausen und Nachtzuschläge: »So sollen nahezu sämtliche Pausen bezahlt und der Nachtzuschlag verdoppelt werden. Die Forderungen der Unternehmen - wie unter anderem Anwendungsbereich, Tarifgruppen, Jahressonderzahlung - werden hingegen abgetan«.

Zu eingeschränkt, meint der WBO. »Wir haben ebenfalls Punkte, die wir im neuen Manteltarifvertrag verankert sehen wollen«, betont die stellvertretende WBO-Geschäftsführerin Yvonne Hüneburg. »Eine Tarifrunde ist eben keine Lohnrunde, in der nur über Prozente diskutiert wird. Hier muss man schon die Bereitschaft mitbringen, thematisch einzusteigen, um das Tarifwerk zu erneuern. Das ist sicherlich zeitintensiver als eine reine Lohnrunde – das ist ja aber auch nicht überraschend.«

Betroffen sind von den Verhandlungen rund 9.000 Fahrerinnen und Fahrer der privaten Omnibusunternehmen in ganz Baden-Württemberg. (GEA)

Verdi Landesbezirk Baden-Württemberg zu den Warnstreiks im privaten Omnibusgewerbe

Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer (WBO) zum Tarifkonflikt