REUTLINGEN. Mit welcher Ausdauer die Verantwortlichen des Reutlinger Naturtheaters schon seit Jahren ihr im Wasenwald geplantes Bauprojekt vorantreiben – allen Widrigkeiten zum Trotz – das verdient wirklich Respekt. Wie mehrfach berichtet, droht das alte Betriebsgebäude aus den 1940ern zusammenzubrechen. Ein großer Neubau für rund neun Millionen Euro sollte es ersetzen, das alte Gaststättengebäude gleich mit abgerissen werden.
2017 wurde mit den Planungen begonnen, die grandios scheiterten – am Geld, wie so oft. So wollte der Landkreis statt der erhofften zwei Millionen Euro zunächst nur 100 000 Euro beisteuern, eine Summe, die mittlerweile zwar verdoppelt wurde, aber dennoch wenig mehr ist als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Aufgeben? Kam nicht infrage, denn ohne Betriebsgebäude kann das Theater nicht weiterbestehen.
Kleiner und günstiger
Also wurden die Pläne überarbeitet. Das Gaststättengebäude soll nun als künftiges Kostümhaus erhalten und sukzessive saniert werden, dadurch kann der Neubau erheblich kleiner ausfallen. Die Baukosten reduzieren sich auf (2021 geschätzte) sechs Millionen Euro. Eine Million Euro will der Verein selbst beitragen, erläuterte dessen Erster Vorsitzender Rainer Kurze am Freitagabend auf der Naturtheater-Bühne, mindestens ein Drittel davon aus Spenden.
Dazu wurde 2019 eine erste Benefizgala veranstaltet – dann kam Corona, und die Spielzeit 2020 fiel komplett ins Wasser. 2021 waren immerhin einzelne Veranstaltungen möglich, darunter drei weitere Benefizabende, denen nun ein vierter folgte. Trotz brütender Hitze und bereits leise hörbarem Gerumpel am Himmel kamen rund 330 Zuschauer in den Wasenwald, um sich am Programm der honorarfrei auftretenden Künstler zu erfreuen und zugleich einen Beitrag zum Fortbestand des Theaters zu leisten. Reutlingens Erster Bürgermeister Robert Hahn rief zum Kauf von »Bausteinen« auf. Kurze erläuterte die verschiedenen Varianten von 50 bis 5.000 Euro und berichtete von bislang exakt 153.856 Euro Spenden, plus dem Erlös des Abends.
Der stand unter dem Motto Diversität – »oder Vielseitigkeit«, wie Kurze erklärte. »Auf der Bühne erleben Sie heute Menschen unterschiedlichster Art, Herkunft, Alters, mit oder ohne Handicap. Und es ist auch ganz egal, wen er, sie, es liebt.« Prompt eröffnete das zwanzigköpfige Naturtheater-Ensemble als äußerst buntes Völkchen das Programm mit einer furiosen Choreografie zum Song »The Greatest Show«.
Der folgende erste Teil des Abends fiel mit Standup-Comedian Dr. NoGo alias Andreas Schwenk und seinen amüsanten Einblicken in den Alltag eines Rollstuhlfahrers sowie den Ansprachen von Hahn und Kurze etwas wortlastig aus. Selbst Marc Roswag, männlicher Teil des Turniertanzpaares ShowMeDance, hatte erstaunlich viel zu den eleganten Lateintanznummern zu erzählen, die er zusammen mit Chaska Huamán-Bodemer aufs Parkett legte.
Urkomische Pantomime
Doch nach der Pause war erst mal Schluss mit Wortgeklingel. Völlig ohne Text kam die urkomische Pantomimenummer des NTR-Ensembles aus, die quasi als Spiegel der Tribüne alle möglichen Geschehnisse in einer Zuschauerreihe aufs Korn nahm. Comedy-Profi Markus Zipperle haute eine witzige Pointe nach der anderen raus und krönte das Ganze, vom Publikum bejubelt, mit dem »Hafer-und-Bananen-Blues« von Äffle und Pferdle, denen er seit über zwei Jahren seine Stimme leihen darf.
Große Chansonkunst brachte die ehemalige NTR-Regisseurin Susanne Heydenreich auf die Bühne, am Klavier begleitet von Alexander Reuter. Bei Hilde Knefs »Für mich soll’s rote Rosen regnen« öffnete wie auf Bestellung der Himmel die Schleusen, und als Heydenreich im strömenden Regen »Sag mir, wo die Blumen sind« sang, konnte sich wohl niemand dem Zauber des Augenblicks entziehen. Zum fulminanten Finale gab das NTR-Ensemble eine weitere kraftvolle Choreo im Zeichen des Regenbogens zum Besten, diesmal zum Filmsong »This Is Me«. Wer dazu beitragen möchte, das Naturtheater auch jenseits des Benefiz-Abends zu unterstützen, findet Bankverbindung und Infos zur Bausteinaktion online. (GEA)
www.naturtheater-reutlingen.de