REUTLINGEN. Ein regelrechter Teppich aus aufgeweichten Brotwürfeln und Chips ist auf dem Bild zu erkennen, das ein Leser dem GEA vom Breitenbachsee geschickt hat. Vermutlich sollten die Schwäne gefüttert werden, die dort leben. »Das ist kriminell«, urteilte Ornithologe Albrecht Gorthner vom Reutlinger Ortsverein des Naturschutzbundes (Nabu) angesichts der schieren Menge und besonders im Hinblick auf die Chips. »Da ist völliger Unverstand dabei.«
»Es muss die Frage erlaubt sein, ob man nicht mehr an sich denkt als an die Tiere«
Werden Singvögel über den Winter im Garten gefüttert, könne das aus naturpädagogischen Gründen noch toleriert werden, sagte Gorthner. Doch Wildtiere – zu denen Wasservögel wie Enten und Schwäne zählen – zu füttern, bringe »immense« Probleme mit sich. Und zwar für die Tiere und die Natur.
Gut gemeint ist in diesem Falle nicht gut gemacht: »Die Fütterungsmentalität steckt bei den Menschen ganz tief drin«, weiß der Naturschützer. »Es muss die Frage erlaubt sein, ob man nicht mehr an sich denkt als an die Tiere.«
Die Wildvögel laufen Gefahr, überfüttert zu werden. Denn vielleicht war schon ein paar Stunden zuvor ein anderer Spaziergänger mit Brotwürfeln am See. Das gefressene Brot quillt im Magen der Tiere auf, das enthaltene Salz ist ungesund.
Vor einigen Jahren führte die intensive Fütterung von Enten am Teich in Orschel-Hagen zu einer Überpopulation, was laut Gorthner Psychostress und vermehrt Krankheiten für die Tiere bedeutet. Das hohe Futterangebot machte den See für die Tiere attraktiv, es brüteten dort mehr Enten, als Brutplätze vorhanden waren. Die Gelege waren daher nicht ausreichend geschützt. Sein Fazit: »Eigentlich brauchen Wildvögel unsere Zufütterung nicht, das bringt alles ins Ungleichgewicht.«
Das zeige sich letztlich am Gewässer. Wird zu viel Futter ins Wasser geworfen, sinkt dieses ab und bringt die Ökologie aus dem Gleichgewicht. Die Futterreste verbrauchen beim Zersetzen im Wasser Sauerstoff, den die Fische benötigen. Es reichert sich Schlamm an, der ohne Sauerstoff anfängt zu stinken. Die Artenvielfalt reduziert sich. Im schlimmsten Fall entwickeln sich durch den zu hohen Nährstoffgehalt giftige Blaualgen, wie etwa am Stuttgarter Max-Eyth-See im vergangenen Oktober. Dann dürfen auch Hunde das Wasser nicht mehr trinken, skizziert Gorthner die Folgen.
Da der Breitenbachsee recht groß ist und durchflossen wird, sind die Auswirkungen dort nicht sofort dramatisch. Doch je kleiner das Gewässer, umso problematischer ist es für die Ökologie. Davon abgesehen locken Futterreste am Ufer insbesondere Ratten an. Auf deren Speiseplan stehen auch die Eier in den Bodengelegen von Vögeln. Selbst vor Schwanennestern machen sie nicht halt.
Um das zu verhindern, weisen Schilder auf das Fütterungsverbot hin wie am Schlattwiesensee. Eine Maßnahme, für die am Breitenbachsee das Forstrevier Reutlingen zuständig ist. Da es laut Forstamt bisher keine Probleme mit übermäßiger Fütterung gegeben hat, sind dort keine Schilder vorhanden und auch nicht angedacht.
»Mehr kann man aber auch nicht machen«, sagt Gorthner. Allenfalls Spaziergänger können diejenigen, die füttern, darauf aufmerksam machen, wie schädlich das für die Wasservögel und den See ist. Gorthner würde sich wünschen, dass bereits in der Schule darauf aufmerksam gemacht wird, welche Auswirkungen die Fütterung von Enten und Schwänen haben kann.
Und letztlich muss sich auch jeder selbst fragen, ob all das die kurze Freude wert ist, wenn die Enten oder Schwäne zum Fressen nah an einen herankommen. Zumal das nicht bedeutet, dass sie hungrig sind, sondern schlicht zeigt, dass sie es gewohnt sind. Wasservögel beobachten geht auch ohne Brotwürfel in der Tasche. (GEA)