REUTLINGEN. Das Hupkonzert war in der Reutlinger Innenstadt nicht zu überhören. Geschätzt mehr als 100 Fahrzeuge zogen am Samstagnachmittag mit einem Autokorso die Blicke der Passanten auf sich. »Wir machen auf die dramatische Situation in Gastronomie und Einzelhandel aufmerksam«, sagte Organisator Harald Nilson, der in Reutlingen-Rommelsbach ein kleines Angel-Geschäft betreibt, zum Motiv der Demonstration. »Nach dem erfolgreichen Lockdown sollte man jetzt die Geschäfte und Lokale mit konsequent-strengem Hygienekonzept wieder öffnen.«
Um 14.30 Uhr setzte sich der Autokorso am Parkplatz am Kreuzeiche-Stadion in Bewegung. Dabei waren nicht nur Kennzeichen aus Reutlingen, sondern auch aus Tübingen und Stuttgart zu sehen. Überwacht wurde der Autokorso von der Reutlinger Polizei, die den Demonstrationszug anführte und auf der vorab besprochenen Strecke Kreuzungen vorübergehend sperrte. Über die Alteburgstraße, Karlstraße und die Silberburgstraße schlängelte sich der Autokorso wieder Richtung Kreuzeiche und erreichte nach etwa einer Stunde das Ziel.
Nilson hat nach eigenen Angaben zum ersten Mal eine Demo organisiert, mit dem unangemeldeten Autokorso vom vergangenen Samstag-Abend habe er nichts zu tun gehabt. »Ich bin eigentlich total ruhig und unpolitisch«, sagt Nilson. Aber nachdem am Mittwoch im Bund-Länder-Gipfel die Verlängerung des Lockdowns beschlossen wurde, sah er sich zum handeln gezwungen. »Viele Läden packen das nicht, wir halten nicht durch. Die versprochene Überbrückungshilfe III kann bis zum jetzigen Zeitpunkt immer noch nicht beantragt werden. Deshalb fordern wir jetzt die vorsichtige und kluge Öffnung von Einzelhandel und Gastronomie.«
Organisator Harald Nilson kooperierte bei der Kundgebung laut eigenen Angaben zudem mit dem Ordnungsamt der Stadt Reutlingen, den Technischen Betriebsdiensten und dem Kreisgesundheitsamt. »Ich nehme Corona sehr ernst«; betont Nilson, der sich ausdrücklich von »Anti-Corona-Demos, Corona-Leugnern, Impfgegnern und jeglichen politischen Lagern« distanziert. »Meine größte Angst war, dass die falschen Leute die Demo missbrauchen«, sagt Nilson. »Mir ist aber nicht bekannt, dass solche Leute da waren«. Schon am Mittwochabend gab Nilson die Demonstrations-Anmeldung bei der Stadt ab.
Laut Nilson sei bei der Kundgebung »alles gut gelaufen«. Auch ein Polizei-Sprecher berichtete am Abend auf GEA-Anfrage von »keinen besonderen Vorkommnissen« außer leichten Verkehrsbehinderungen. Demnach hielten sich die Teilnehmer der Demonstration an alle Auflagen - nur das Hup-Verbot wurde übergangen.
»Die Resonanz war sehr gut«, betonte ein erschöpfter aber glücklicher Organisator nach der Demo. »Ich bin erstaunt, wie viele gekommen sind«, sagte Nilson. Der Reutlinger hatte 60 Fahrzeuge zur Demonstration angemeldet. Seinen Schätzungen zufolge dürften es zwischen 100 und 150 Fahrzeuge gewesen sein. »Schade war nur, dass die Passanten am Straßenrand nicht so richtig mitbekommen hat, worum es ging«, sagte Nilson. Nur wenige Fahrzeuge hatten wie Nilsons Führungsfahrzeug Transparente mit Botschaften an Bord. »Das Motiv hätte noch mehr in den Vordergrund gestellt werden müssen.«
Das will Nilson beim nächsten Mal nachholen. Er ist optimistisch, dass es am kommenden Samstag zur nächsten Protest-Aktion zur Öffnung des Einzelhandels und Gastronomie in Reutlingen kommt. (GEA)