REUTLINGEN. Der Diesel-Showdown in Leipzig wirft seine Schatten voraus. Die AfD-Fraktion im Gemeinderat forderte in der jüngsten Sitzung rechtliche Verstärkung für die Stadt und unterstellte dem derzeitigen Rechtsanwalt Professor Dr. Klaus-Peter Dolde einen »Mandatskonflikt«. Dolde von der Stuttgarter Kanzlei Dolde, Mayen und Partner habe in anderer Sache bereits Mandate des Landes angenommen und sei somit befangen. Der Spezialist für Verfassungsrecht, Europarecht, öffentliches Gebühren- und Abgabenrecht, Kommunalrecht und Staatshaftungsrecht vertritt die Stadt nach derzeitigem Plan in Leipzig und tat dies bereits vor dem Verwaltungsgericht Mannheim.
Konflikt nicht ersichtlich
Bürgermeisterin Ulrike Hotz sah am Dienstag keinen weiteren Bedarf. Ein Interessenkonflikt sei nicht ersichtlich. Im Verfahren bestünden keine unterschiedlichen Interessen der Stadt Reutlingen und des Landes Baden-Württemberg, weil beide der Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und den Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entgegentreten. Auch aufgrund anderer Verfahren des Landes im Zusammenhang mit Luftreinhalteplänen, bei denen Dolde aktiv war, gebe es keine Bedenken.
Dolde habe bisher lediglich eine rechtliche Stellungnahme zur Frage abgegeben, ob das Land mit Aussicht auf Erfolg Vollstreckungsgegenklage gegen das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart erheben könne. Durch das Gericht war das Land verurteilt worden, in der Umweltzone Stuttgart ein Verkehrsverbot für Diesel-5-Fahrzeuge anzuordnen. Durch eine Vollstreckungsgegenklage sollte dies verhindert werden. Es ging daher um die Vermeidung von Verkehrsverboten für Diesel-5-Fahrzeuge in Stuttgart und somit um das gleiche Ziel, das die Stadt Reutlingen im Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht verfolgt. »Für einen Interessenkonflikt gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt«, folgerte Hotz. Dolde sei für keine Mandanten tätig gewesen, deren Ziel es war, die Fortschreibung von Luftreinhalteplänen – inklusive Fahrverboten – durchzusetzen. Kritik an der Stadt Reutlingen sei deshalb unbegründet, die Hinzuziehung weiterer Rechtsvertreter, verbunden mit zusätzlichen Kosten, sei nicht erforderlich.
Darüber hinaus habe die Stadt im Gerichtsverfahren auf den Artikel von Dr. Martin Pagenkopf hingewiesen, der in der »Neuen Zeitung für Verfassungsrecht« (NVwZ) 2019 erschienen war. Genau jenen Autor nämlich hatte die AfD als Verstärkung für Leipzig empfohlen: Pagenkopf war bis 2009 Richter am Bundesverwaltungsgericht, sein Beitrag in der NVwZ trug den Titel »Demobilisierung der Städte – Fragen der Grenzen für die Rechtsprechung«.
Pagenkopf beruft sich darin unter anderem auf die medizinische Wissenschaft, die Zweifel an den wissenschaftlichen Grundlagen für die NO2-Grenzwerte hege. Er spricht von einer »ideologisierten Diskussion«. Rauchen, Hypertonie, Alkoholkonsum, übermäßige sportliche Aktivität, Impfverhalten und Adhärenz von medikamentösen Therapien seien als gesundheitliche Risikofaktoren 50 bis 100 Mal höher zu bewerten. Insgesamt hätten »die Verwaltungsgerichte mit ihren Urteilen zur Zulässigkeit von streckenbezogenen oder zonenbezogenen Verkehrsverboten für bestimmte Kfz-Typen die Grenze einer auf Streitentscheidung im Einzelfall gerichteten Rechtsprechungstätigkeit überschritten«.
AfD-Fraktionssprecher Hansjörg Schrade zog den Antrag, Pagenkopf zu engagieren, noch während der Sitzung zurück. Auch gab er sich mit der Auskunft zufrieden, der Standort der Luftmessanlage in der Lederstraße werde erneut zum Thema gemacht. Hotz kündigte einen Sachstandsbericht an. Anlass war der AfD-Vorstoß, Schadensersatz vom Land zu verlangen, weil die Messstation regelwidrig aufgestellt sei. (GEA)