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Aktuell Kriminalität

Über welche Fälle die Reutlinger Polizei berichtet - und über welche nicht

Täglich werden Polizei-Meldungen im GEA veröffentlicht. Über manche Vorfälle wird jedoch nicht berichtet. Leser wollen wissen: Was sind die Auswahlkriterien?

Täglicher Bestandteil der GEA-Berichterstattung: Pressemeldungen der Polizei.
Täglicher Bestandteil der GEA-Berichterstattung: Pressemeldungen der Polizei. Foto: GEA-Repro
Täglicher Bestandteil der GEA-Berichterstattung: Pressemeldungen der Polizei.
Foto: GEA-Repro

REUTLINGEN. Wieso wird über den Auffahrunfall auf der Bundesstraße berichtet, über den Polizei-Einsatz beim Nachbarn aber nicht? Warum wird beim verhafteten Einbrecher dessen Nationalität genannt, bei den Beteiligten einer Schlägerei jedoch nicht? Diese und ähnliche Fragen stellen GEA-Leser immer wieder. Andrea Kopp, Pressesprecherin des Reutlinger Polizei-Präsidiums erklärt, über welche Vorfälle die Behörde wie berichtet – und über welche nicht.

Welche Unfälle/Straftaten schaffen es in den Polizeibericht und welche nicht?

Zwischen 700 und 800 Einsätze verzeichnet das Polizei-Präsidium täglich in den Landkreisen Reutlingen, Tübingen, Esslingen und im Zollernalbkreis, sagt Kopp. In den Pressemitteilungen werden die »herausragenden Ereignisse« verarbeitet: Straftaten mit schweren Folgen oder hohem Schaden, Vergehen, bei denen Zeugen gesucht werden oder die Bevölkerung gewarnt werden muss. Auch über »öffentlichkeitswirksame« Vorfälle wird informiert. Das sind Unfälle, Brände, Hubschrauber-Einsätze aber auch etwa in der Öffentlichkeit randalierende Personen. Über Straftaten im häuslichen Umfeld oder Sexualdelikte wird normalerweise nicht berichtet. »Das ist keinesfalls eine Abwertung der Schwere oder der Verwerflichkeit eines Delikts«, sagt Kopp. Hierbei gehe es vielmehr um Persönlichkeitsschutz. »Insbesondere für das Opfer.« Eine Ausnahme wird gemacht, wenn jemand getötet wird. »Äußerste Zurückhaltung« zeigt die Polizei auch bei Suiziden. Sollte eine Pressemeldung »unumgänglich« sein, etwa weil der Fall für öffentliches Aufsehen gesorgt hat, »fällt diese sehr knapp aus.« 

Wie verhält es sich mit Fahndungen?

Nach unbekannten Tätern fahndet die Polizei fast täglich mit Personenbeschreibungen in Pressemeldung. Zum Beispiel bei einer Unfallflucht, einem Einbruch oder einer Sachbeschädigung. »Sehr selten« wird dagegen nach bekannten Tätern gefahndet, sagt Kopp. Wenn Name und Foto veröffentlicht werden, ist das ein »Riesen-Eingriff« in das Grundrecht und muss deshalb von einem Richter angeordnet werden. Das gilt auch für Lichtbilder von unbekannten Tätern aus Überwachungskameras oder Phantom-Fotos. Auch die Entscheidung für eine Öffentlichkeitsfahndung nach Vermissten ist »eine Gratwanderung zwischen Selbstbestimmungsrecht und Persönlichkeitsrecht sowie einer möglichen Gefahr für die Person«, so die Polizei-Pressesprecherin. »So kann es sein, dass wir uns trotz Einverständnis der Angehörigen gegen eine Öffentlichkeitsfahndung entscheiden müssen.«

Wie detailliert wird zu einzelnen Fällen berichtet?

»So viel wie nötig, so wenig wie möglich«, lautet der Grundsatz bei Polizei-Berichten. Maßgeblich ist: Was muss die Öffentlichkeit zum jetzigen Zeitpunkt wissen? Wenn Medien über die Mitteilung hinaus Fragen stellen, können Behörden laut Landespressegesetz aus bestimmten Gründen die Auskunft verweigern, erklärt Kopp. Das sind zum einen »schutzwürdige persönliche Interessen« von Beteiligten. Zum anderen kann es »ermittlungstaktische Gründe« haben. »Alles, was die beweissichere Klärung der Tat gefährden könnte, ist tabu.« Dazu zählen etwa Dinge, die nur der Täter wissen kann. Man achte grundsätzlich darauf, dass die Berichte keine Rückschlüsse auf Beteiligte oder Betroffene zulassen. So kann es sein, dass Altersangaben weggelassen werden oder der Wohnort nicht exakt genannt wird.

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Bei welchen Fällen sucht die Polizei Zeugen?

»Meist auf Ersuchen eines Sachbearbeiters« sucht die Polizei öffentlich nach Zeugen, sagt Kopp, »allerdings prüfen wir jeden Einzelfall, um das Instrument nicht zu sehr zu strapazieren.« Bei Unfällen sei es meist von den Folgen des Vorfalls abhängig. Aber auch etwa von der Zahl der potenziellen Zeugen. Bei Straftaten muss »eine gewisse Schwelle« überschritten werden.

Wann nennt die Polizei Nationalitäten von Straftätern und wann nicht?

Die Nennung der Nationalität ist laut Kopp oft eine »Gratwanderung zwischen dem Schutz von Minderheiten vor möglicher Diffamierung und dem Informationsbedürfnis der Gesellschaft«. Üblicherweise wird die Staatsbürgerschaft genannt, wenn jemand verhaftet wird. Außerdem auch, wenn die Nationalität etwas mit der Tat zu tun hat oder für das Verständnis wichtig ist. Das kann zum Beispiel sein bei Reisenden oder zur Tatbegehung von eingereisten Personen, bei Tatbezug zu Asylbewerberheimen, bei Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Ethnien, wenn das Motiv eines Täters etwas mit dessen Sozialisation zu tun hat, wenn Beschuldigte ganz deutlich öffentlich in Erscheinung treten oder in einem bestimmten »Kriminalitätsphänomen« eine dominierende Rolle einnehmen. »Es ist aber immer noch zusätzlich eine fallabhängige Einzelentscheidung, die wir uns oft nicht einfach machen«, sagt Kopp. »Wir versuchen, diese verantwortungsvoll und nach bestem Wissen und Gewissen zu treffen.«

Gibt es Anfeindungen aus der Bevölkerung?

Vor allem auf Presseberichte, in denen keine Nationalität genannt wird, erhält die Pressestelle oftmals heftige Reaktionen. »Es wird dann als Beweis angesehen, dass die Polizei die Wahrheit vertuscht«, berichtet Kopp. »Dass die nicht erwähnte Nationalität Deutsch sein könnte, wird nicht einmal annähernd für möglich gehalten.« Wird über einen Vorfall, an dem eine dunkelhäutige Person oder ein Flüchtling beteiligt war, nicht berichtet, »wird uns oft reflexartig unterstellt, dass eine Pressemeldung nur aus diesem Grund unterbleibt«, führt Kopp aus. Genau das Gegenteil sei der Fall. »Weil wir diese Theorien kennen, berichten wir manches Mal über ein Einsatzgeschehen, um solche Gerüchte zu entkräften.« (GEA)