REUTLINGEN. Der Autofahrer, der die Scheibe heruntergelassen hat, blickt neugierig, aber ziemlich entspannt auf die Baggerschaufel, die sich durch das Grün auf dem Grünstreifen frisst und den Inhalt mit den Zweigen und Grasbüscheln sofort wieder ausspuckt – auf den danebenstehenden Lastwagen. Die Vorarbeiten für die Sanierung der Sondelfinger Brücke auf der Schieferstraße/B28 haben am Donnerstagmittag begonnen – zu dieser Zeit noch ohne Staus und Stress sowohl für die Autofahrer als auch für die Bauarbeiter, weil die Fahrbahn vorerst nur auf ein paar Metern mit den verkehrsüblichen Baken verengt worden ist.
Die meisten Autofahrer interessieren sich in der Mittagspause noch nicht sonderlich für die Baustelle, auf der es mit einem Bagger und einem Lkw eher gemächlich zugeht. Aber das hat sich am Nachmittag schon geändert: Es geht nur noch im Schritttempo voran, vor allem für all diejenigen, die Richtung Stuttgart und Metzingen Stoßstange an Stoßstange im Stau stehen und viel länger als ihnen lieb ist unterwegs sind – zurück bis zur Ecke Emil-Adolff-Straße staut sich der Verkehr auf der Schieferstraße kilometerlang.
Wer aus Richtung Metzingen kommt, fährt flüssig und kann die Vorarbeiten für das Provisorium bereits erspähen. »Wir bauen die Leitplanken ab und zupfen die Bäume«, erklärt Bauleiter Selim Ersungur. Bis voraussichtlich zum 13. Mai werden sie noch mit ihren Vorkehrungen benötigen, um dann die vierspurige, etwa 500 Meter lange Fahrbahn über den Grünstreifen so zu verlegen, dass dann nur noch auf einer Seite jeweils eine Spur für beide Richtungen übrig bleibt.
»Danach beginnt dann die eigentliche Instandsetzung der ersten Brückenseite«, sagt Ersungur. Und mit dem Nadelöhr auch die Scherereien für die Autofahrer: denn dann dürften sich noch längere Schlangen in beiden Richtungen bilden und viel größerer Ärger zu erwarten sein als am Donnerstag, als sich beispielsweise ein Lastwagenfahrer laut hupend, wild gestikulierend und bremsend über einen Autofahrer beschwert, der sich ganz knapp vor ihm eingereiht hat. Ersungur schüttelt nur sein Haupt, als er die Szene sieht, und widmet sich schnell wieder seinen Arbeitern, die fleißig das Grün stutzen.
Etwa 40.000 Fahrzeuge verkehren täglich auf der Sondelfinger Brücke
Etwa 40.000 Fahrzeuge verkehren täglich auf der Strecke, es wird spannend zu beobachten sein, welche fantasievollen Ausweichrouten die Autofahrer sich durch die Stadt ausdenken werden, um die Baustelle umgehen zu können. Die Arbeiten des ersten Bauabschnitts werden wohl bis Oktober dieses Jahres andauern. Aber so genau kann das niemand voraussagen, weil es immer wieder zu unliebsamen Überraschungen kommen kann. Auf dem riesigen Hinweisschild der Stadt Reutlingen haben die städtischen Mitarbeiter schon an die strapazierten Nerven der Autofahrer gedacht. In blauer Schrift mahnen sie zur Geduld: »Gute Brücke, gute Fahrt« steht da geschrieben samt Servicenummer, unter der das Amt für Tiefbau, Grünflächen und Umwelt Fragen beantwortet.
Erst wenn der erste Bauabschnitt fertig ist, kommt Bauleiter Ersungur wieder ins Spiel. »Dann sind wir wieder dran, um die Verkehrsführung zurückzubauen und sie auf die andere Seite neu auszurichten«, erzählt der 34-Jährige. Von April 2020 an geht das Spiel dann auf der anderen Brückenseite von vorne los. Wie die Autofahrer auf die Baustelle dann reagieren werden, ist nicht das Thema von Selim Ersungur. Aber ganz sicher nicht mehr neugierig und gelassen. (GEA)